Revital Herzog (Mitte) hatte die Musikerinnen Sangita Wyslich und Katharina Ostarhild mitgebracht. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Kleinkunst: Im Rahmen des "Kultur-Winters" gastiert Revital Herzog ein zweites Mal im Bürgerhaus

Die Arbeitsgemeinschaft schönes Dorf Mindersbach mischt kräftig das lokale Kulturleben auf. Der "Kultur-Winter" ist wieder gestartet.

Nagold-Mindersbach. Zum Auftakt der dritten Auflage der Veranstaltungsreihe "Kultur-Winter im Bürgerhaus Mindersbach" wurde die Märchen- und Geschichtenerzählerin Revital Herzog nach eineinhalb Jahren wieder in das Bürgerhaus eingeladen. Zum Thema des Abends "Geschichten und Musik aus Irland" passten vorzüglich irisch-keltische Volksweisen, gespielt von dem Duo "Coindra".

Märchenerzählen ist eine Kunst

Wie viele Märchen die in Israel geborene Globetrotterin kenne, wisse sie selber nicht. 200 bis 300 sicherlich. Nach Mindersbach brachte sie Überlieferungen und Mythen aus der irischen Küste mit. Während längerer Aufenthalte auf der Grünen Insel lauschte sie den Erzählungen der alten Fischer, entdeckte dabei wahre Schätze der Vergangenheit, die sie mit Leidenschaft an Zuhörer weitergibt. Wegen des immensen Märchenreichtums bezeichnet sie Irland als eine Parallele zur arabischen Welt, als "Orient des Westens" und nimmt gerne historische und wissenschaftliche Tatsachen auf die Schippe – halb ernst, halb lächelnd.

Woher stammen die Überreste von einem Riesendamm zwischen Irland und Schottland? Diesen bauten vor langer, langer Zeit zwei konkurrierende Giganten und nur die List einer liebenden Frau verhinderte den entscheidenden Kampf.

Warum wird jeder verflucht, der eine Robbe tötet? Seehunde seien Meeresfabelwesen namens Selkies, die sich am Land oftmals in schönste Menschen verwandeln. Wieso ist für Ureinwohner die Totenwache die schönste Feier überhaupt? Einen Toten könne man da nur mit Speis, Trank und Tanz richtig würdigen und ihn bei guter Laune verabschieden. Zugegeben, die Insulaner feiern nur zwei Tage im Jahr: Weihnachten – und den Sommer… Da sei jede Abwechslung willkommen.

Märchenerzählen ist eine Kunst, die nicht jedem eigen ist. Herzog hielt ihre Zuhörer unter Dauerspannung, regte die Fantasie an, malte mit Worten und Gesten lebendige Bilder, überraschte mit unerwarteten Kommentaren oder humorvollen Pointen und setzte sich für die Glaubhaftigkeit ihrer Botschaften ein mit "Jedes Wort ist wahr, so wie du atmest".

Ab und zu brach sie die Erzählung unvermittelt ab, ihr schelmisches "Fortsetzung folgt" quittierten die Zuhörer mit Beifall und Lachen, dann überließ sie den Platz auf der kleinen Bühne ihren Partnerinnen Sangita Wyslich und Katharina Ostarhild.

Die "schwäbische Scheherezade"

Mit Violine und Gitarre streiften sie durch Gefilde Irlands, spielten Tänze, sangen Balladen und brachten dabei die Wesenszüge des uralten Volkes zutage: neblige Melancholie und ungestüme Lebensfreude, die keine Hektik kennt. Die traditionelle Rhythmik und typische Melodik bereicherten die Instrumentalistinnen um eigene Einfälle und stilistische Abwandlungen inklusive Elemente der Jazz- und Country-Musik.

Zweimal griff die "schwäbische Scheherezade" nach ihrem Akkordeon, letztendlich verabschiedete sich das Trio mit Klängen der Balladen ohne Worte vom Publikum. Mit Bedauern nahm das applaudierende Auditorium zur Kenntnis, dass jedes Märchen ein Ende haben muss.