Foto: lazyllama/Fotolia.com

Vertreter in der Region wünschen sich, dass sich Briten für EU-Verbleib entscheiden - sonst drohen Probleme.

Nordschwarzwald - Europa schaut heute auf Großbritannien, das über seine EU-Mitgliedschaft entscheidet. Auch für die heimische Wirtschaft ist der mögliche Brexit ein Thema. Die meisten wünschen sich einen Verbleib der Briten in der EU und befürchten politischen und wirtschaftlichen Schaden für den Fall eines Austritts.

Ralf Bommer hofft vor der Brexit-Abstimmung, dass in Großbritannien "vernünftige Leute eine vernünftige Entscheidung treffen" und die "Vernunft über die Emotionen" siegt. Der Geschäftsführer des Nagolder Automobil-Zulieferers Wagon Automotive, dessen Unternehmen auch an die BMW-Tochter Rolls-Royce liefert, würde es begrüßen, dass es nicht zum Brexit kommt – und das nicht nur aus wirtschaftlichen Beweggründen.

Zunächst schwäche ein Austritt – unabhängig vom betroffenen Land – generell die Europäische Union, sagt Bommer. "Und das ist zum Nachteil aller Mitglieder der EU." Zudem könnte ein Brexit auch Vorbildcharakter für andere Länder haben, die mit dem Gedanken spielen, die EU zu verlassen. Dass ein Austritt der Briten auch Auswirkungen auf sein Unternehmen haben würde, davon geht Bommer zwar aus, aber wie diese Auswirkungen aussehen, das könne man jetzt noch nicht absehen. Zumal ein Brexit ja auch nicht von heute auf morgen über die Bühne gehen würde und zuvor reichlich Verhandlungen stattfinden dürften, deren Ergebnis man nicht absehen könne. Deshalb gebe es bei Wagon Automotive auch keine Planspiele für einen Brexit.

Vom BMW-Konzern, einem seiner großen Kunden, zu dem seit 2000 auch die britische Traditionsmarke Rolls-Royce gehört, hat Bommer vernommen, dass man sich dort schon so seine Gedanken über den möglichen Austritt der Briten mache. Das werde "alles schwieriger machen" heißt es nach Bommers Angaben in München.

Für baden-württembergische Unternehmen allgemein ist Großbritannien nach Auskunft der IHK Nordschwarzwald bislang ein "stiller Star" im Exportgeschäft. In der Liste der wichtigsten Auslandsmärkte Baden-Württembergs liegt Großbritannien auf Rang sechs. Seit Jahren entwickeln sich die Exporte überproportional gut und bei der Abwicklung kommt es kaum zu Problemen. "Wäre Großbritannien nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts, wäre dies für heimische Unternehmen auch ein direkter Kostenfaktor", gibt IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Keppler zu bedenken. "Sämtliche Handelsprivilegien der EU-Mitgliedschaft fielen weg. Nach einer Übergangsphase würden etwa beim Zoll bürokratische Lasten für den Warenverkehr drohen. Unternehmen müssten beispielsweise wieder förmliche Zollanmeldungen bei der Ein- und bei der Ausfuhr abgeben."

"Ein Brexit birgt nicht nur für die britische Bevölkerung ein hohes Risiko, sondern auch Deutschland droht dadurch ein erheblicher Schaden", meint Gerd Haselbach. Unternehmen würden Investitionen auf Eis legen, bis die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland ausgehandelt sind, Konsumenten werden ihre Ausgaben drosseln. An den Finanzmärkten hat die Flucht in sichere Anlagen wie Bundesanleihen oder Gold bereits begonnen, meint der Vorstandssprecher der Raiffeisenbank im Kreis Calw mit Sitz in Neubulach. All das würde die Konjunktur dämpfen. Insgesamt werde der Schaden für Deutschland nicht so groß sein wie für Großbritannien, allerdings könnte nach einer Berechnung des ifo-Instituts die deutsche Wirtschaftsleistung im schlimmsten Fall langfristig um bis zu drei Prozent niedriger sein als ohne einen Brexit.

"Eine direkte Auswirkung mit hohem Risiko kann für uns als regional tätige Bank nicht festgestellt werden", so Haselbach weiter. "Sollte es zu einem Brexit kommen, gehen wir im Kreditgeschäft weiterhin von unseren Wachstumsprognosen aus, da wir keine mittelständischen Kunden mit internationalen Verflechtungen insbesondere mit Großbritannien in unserem Kundenportfolio haben."

"Ich wünsche mir, dass die Briten in der EU bleiben", sagt Hans Neuweiler. Sollte sich das Land dennoch heute für den Brexit entscheiden, werden sich die Auswirkungen auf Deutschland und die EU nach Auffassung des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Pforzheim Calw gleichwohl in Grenzen halten. Gravierendere Folgen seien für Großbritannien selbst zu erwarten. Insbesondere im politischen Bereich sei mit einem Wiederaufflammen der Diskussion um die Autonomie Schottlands zu rechnen.

Sollte es zum Brexit kommen, dürfte es vorübergehend zu einer Schwächung des Euro kommen. Danach folgen, so der Sparkassen-Direktor, Verhandlungen über mehrere Jahre, um die künftigen Handelsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien zu regeln. Dass auf Dauer weniger deutsche oder europäische Waren nach Großbritannien exportiert werden, kann sich Neuweiler nicht vorstellen. Auswirkungen auf die Sparkasse Pforzheim Calw gebe es nicht. Das Institut sei dort nicht engagiert, von den Kunden sei es nur eine geringe Zahl, die in größerem Ausmaß dorthin exportieren, sagte Neuweiler im Gespräch mit unserer Zeitung.