Das Miteinander ist beim ASM-Fahrdienst mindestens genauso wichtig wie das ehrenamtliche Hilfsangebot. Foto: Smaoui Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Einkaufshilfe des Vereins verbindet Menschen / "Das Schöne ist, bei den Treffen sind alle gleich"

Von Dunja Smaoui

Nagold. Zärtlich streicht sie ihr mit den langen dünnen Fingern über die Wange. Behutsam zieht sie ihr den grauen Mantel an. "Hast du alles, Christina?" – Portemonnaie, Schlüssel, Einkaufskorb. Mehr braucht sie nicht. Ingrid Kämmerle und Christina Müller sind startklar für den Großeinkauf.

Ingrid Kämmerle: Sie ist eine der sieben Fahrer der Aktive Selbsthilfegruppe Miteinander für Behinderte und Nichtbehinderte (ASM). Christina Müller: Eine 78-jährige Nagolderin, die den Fahrdienst des Vereins einmal in der Woche nutzt. Das jedoch nicht nur, um ihre Einkäufe zu erledigen.

Es klingt simpel, unkompliziert, vielleicht nach einem Geschäft: Der Fahrdienst fährt mit dem Bus vor, man zahlt fünf Euro, man geht einkaufen und lässt sich wieder nach Hause fahren – wie mit einem Taxi. Hinter dem Projekt steckt jedoch viel mehr. Zuwendung, Freundschaft und Herz. Die Worte schießen einem in den Kopf, wenn man beobachtet, was da an einem gewöhnlichen Vormittag passiert.

"Ich freu mich immer so auf das Einkaufen", sagt Christina Müller und schaut gespannt zum Fenster hinaus. "Jetzt holen wir noch Gabi ab und dann geht es endlich los." Ingrid Kämmerle startet den Wagen und lächelt. Die 61-Jährige arbeitet seit einem halben Jahr bei der ASM. "Es lässt sich kaum in Worte fassen, was das für eine Bereicherung für mich ist", erzählt sie, während sie nach Hochdorf fährt, um Gabriele "Gabi" Trampisch abzuholen.

Der Verein wurde 1989 als Selbsthilfegruppe von Kurt Brei gegründet. Er selbst ist blind und hatte sich zum Ziel gesetzt nichtbehinderte und behinderte Menschen zusammenzubringen. Mit Spenden und Sponsoren im Hintergrund entwickelten sich im Laufe der Zeit zwölf verschiedene Gruppen, von der Jugendgruppe, über Kegelrunden bis hin zu einem Sorgentelefon, kann sich jeder an den Verein wenden.

Der Einkaufsdienst macht einen Teil des Angebots der ASM aus. Ein bedeutender Teil, denn viele Mitglieder benötigen ihn. "Manche nutzen den Fahrdienst, gehen aber lieber alleine einkaufen", erzählt die Fahrerin Ingrid Kämmerle. "Anderen helfe ich auch beim Einkauf, schiebe den Einkaufswagen, gehe den Einkaufszettel durch."

Christina Müller erledigt ihre Wocheneinkäufe immer mit Ingrid Kämmerle zusammen. "Ich freu mich immer riesig, wenn ich sie sehe", sagt die 78-Jährige. "Wir gehen dann zusammen einkaufen, in die Apotheke, mal zum Arzt. Und jeden Dienstag gibt es Kaffee bei der Kaffeerunde." Die sympathische Seniorin lacht über das ganze Gesicht. "Es ist immer besonders schön, mit den ganzen anderen lieben Menschen." Dienstags, das ist der Kaffeenachmittag der ASM. Eingeladen ist jeder, kommen tun viele.

Gabriele Trampisch sitzt im Rollstuhl. Auch für sie ist es eine Entlastung, wenn sie jemand zuhause abholt und ihr beim Einkauf hilft. "Kleinigkeiten kann ich bei uns im Supermarkt zwar selbst holen, aber für größere Einkäufe ist der Fahrdienst super", erzählt sie. Das Einkaufen ist für beide Frauen bei der näheren Betrachtung zweitrangig. "Als ich das erste Mal bei einem Treffen von der ASM dabei war, wollte ich nicht mehr weg", erzählt Christina Müller. Ihre Augen leuchten. In der Gruppe sei sie ein neuer Mensch geworden.

Gabriele Trampisch geht es ähnlich. 2013 kam die 56-Jährige in den Rollstuhl, weil sie ihren linken Fuß durch eine Blutvergiftung verloren hatte. "Seitdem ich vor einem Jahr das erste Mal bei einem Treffen von ASM war, ist viel in mir passiert", verrät sie. "Ich bin aufgeschlossener geworden und lache viel mehr." Ihre Beifahrerin Christina Müller fügt hinzu: "Das Schöne ist, bei den Treffen sind alle Menschen gleich, egal ob behindert oder nichtbehindert."

Im Supermarkt haben die drei Frauen Spaß zusammen. Gemüse und Gewürze, Wurst und Käse. Alles landet in einem Einkaufswagen. Ingrid Kämmerle schiebt den Wagen. Die 56-Jährige Gabriele Trampisch bewegt sich gekonnt mit dem Rollstuhl durch die Gänge und weiß genau, wo was ist, und was sie will. Auf ihrem Schoß bunkert sie zwei Sechserpacks Wasser.

Fast eine Stunde halten sie sich in dem Supermarkt auf. Zum Schluss möchte Gabriele Trampisch noch in den Baumarkt. Sie kauft ein großes Brett. Auch im Rollstuhl und mit der Hilfe der ASM ist alles möglich. "Das alles hat nichts mit behindertsein oder nicht behindertsein zu tun", sagt sie bestimmt. "Ich habe in diesem einen Jahr ganz tolle Menschen kennengelernt. Und mit manchen eine richtige Freundschaft entwickelt."