Rainer Prewo legt nach 16 Jahren die Führung der SPD-Fraktion in die Hände von Ursula Utters. Foto: Fritsch

Rainer Prewo legt nach 16 Jahren Führung der SPD-Fraktion in Hände von Ursula Utters.

Kreis Calw - Es war eine Ära. Sechzehneinhalb Jahre, so lange wie kein anderer amtierender Kollege, führte Rainer Prewo – mit Unterbrechungen – die SPD-Fraktion im Calwer Kreistag. In dem Gremium war er der eigentliche Oppositionsführer. Ein wortgewaltiger Mann, dessen Ideen aber oft an den konservativen Mehrheiten scheiterten. Jetzt tritt er als Fraktionschef ab.

Er wollte es seinem Vorgänger nachmachen. Fritz Trommer hörte mit 69 Jahren auf. Prewo ist heute 72, aber noch genauso angriffslustig wie damals, 1998, als er sein Amt antrat. Er blieb sich über die Jahre treu: Kein anderer Fraktionschef legt den Finger so oft und so akzentuiert in die schwärenden Wunden dieses Kreises: in die fehlende Infrastruktur oder in den "Schlamassel", wie er es nennt, den die Rivalität zwischen Calw und Nagold in der Krankenhausfrage auslöste: "Das hat uns viel Zeit und Kraft gekostet."

Als Oberbürgermeister in Nagold setzte er Meilensteine für seine Stadt. Mit den gleichen Ansprüchen – "Ich habe die Messlatte für den Kreis Calw immer etwas höher gelegt" – machte er Politik auf Kreisebene: "Mir ist alles zu wenig, zu langsam gewesen." Doch als drittgrößte Fraktion war kein Staat und schon gar kein anderer Landkreis zu machen.

"Manche Dinge bringt man erst mit Diplomatie durch"

Vergeblich setzte er sich für ein Großklinikum, gemeinsam mit Herrenberg, auf Nagolds Eisberg ein. Er scheiterte mit seiner Idee, im Kreis eine Hochschule für Tourismus zu installieren. Und er kämpfte vergebens gegen die Fusion der Sparkasse, die den Kreis aus seiner Sicht "infrastrukturell geschwächt" hat. Mit umso mehr Genugtuung nimmt er nun zur Kenntnis, dass ein Antrag, den er vor siebeneinhalb Jahren gestellt hatte und von den politischen Gegnern damals als "utopisch" abgekanzelt worden war, heute umgesetzt wird: der Einstundentakt im Öffentlichen Nahverkehr. Genauso beharrlich blieb er am Thema Wirtschaftsgymnasium Nagold dran, das ursprünglich an kommunalpolitischen Egoismen scheiterte.

Als SPD-Landtagsabgeordneter schaffte Prewo in der WG-Frage den Durchbruch und überzeugte damals den mächtigen SPD-Fraktionschef im Landtag, Claus Schmiedel. "Manche Dinge bringt man erst mit einer gewissen Diplomatie durch", sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Wobei Prewos Wortschatz, in seinen Haushaltsreden wie auch in seinen spontanen Äußerungen in den Kreisgremien, diplomatisch oft eher unverdächtig waren. Vor allem mit dem früheren Landrat Hans-Werner Köblitz lieferte er sich legendäre unverblümte Wortgefechte.

Ausgerechnet mit dem Mann, der es den Genossen zu verdanken hatte, dass er anno 1996 mit knapper Mehrheit zum Kreischef gewählt wurde. Dessen Wahl sei mit vielen Hoffnungen verbunden gewesen, die "allerdings nur zu geringem Teil erfüllt wurden".

Für Köblitz’ Nachfolger Helmut Riegger war Prewo hingegen ein wichtiger Verbündeter und Impulsgeber. Was nicht heißt, dass Prewo mit seiner Kritik unter Riegger hinterm Berg gehalten hätte. Er verriss die Leistung der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald mit ähnlicher Regelmäßigkeit, wie er die "Performance" der kreiseigenen Tourismus GmbH monierte. Mit einem Unterschied: "Wenn ich Riegger etwas Kritisches sage, dann wird das ernst genommen." So sah Prewo seine Aufgabe: "Als Kommunalpolitiker die Dinge zu hinterfragen und beim Namen zu nennen." Und eben nicht durch die Parteibrille gesehen, sondern stets das Wohl des Kreises im Blick.

Im "Homo Kommunalpoliticus" lodert noch zu viel Feuer

Ein Credo, das auch seine Nachfolgerin so unterschreiben könnte: Ursula Utters (64), die von der Fraktion bereits als Sprecherin gewählt wurde und das Amt zum Monatsende übernehmen wird. Sie bringt selbst viel kommunalpolitische Erfahrung mit, sitzt seit 1994 im Altensteiger Gemeinderat, führt auch dort die SPD-Fraktion, ist stellvertretende Bürgermeisterin und sitzt seit 2004 im Kreistag. Erich Klemm wird den Stellvertreterposten übernehmen.

Als Mitglied der Aufsichtsratsgremien des Klinikverbundes Südwest und der Kreiskliniken und zumal als praktizierende Ärztin ist Utters in den Krankenhausthemen bewandert. Die flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Land, die Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs, die Integration von Flüchtlingen oder die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – das sind die Schwerpunktthemen, derer sie sich annehmen will. Demnächst wird sie in Pension gehen, dann bleibt ihr für die politische Arbeit mehr Zeit.

Rainer Prewo wird ihr als Fraktionsmitglied erhalten bleiben. "Vorerst", betont er. Aber in dem "Homo Kommunalpoliticus" lodert noch zu viel Feuer, als dass ein baldiger Abschied von der politischen Bühne wahrscheinlich wäre. Schade um die politische Diskussionskultur im Kreis wär’s allemal.

Für Landrat Helmut Riegger steht ohnedies fest: "Prewos Stimme hat bisher Gewicht im Kreistag gehabt – und das wird sie mit Bestimmtheit auch in Zukunft haben."