Rudolf Guckelsberger war Gast des Nagolder Bürgerforums. Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Rudolf Guckelsberger liest zum Jubiläum des Bürgerforums aus Arno Geigers Roman

Von Martin Bernklau

Nagold. Großen Andrang zu Anfang, tiefe Bewegtheit am Ende gab es bei der Lesung zum Thema Demenz im Saal der Volksbank in Nagold. Der Arbeitskreis Bildung-Soziales hatte zur Jubiläumswoche des Nagolder Bürgerforums seine beiden Felder verbunden und den bekannten SWR-Sprecher Rudolf Guckelsberger eingeladen. Er las aus dem Roman "Der Alte König in seinem Exil" von Arno Geiger.

Nicht nur Oberbürgermeister Jürgen Großmann und Mitveranstalter Ulrich Mansfeld von der Urschelstiftung zeigten sich in ihren Grußworten überrascht von der Resonanz auf die Lesung und die Woche zum 20-jährigen Bestehen des Bürgerforums insgesamt. Arbeitskreis-Sprecher Wolfgang Hübner begrüßte auch Bezirkskantor Peter Ammer und seine Tochter Felicitas, deren Violinstücke den Abend umrahmten.

Demenz in allen ihren Erscheinungsformen und Stadien betrifft in einer alternden Gesellschaft immer mehr Menschen, ihre Angehörigen und Pflegenden in Heimen oder daheim. Der österreichische Autor Arno Geiger schreibt sogar: "Von Alzheimer reden heißt von der Krankheit des Jahrhunderts reden." Mit seinem autobiografisch dokumentarischen Roman "Der Alte König in seinem Exil" verarbeitet der Schriftsteller die Erfahrungen mit seinem geistig allmählich dahinscheidenden Vater literarisch. Auch der Erfolg des vor zwei Jahren erschienenen Buches zeigt die Bedeutung des Themas.

Rudolf Guckelsberger mit seiner kultivierten und vielen Hörern vertrauten Stimme kam gleich ohne Umschweife zur Sache und beschränkte sich ganz auf eine sehr gelungene Auswahl von Romanabschnitten, die er durch kleine Einspielungen mit Musik des Flötenvirtuosen Emmanuel Pahud meditativ voneinander absetzte.

Bei aller Melancholie und Trauer, bei allem Schmerz des Sohnes über das schleichende, aber unerbittliche Verlieren seines Vaters verliert Arno Geiger doch nie die schönen und intensiven Momente dieses langen Abschieds aus den Augen und aus dem Sinn, die manchmal anrührend komischen Momente, "den Witz und die Weisheit" des nahen Menschen, der seinerseits sich – und was er ist und was er weiß und was er kann – Stück um Stück leise und langsam verliert in eine heimatlose Fremdheit und Ferne.

Da ist – vor allem in den späteren Phasen des dementen Lebens und Leidens – der tiefe und ruhelose Wunsch, "nach Hause" zu wollen, obwohl der Patient ja im nicht mehr als Heim erkannten Haus unter den Seinen lebt. "Jetzt war alles zerrüttet, der Mann, das Haus, die Welt", las Rudolf Guckelberger aus jener Passage, in der Schriftsteller Arno Geiger an seinem Vater auch "die tiefe Heimatlosigkeit eines Menschen, dem die ganze Welt fremd geworden war", erkennt.

Dabei habe es, so schreibt Geiger, "so verwirrend langsam angefangen" mit dem "Verlust von alltagspraktischen Fähigkeiten", bis der Familie diese Dinge als Beginn einer Alzheimer-Erkrankung des Vaters bewusst geworden waren. Zum Ende hin blieb ein völlig hilfloser Mensch, dem auch seine Nächsten Fremde geworden waren, "verwundbar, verlassen, verändert". Er aber werde sich dankbar auch an diese Jahre mit dem Vater immer erinnern – "oder wenigstens: solange ich kann".

"Wir sind alle tief bewegt", sagte Ulrich Mansfeld nach dem Ende der Lesung. Musik erleichterte den Übergang zu einem Gespräch mit Wolfgang Hübner, in dem eine Nagolderin von den Erfahrungen mit ihrem im Frühjahr mit 74 Jahren verstorbenen Ehemann berichtete, dessen früh ausgebrochene Alzheimer-Erkrankung sie 17 Jahre lang pflegend begleitet hatte. Das ergänzte und erweiterte die Beschreibungen des Schriftstellers. "Man muss dabei auch zwischendurch an sich denken", gab sie betroffenen Angehörigen als Rat mit, wie sie die kraftraubende Aufgabe einer häuslichen Pflege von Dementen und Alzheimer-Kranken schultern könnten.