Eingehüllt in ein Meer an Licht: Philipp Poisel und seine Begleitmusiker. Foto: Trommer

ChurchLive: Philipp Poisel biettet 800 Konzertbesuchern ein außergewöhnliches Live-Konzert.

Nagold - Eine Kirche ist in ihrer Form allein dem Zweck der Hingabe an Themen des Glaubens gewidmet. Wenn noch so eindrucksvolle Lichteffekte und begnadete Musiker wie Philipp Poisel dazu kommen, so ist das Gesamtbild und die Stimmung unvergleichlich. Der Abend unter dem Motto "ChurchLive" in Nagold bot den 800 Besuchern all dies und bewirkte sprachloses Staunen.

ChurchNight, ein Modellprojekt der Evangelischen Kirche in Deutschland und eine Kampagne des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg, übersetzt Luthers Reformthesen seit 2006 in die heutige Zeit – es soll die Wiederentdeckung der biblischen Botschaft gefeiert werden, und eine sinnvolle Alternative zu Halloween-Partys gesetzt werden.

In Nagold gibt es zusätzlich das Konzept ChurchLive, das regelmäßig junge Leute aus der Region in die Kirche zieht. Und das sind nicht wenige: die gesamte Treppe zur Nagolder Stadtkirche war am Freitagabend mit Wartenden besetzt, doch das Warten lohnte sich. Schon der Anblick der von außen bunt beleuchteten Fassade im gotischen Stil versprach einen außergewöhnlichen Abend. Buntes Licht wird von jeher in Kirchen genutzt, traditionell mittels kunstvoller Glasfenster, die auch wunderschöne Effekte bewirken, allerdings muss das Sonnenlicht mitspielen. Doch wir leben in modernen Zeiten: Heute wird der gesamte Kirchenraum von innen bunt beleuchtet, blaue Strahlen erheben sich hinter dem Altarraum, die hohe Kirchendecke ist abwechselnd in warmem Orange oder in Lila getaucht und über die gotischen Bögen laufen bunte Lichtkreise.

Hinter der Bühne, an normalen Tagen der Altarraum, sind Leinwände aufgestellt, welche abwechselnd die Musiker oder zu der Stimmung des jeweiligen Liedes passende Bilder zeigen. Die Kanzel für den Pfarrer steht stumm und dunkel, sie wird an diesem Abend nicht gebraucht. Die Menschen dahinter sind das Team von "EventBetrieb" aus Nagold.

Star des Freitagabends in der Stadtkirche war Philipp Poisel, der es ermöglichen konnte, trotz der geplanten Livetour erneut bei ChurchLive in Nagold zu spielen. Zuvor hörte das Publikum die Newcomer Lisi und Oskar, ein Geschwisterpaar, das seit einiger Zeit von sich hören macht. Die beiden standen im Sommer bei einem Festival in Nürtingen mit Ashley Hicklin auf der Bühne. Der smarte Brite war in Nagold bereits als Vorgruppe von Aura Dione zu hören. Er versteht es, sein Publikum zu unterhalten, ist humorvoll und professionell zugleich. Nagold sei "top of the world", begeisterte er die vielen Menschen, die dicht an dicht in dem von Bänken befreiten Kirchenraum standen, doch gab er auch ernsten, ja traurigen Gefühlen Raum, als er einen Song ankündigte, der vom Tod eines Cousins handelte.

Es brauchte schon etwas Geduld, bis Philipp Poisel auftauchte. Auch der Umbau der Bühne nahm Zeit in Anspruch, dies ist wohl auch den technischen Anforderungen zuzuschreiben. Immerhin soll ja alles gleich über die ihn immer verfolgende Kamera auf die Leinwände übertragen werden. Dann steht er auf einmal da. Seine Erscheinung und sein Aussehen stehen in krassem Widerspruch zu all dem Bombastischen um ihn herum, einfach ein Junge, denkt man unwillkürlich, sein buntgestreiftes Hemd und die schlichte Jeans verstärken den Eindruck noch. Doch steht man ganz nahe bei ihm, so spürt man regelrecht die Kraft in ihm – der Sänger zieht einen unmittelbar in seinen Bann. Der ganze Mann besteht aus Musik, er ist hoch konzentriert und überträgt dies auf sein Publikum. Dieses verhält sich entsprechend mucksmäuschenstill. Kein Geschiebe und Gedränge an der Absperrung zur Bühne, kein Gekreische oder ähnliches. Das würde auch gar nicht zu der gefühlvollen Musik Philipp Poisels passen. "Mit jedem deiner Fehler liebe ich dich mehr…" hört sich doch tröstlich an.

Der Musiker, der aus Ludwigsburg stammt, fing bereits als Kind mit dem Musizieren an. Als Mitglied eines Chors wurde er allerdings für seinen Gesang mehrmals negativ kritisiert und hörte schließlich mit der Singerei auf. Nach dem Abitur reiste Philipp quer durch Europa, manche seiner Songs sind vom Reisen im Zug inspiriert, wie er in Nagold berichtet. Philipp Poisel – ein Popstar mit Goldener Schallplatte für das Album "Bis nach Toulouse" und Soundtrack für den Film "What a Man" mit Matthias Schweighöfer – doch im Raum der Nagolder Stadtkirche tritt er auch ohne Mikrofon und Verstärker vor sein Publikum und singt über seine Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod.

Die Stimmung dabei lässt den Nagolder Pfarrer Andreas Esslinger fast sprachlos zurück, der auch über die vielen Besucher bei ChurchLive einfach glücklich ist, besonders freut ihn, dass so viele ehrenamtliche Helfer gefunden werden konnten – und das nach dem arbeitsreichen Jahr der Landesgartenschau.