Hans Letulé vor dem seltenen Speierling, von dem es auf Gemarkung Niedereschach wohl nur einen gibt. Foto: Bantle Foto: Schwarzwälder-Bote

Speierling gedeiht im Bereich "In Gräbern" / "Russische Wurzeln"

Von Albert Bantle

Niedereschach/Brigachtal. Riesenfreude beim aus Brigachtal kommenden "Baumpabst" Hans Letulé, der in Niedereschach immer wieder als Berater zur Verfügung steht, wenn es um Fragen rund um den Baum geht. Anlass zur Freude ist für Letulé ein Speierling. Ein besonders seltener Baum, der im Neubaugebiet In Gräbern wächst.

Mit Edmund Hug vom Bauhof der Gemeinde steht Letulé stets in Verbindung, wenn es um die Hege und Pflege der vielen in Niedereschach zusammen mit Letulé gepflanzten Bäume geht. So auch bei den Obstbäumen rund um das Neubaugebiet In Gräbern in Niedereschach. Dort hat Letulé nun einen Baum entdeckt, der es in sich hat, am besten in einem Weinbauklima gedeiht, nach Aussage von Letulé auf der "Roten Liste" steht und eine absolute Rarität darstellt: einen Speierling.

Interessant dabei ist, wie der Speierling nach Niedereschach gekommen ist. Laut Letulé liegen die Wurzeln des Niedereschacher Exemplars in Russland.

Der Eberesche täuschend ähnlich

Mitte der 50er Jahre wurden für eine Versuchsanlage auf dem Wartenberg eben in Russland fünf essbare Ebereschenbäume bestellt und auch geliefert, wobei einer dieser fünf Bäume sich als "Falschlieferung" entpuppte, da es sich dabei um einen der Eberesche täuschend ähnlich sehenden Speierling handelte.

Ebereschen und Speierlinge sehen im Grunde genau gleich aus, unterscheiden sich aber in der Blüte und der Frucht.

Der falsch aus Russland gelieferte Speierling war wohl Kälte gewohnt und entwickelte sich auf dem Wartenberg bestens, ehe der Baum dem Orkan Lothar im Dezember 1999 zum Opfer fiel und entwurzelt wurde.

Von diesem Wurzelwerk hat damals Letulé einen Wurzelableger entnommen und in einer Plastiktüte nach Niedereschach gebracht und Edmund Hug übergeben, der den Ableger seinerseits als Ersatz für einen ausgefallenen Apfelbaum rund um das Neubaugebiet In Gräbern nutzte. Seither hat sich der Speierling dort prächtig entwickelt. Erst jetzt habe Hug ihn darauf angesprochen, dass der damals gepflanzte Ableger gut gediehen sei und schöne große Früchte trage, erinnerte sich Letulé.

Der Speierling ist am besten in Frankfurt bekannt, da man dort den herben Saft unreifer Früchte zur qualitativen Verbesserung des Speierlingsapfelweins verwendet. Im Herbst fallen dort die Bäume auch am ehesten auf, denn leuchtend gelbrote Früchte sind an anderen Waldbäumen unbekannt. Man denkt bei den kleinen Früchten vielleicht zunächst an Birnen oder Äpfel, doch die gefiederten Blätter passen nicht zu diesen Arten. Der Speierling (Sorbus domestica) – regional auch Sperberbaum, Sporapfel, Spierapfel, Spreigel genannt – ist ein Wildobstbaum aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Der Speierling ist in Deutschland sehr selten geworden, es gibt nur noch wenige Exemplare in der Natur. In Hessen gibt es etwa 400 bis 500 Speierlingsbäume, die 80 Jahre oder älter sind. Zum Beispiel stehen in Kronberg im Taunus 47 alte und über 100 junge Speierlinge. In Österreich gibt es etwa 500 ausgewachsene Speierlinge, vor allem in Niederösterreich, in Wien und im Burgenland. Der Speierling ist ein zehn bis 20 Meter hoher Baum. Er kann im Wald über 30 Meter hoch werden und als Einzelbaum Stammdurchmesser über einem Meter erreichen. Er erreicht ein Alter bis zu 600 Jahren, in Mitteleuropa aber meist deutlich weniger. Der Speierling hat eine kleinschuppige, graubraune Borke und besitzt bis zu 25 Zentimeter lange Fiederblätter. Der Laie kann ihn hauptsächlich durch seine größeren Früchte von der Vogelbeere unterscheiden. Aus den Blüten im Mai entwickeln sich im September/Oktober zwei bis vier Zentimeter große birnen- bis apfelförmige Früchte. Sie werden von Vögeln und Säugetieren verbreitet. Die vegetative Vermehrung durch Wurzelbrut überwiegt.