Kleinkunst: Die "medlz" reißen in der Seminarturnhalle die Zuhörer von den Sitzen

Nagold. Stehende Ovationen – das gibt es in der Alten Seminarturnhalle nicht jeden Tag. Doch Charme, Witz und vor allem die Stimmen der vier "medlz", die zum wiederholten Mal auf Nagolds Kulturbühne zu Gast waren, haben die 150 Zuhörer sprichwörtlich von den Sitzen gerissen.

In einem abendfüllenden Programm durch nicht weniger als 200 Jahre Musikgeschichte zu streifen und dabei alle Genres zu bedienen – die a-capella-Band aus Dresden schafft diesen Anspruch mühelos: von dem ergreifenden "Ave Verum" aus Mozarts Requiem bis zur urkomischen Neuauflage der Neuen Deutschen Welle auf Sächsisch.

Die Geschichte der Band beginnt vor 18 Jahren. Fünf Sängerinnen, die im Philharmonischen Kinderchor Dresden aktiv sind, gründen die "nonets". Anfangs beschränken sich ihre Auftritte auf die Region, doch schon bald stehen sie bundesweit auf den Bühnen. 2005 taufen sie sich in "medlz" um und gehen mit den erfolgreichsten Ost-Rockern von "Karat" auf Weihnachtstour. Mittlerweile sind die "medlz" zu viert. Die 20-jährige Joyce-Lynn Lella stieß als letzte zu dem Quartett hinzu – als perfekte Ergänzung des Stimmumfangs.

"Von Mozart bis Mercury", heißt das Programm, mit dem sie derzeit durchs Land touren und auch in Nagold zu Gast waren. Von der ersten Minute an sorgt dieses Quartett für einen wunderbaren Wohlfühlabend. Als Zuhörer lauscht man – und bewundert. Man lacht über die zuweilen zotigen Witze von Moderatorin Sabine Kaufmann und lässt sich von der pfiffigen Choreografie auf der Bühne mitreißen. Sie schmeicheln mit ihren klassischen Stücken der Seele. Und wenn sie im Stile von Led Zeppelin zu Rockröhren mutieren oder Spirituals anstimmen, geht der ganze Saal mit.

Welche Wandlungsfähigkeit ihnen eigen ist, zeigen sie – mit Zuhörerbeteiligung, als sie Texte von Udo Jürgens auf Melodien von Michael Jackson oder gar Grönemeyer-Hits auf Abba-Songs adaptieren.

Nach gut zwei Stunden Frauen-Power wippt auch der letzte zuvor noch reservierte Zuhörer rhythmisch mit und stimmt lauthals ein: "We will we will rock you".

Nur bei Kaufmanns politischem Schlusswort, in dem sie dem Auditorium ins Gewissen redet, am kommenden Sonntag wählen zu gehen, "aber nur nicht" die AfD, wird es kurz ganz leise im Saal. Diesen Appell unterstreichend, singen sie John Lennons Hymne an die Menschlichkeit "Imagine" und dem Traum von einer besseren Welt, die sich alle Menschen teilen.

Am Ende, als sie "Der Mond ist aufgegangen" anstimmen, stehen alle Zuhörer ergriffen auf und verabschieden die "medlz" mit den verdienten Ovationen.