Sibylle Thierer (Mitte) begrüßte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Fritsch

Wahlkampf: Ministerpräsident besucht das Nagolder Vorzeige-Unternehmen. Auf reibungslose Verkehrsanbindung angewiesen.

Nagold - Für den "MP" ist  das die Möglichkeit, sich über "seine" Hidden Champions im Land zu informieren. Für Häfele-Chefin Sibylle Thierer   die   Gelegenheit, einmal ein paar verbliebene Sorgen dem ersten Mann im Land mit auf den Weg zu geben. Eigentlich erlebte der Landesvater einen Häfele in Bestform: Gerade erst wurden Rekordzahlen bei Umsatz (1,272 Milliarden Euro im Jahr 2015) und Umsatzzuwachs (plus elf    Prozent) veröffentlicht. Die Märkte entwickeln sich prächtig, allein für den Heimatmarkt Deutschland belasteten Investitionen und Umstrukturierungen etwas die Entwicklung.

Aber die Aussichten sind weiter rosig, obwohl – wie Thierer einem sehr aufmerksam lauschenden Ministerpräsidenten aufzählte – das Unternehmen vom Standort her nicht ideal positioniert sei. Wo der Schuh am meisten drückt: Der Verkehrsfluss auf der Straße rund um und durch Stuttgart.  "Unser Logistikzentrum im Industriegebiet auf dem Wolfsberg erreichen täglich 50 Lkw im Wareneingang. Und 50 Lkw verlassen es auch wieder im Warenausgang." Da die Logistik "extrem hoch drehe" und Bestellungen von Kunden noch am selben Tag verarbeitet und ausgeliefert werden müssten, sei man auf eine reibungslose Verkehrsanbindung angewiesen, erläuterte dazu Wolfgang Schneider, in der Geschäftsleitung von Häfele für den Bereich Organisation zuständig.

"Aber wir sind schneller in der Schweiz und in Zürich als in Stuttgarts Norden", ergänzt Sibylle Thierer. Wo konkret es da am meisten hake, will  Ministerpräsident   Kretschmann wissen. Man verliere in der Regel mindestens eine Stunde am Nadelöhr "Leonberger Kreuz".  "Und diese eine Stunde tut uns richtig weh."Ja, ein schwieriges Feld, gab Kretschmann mit einer gewissen Anteilnahme zu.

Weil so viele Faktoren in die Verkehrsplanung einflössen. Und es einfach kein Patentrezept gebe, das gewaltige Verkehrsaufkommen auf den Straßen rund um die Landeshauptstadt zu bewältigen. Eine Lösung könne man mittel- und langfristig nur in einem intelligenten Verkehrsmanagement finden – immer breitere Straßen lockten erfahrungsgemäß nur noch mehr Verkehre an. Und es müsse gelingen, den privaten Individualverkehr gerade bei den Berufspendlern noch mehr von der Straße auf die Schiene zu holen – um den für das Land und die Wirtschaft hier so wichtigen gewerblichen Verkehre eine bessere freie Fahrt zu ermöglichen.  Also eigentlich, wie der Grünen-Landtagskandidat für den Kreis Calw, Johannes Schwarz eifrig sekundierte, noch ein Grund mehr für die bessere Schienen-Anbindung des Nordschwarzwaldes an Stuttgart.

Wobei sich alle Gesprächspartner einig waren, dass mit einer solchen Schienen-Anbindung von zum Beispiel Nagold an Stuttgart ein weiteres drängendes Problem der Firma Häfele "indirekt" gleich mit gelöst werden könnte: Die Suche und Gewinnung von hochqualifiziertem Personal zum Beispiel im Bereich der Informationstechnik (IT). Es sei schwer, den global heiß umworbenen IT-Nachwuchs ausgerechnet nach Nagold zu locken – so attraktiv der Lebensstandard hier auch sei. Denn: "Vor allem dieser Nachwuchs sucht in erster Linie urbane Räume", so Gerhard Bosch, in der Häfele-Geschäftsleitung unter anderem für das Personalwesen zuständig. Also das Leben in der (Groß-)Stadt, wie eben Stuttgart oder auch Karlsruhe. Um diese Fachkräfte "in die Provinz" zu locken, bräuchte es zwingend die schnelle und schnörkellose Verbindung in einen angrenzenden Ballungsraum.

"Alternativ müssten wir mit den betroffenen Unternehmensteilen dorthin ziehen, wo diese Mitarbeiter sind." Also im Zweifel Arbeitsplätze aus Nagold abziehen.Dann hatte Häfele-Chefin Sibylle Thierer noch einen besonderen Wunsch, den sie dem hohen Gast mit auf den Weg geben wollte: "Die hiesige Möbel- und Einrichtungsindustrie ist sicher auch ein Kandidat für eine regionale Cluster-Bildung." Soll heißen: Der gezielte – und vom Land geförderte – Ausbau von Netzwerken zwischen Herstellern, Zulieferern und Dienstleistern sowie speziellen Bildungs- und Forschungseinrichtungen, wie er in der Großregion Stuttgart zum Beispiel im Automobilbau bestehe. Und extrem gut funktioniere.

Der Innovationsvorsprung der deutsche Autohersteller im Weltmaßstab basiere auf diese Cluster. Die Zahl, Qualität und Bedeutung der Unternehmen in den Häfele-Branchen hier in der Region würde so eine strategische Cluster-Bildung, von der alle Beteiligten und das Land insgesamt als Wirtschaftsstandort profitieren würden, rechtfertigen. Um ihrer Idee Nachdruck zu verleihen, lud Sibylle Thierer   Kretschmann zum Vieraugen-Gespräch in ihr "Allerheiligstes", um ihn unter Ausschluss der Öffentlichkeit in die neuesten, anstehenden Innovationen und "Firmengeheimnisse" von Häfele einzuweihen, mit denen das Unternehmen in den kommenden Jahren die Märkte "vor sich hertreiben" wolle.