Viel zu erzählen hatte Thomas Jörlitschka im Gespräch mit unserer Autorin Bianca Rousek. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Klebrunde: Unterwegs mit Thomas Jörlitschka – Schulsozialarbeiter an der Zellerschule Nagold

Thomas Jörlitschka ist seit 15 Jahren Sozialarbeiter an der Zellerschule. Er ist ein ruhiger und besonnener Mann. "Aber die Kinder wissen auch, dass man mit mir Pferde stehlen kann", lächelt er verschmitzt.

Nagold. Mit Beginn des neuen Schuljahres fiel der Startschuss für Jörlitschkas 16. Jahr als Schulsozialarbeiter an der Nagolder Zellerschule. Der Weg dorthin war bei dem 59-Jährigen aber keinesfalls vorgezeichnet: "Das ist mein dritter Beruf", schmunzelt er. Zuerst hat Jörlitschka eine einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer absolviert, mit den Schwerpunkten Geriatrie, Neurologie sowie Akutpsychiatrie. Anschließend machte er eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister. "In dem Bereich hatte ich elf Jahre lang eine eigene Praxis", erzählt er.

Dann kam die Gesundheit dazwischen – und Jörlitschka schrieb sich im Alter von 40 Jahren wieder an der Universität ein. In Heidelberg begann er soziale Arbeit zu studieren, inmitten von Kommilitonen, die so alt waren wie seine eigenen Kinder. "Das war schon merkwürdig. Ich bin wie ein Grandpa’ im Studium gesessen." Natürlich habe er nach der langen Zeit im Berufsleben erst einmal länger gebraucht, bis er den Lernanschluss hatte, erzählt Jörlitschka. "Aber dann habe ich meinen Abschluss sogar mit 1,8 gemacht", freut er sich. Auch wenn es eine schwierige Zeit war – immerhin ist seine Ehefrau mit den drei Kindern zuhause in Oberreichenbach gewesen, während er die Woche über in Heidelberg wohnte – habe sich das Ganze gelohnt. "Das Studium hat mir eine neue, berufliche Perspektive eröffnet."

Während eines Praktikums in der Frühförderung beim Landkreis Calw in den Endzügen seines Studiums lernte er bereits einige seiner heutigen Kollegen kennen. Die Zusage für die Stelle an der Nagolder Zellerschule mit der Trägerschaft im Youz war kurz darauf sicher.

Ursprünglich war geplant, dass Jörlitschka jeweils zu 50 Prozent an der Burgschule und 50 Prozent an der Zellerschule arbeiten sollte. Diese Vorstellung habe ihm aber nicht gefallen. "Dann hat man es möglich gemacht, dass ich ganz an der Zellerschule bin. Ich bin sehr dankbar für die lange Zeit, die ich dort schon sein kann", erzählt er auf der Kleb-Runde. Insbesondere weil doch einiges an Mut dazugehörte, damals an einer verhältnismäßig kleinen Schule mit etwa 400 Schülern einen eigenen Schulsozialarbeiter einzustellen.

Trotz aller Dankbarkeit herrscht auch bei Thomas Jörlitschka nicht immer eitel Sonnenschein. "Natürlich gibt es Tage, an denen mir alles über den Kopf wächst", erzählt er. "Ich schaffe es dann auch oft nicht, das nicht mit nach Hause zu nehmen." Gespräche mit seiner Ehefrau, die im medizinischen Bereich tätig ist und Ausdauersport helfen ihm dann aber, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Zudem trifft sich Jörlitschka regelmäßig mit einer Supervisorin, die von außen einen professionellen Blick auf das Geschehen hat und mit der der Schulsozialarbeiter über alles sprechen kann. "Ich bin ja auch nur ein Mensch und das ist auch gut so, sonst wäre ich in dem Beruf falsch."

Der Tag beginnt für Jörlitschka früh, lange vor Schulbeginn. "Ich bin ein Frühaufsteher, dann gehe ich eben schon mal in die Schule." Die Türe zu seinem Büro stehe dann immer offen. "Später schlendere ich dann durch das Schulhaus, begrüße die Schüler und rede mit ihnen." Manchmal ergeben sich daraus wichtige Gespräche, andere Kinder und Jugendliche kommen direkt auf ihn zu und wollen mit ihm sprechen. "Meinen Tag kann man nicht planen", sagt der 59-Jährige. Zwar habe er fixe Termine, wie beispielsweise den Kurs "soziales Lernen" oder Sitzungen. "Aber Notfälle haben Vorrang."

Viele Menschen würde diese fehlende Planbarkeit stören, Jörlitschka mag gerade das an seinem Beruf. "Ich bin immer gespannt, was als nächstes auf mich zukommt. Es gab bisher kein einziges Schuljahr ohne Ereignisse, die mich gefordert haben."

Seine Tätigkeit als Schulsozialarbeiter geht weit über die eines Streitschlichters hinaus. Er ist bei Schicksalsschlägen und persönlichen Problemen derjenige, der nicht nur die Spitze des Eisbergs sieht, sondern sich Zeit nimmt, das Ganze zu erkennen. Da müsse er sich aber zuweilen auch eingestehen, dass er nicht alles selbst regeln kann. "Ich muss mich manchmal fragen: ›Kann ich das alleine?‹ und falls nein, gebe ich den Fall an Kollegen weiter." Dafür sei er weit vernetzt mit anderen Sozialarbeitern.

Für die Schüler ist Jörlitschka einfach "der Thomas", erzählt der 59-Jährige beim Spaziergang durch den Kleb. "Ich pflege sehr engen Kontakt zu den Schülern – Erziehung geht nur über Beziehung." Jörlitschka hat keine Berührungsängste mit den Kindern, ist im Winter bei Schneeballschlachten dabei und lässt sich im Freibad auch mal unter Wasser tunken. "Die Schüler müssen wissen, dass sie mit mir Pferde stehlen können, bevor sie sich mir gegenüber öffnen."

Mit dem neuen Schuljahr wurde die Zellerschule offiziell zur Gemeinschaftsschule (GMS). Thomas Jörlitschka wird natürlich auch bei der neuen Schulform mit von der Partie sein, um die Schüler zu begleiten. "Das wird eine neue Erfahrung werden, in die wir hineinwachsen müssen." Der gebürtige Schömberger ist sich aber sicher, dass die GMS ein zukunftsfähiges Konzept sei.

Dasselbe gilt auch für die Schulsozialarbeit an sich, was unter anderem daran deutlich wird, dass die Stadt die Stellen künftig weiter ausbaut (wir berichteten). Dass die Schüler die neutrale Ansprechperson an ihrer Schule annehmen, daran besteht kein Zweifel. Mehrmals während der Klebrunde laufen Schülergruppen verschiedenen Alters vorbei und grüßen freundlich, klatschen teilweise sogar mit dem Schulsozialarbeiter ab. Jörlitschka freut sich sichtlich über diese Begegnungen. "Ich würde mich wieder für diesen Berufsweg entscheiden. Solange ich etwas bewegen kann, möchte ich weitermachen."