Wasser marsch beim Ökoprojekt an der Staustufe Poppenweiler: Hunderte Schaulustige beobachten, wie der Neckar sein neues Bett in Besitz nimmt. Mehr Bilder von der Flutung finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Naturparadies schafft Lebensraum auf 17 Hektar. Abriss des Uferdamms dauert bis Ende 2013.

Ludwigsburg - Wasser marsch in den Zugwiesen: Mit der sanften Flutung eines von Bagger und Planierraupe angelegten Bachlaufs hat der Neckar am Donnerstag bei der Staustufe in Poppenweiler einen neuen Seitenarm erhalten. Auf 1,7 Kilometer Länge soll ein Naturparadies entstehen. Das Projekt kostet acht Millionen Euro.

Bei klirrender Kälte verfolgten etwa 400 Schaulustige, wie der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec in einen Bagger stieg und die Sperre am Einlauf zum neuen Seitenarm beseitigte. Erdig-braun wälzte sich die Flut durch den angelegten Bachlauf, das Wasser trieb auf seinem Weg ins Tal kleine Eisschollen vor sich her. Obwohl längst noch kein Grashalm auf der monatelang modellierten Fläche wächst, ist die künftige Auenlandschaft am Neckarufer bereits zu erahnen. Hat die Natur das Ökoparadies erst besiedelt, finden Wasservögel, Fische und Amphibien an der Staustufe einen 17 Hektar großen neuen Lebensraum.

Flutung dauert mehrere Tage

Der Ludwigsburger Rathauschef sprach bei der Flutung des Bachlaufs von einem wichtigen Meilenstein für die ökologische Aufwertung des Neckars: "15 Jahre nach der ersten Idee ist hier in Ludwigsburg ein Flaggschiff für den regionalen Landschaftspark Neckartal entstanden", erklärte Spec. Er zeigte sich "überwältigt vom Interesse der Bevölkerung" an dem Naturschutzprojekt. Das künftige Naherholungsgebiet in den Zugwiesen war schon in den vergangenen Monaten ein beliebtes Ziel für den Sonntagsspaziergang, die Stadt klärte bei Baustellenführungen über die Pläne für das Ökoparadies am Neckarufer auf.

Die Flutung der großzügig angelegten Wasserflächen wird mehrere Tage dauern. Um den mühsam modellierten Bachlauf nicht gleich ins Tal zu schwemmen, wird das Wasser nur kontrolliert eingelassen. Der Seitenarm soll als Fischtreppe zur Umgehung der Schleuse dienen, gut sieben Meter Höhenunterschied haben Karpfen, Hecht und Moderlieschen zu überwinden. Für Spaziergänger gibt es mehrere Holzbrücken und eine Beobachtungsplattform, um Flora und Fauna aus nächster Nähe zu bestaunen.

Gestaltet wurde neben dem Bachlauf auch eine naturnahe Landschaft mit Flachwasserzonen und kleinen Inseln. Im Schilf sollen nicht nur Enten brüten, sondern auch Frösche und Fische einen Laichplatz finden. "Für mich geht heute ein Traum in Erfüllung", erinnerte Claus-Peter Hutter, langjähriger Leiter der Umweltakademie des Landes und Präsident der Stiftung Naturelife International an seine Jugend im nur wenige Kilometer entfernten Benningen: "Als ich ein Kind war, konnte man auf dem Fluss noch die Schaumkronen sehen, der letzte Storch wurde im Jahr 1954 gesichtet", lobte er die Bemühungen für eine ökologische Aufwertung des NecAchtkars.

Acht Millionen Euro verschlungen

Acht Millionen Euro verschlungen

Bevor beim neuen Seitenarm der Stöpsel gezogen wurde, hatten Regionalpräsident Thomas Bopp und der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas den Schulterschluss bei der Finanzierung des Projekts gelobt. Schließlich hat die Renaturierung der Zugwiesen nicht zuletzt durch den teuren Grunderwerb gut acht Millionen Euro verschlungen. Den Löwenanteil der Kosten trägt die Stadt Ludwigsburg, die das Naturparadies über ihr Ökokonto für Baugebiete abrechnet.

Aus Fördertöpfen des Bunds für die naturnahe Gestaltung der Uferbereiche steuerte das Wasser- und Schifffahrtsamt ebenfalls 2,8 Millionen Euro bei. Rund 600.000 Euro kommen von der Region Stuttgart, das Land bezahlte für die Umgestaltung an der Staustufe 400.000 Euro bei. 350.000 Euro schließlich stammen aus Mitteln der Glücksspirale. Den allein schon 90.000 Euro teuren Beobachtungsturm auf dem Gelände haben Umweltstiftungen aus Spenden bezahlt.

Projekt Ende 2013 vollständig abgeschlossen

Fertig ist das Naturparadies an der Staustufe allerdings noch nicht. Laut Barbara Grüter vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Stuttgart wird in den nächsten Monaten noch der marode Uferdamm oberhalb der Schleuse auf einer Länge von 800 Meter abgetragen. Mit der Maßnahme reißt die Behörde die letzten Barrieren zwischen dem von Kohlefrachtern und Kieskähnen genutzten Kanal und dem parallel verlaufenden Bypass ein.

Vermutlich erst Ende 2013 wird das Projekt vollständig abgeschlossen sein, im Sommer 2012 soll es eine offizielle Einweihung geben. Ein Geschenk für die Natur hatte die für die Erdarbeiten zuständige Baufirma Wolff & Müller dennoch bereits dabei: Nach der Flutung des neuen Wasserlaufs setzte das Unternehmen eigens angekarrte Bachforellen aus - nach 15 Jahren Planung kann es für die Natur in den Zugwiesen nicht schnell genug gehen.