Bereits ein Opern-Star und als amtierender Bundessieger "Titelverteidiger" bei "Jugend musiziert": Anthony Muresan alias "Anthony Classic" mit (von links) seiner Mutter, seiner Gesangslehrerin und seiner Pianistin. Foto: Kunert

Jugend musiziert: Beim Regional-Wettbewerb in Nagold ist ein junger Opern-Star unter den Teilnehmern.

Nagold - Der große Traum junger Musiker. Vielleicht eine echte Karriere als Star? Aber auch die kleinen Katastrophen einer verpatzten Vorspiel-Prüfung. "NSDJMG" sozusagen – "Nagold sucht die Jugend musiziert Gewinner" zwei Tage lang beim diesjährigen Regionalwettbewerb.

Zwei Tage lang gab es echte Festival-Atmosphäre zwischen Stadthalle, OHG, Zellerschule und Zellerstift. Den "Nagolder Schul-Campus" nennt Stadtmusikdirektor (SMD) Florian Hummel, zuständiger Regional-Leiter von "Jugend musziert", das erstmals so organisierte "Festival-Gelände". Und ist ein bisschen stolz darauf: keine langen Wege für die Wettbewerbs-Teilnehmer, woraus eine extrem entspannte Atmosphäre auf dem "Campus" resultiert.

Wertungs-Richter absolut "spaßbefreit"

Allerdings natürlich nur außerhalb der verschiedenen Vorspiel-Säle. Drinnen im Angesicht der jeweils dreiköpfigen Wertungs-Jurys ist die Atmosphäre alles andere als entspannt. Die Wertungs-Richter seien absolut "spaßbefreit", wird SMD Hummel später erläutern. Das merken auch Elisa (12 Jahre) und Mina (9) aus Königsbach-Stein im Enzkreis ziemlich schnell. Sie wollen sich mit ihren Querflöten bei den Holzbläsern im Musiksaal der Zellerschule um die ersten Lorbeeren ihres ja noch jungen Musiker-Lebens bewerben. Aber erst mal wird Elisas Papa freundlich, aber bestimmt ermahnt, den gleich folgenden Auftritt seiner Tochter weder zu fotografieren noch zu filmen. "Verboten!". Harte Prüfung jedes Mal auch für die mitgereisten Angehörigen.

Für Elisa und Mina macht die kleine Szene klar: Hier wird es jetzt ernst! Aber genau darum geht es: Wer ein Musikinstrument erlernt und dessen Möglichkeiten wirklich ernst nimmt, muss auch unter Stress in Situationen wie dieser sein Können bestmöglich abrufen können. Hohe Konzentration, maximale Fokussierung. Noch mal Florian Hummel, der als Jugendlicher selbst an solchen Wettbewerben – "erfolgreich!" – teilgenommen hat: "Auch das lernt der Nachwuchs im Unterricht – den Saal, die Wertungsrichter, alles um sich herum auszublenden." Nur die Musik, das eigene Instrument, die Sicherheit endloser Übungen sind jetzt wichtig.

Echte, unverfälschte Spielfreude

Elisa und Mina machen ihre Sache sehr gut. Drei Stücke, verschiedene Stile. Mit großer Ernsthaftigkeit und auch Souveränität vorgetragen. Nach der letzten Note entspannen sich gar auch die Minen der drei Jury-Mitglieder, sie applaudieren, lächeln. Ihre Anerkennung ist ehrlich. Aber keine Zeit zum Ausruhen. Maria und Lea aus Nagold stehen schon in den Startlöchern mit ihren Querflöten.

Danach ist ein Saxofon-Trio an der Reihe – ein großes Mädchen und zwei kleine Jungs: Berenike (14), Nils (10) und Simon (10), alle ebenfalls aus Nagold und seinen Ortsteilen. Auch sie extrem angespannt, konzentriert, fokussiert. Im Publikum sitzt auch Berenikes Vater, ohne Fotoapparat. Der immer wieder Augenkontakt mit seiner Tochter sucht, zwischen den einzelnen Wettbewerbs-Stücken des klangstarken Trios ihr lautlos applaudiert.

Und es passiert etwas Besonderes: Berenike verlässt mit der Sicherheit dieser heimlichen Anerkennung vom Papa ein bisschen die "Pflicht", um die es bei "Jugend musiziert" ja eigentlich geht, und spielt auf einmal "Kür": kein Taktzählen in Gedanken mehr, kein Reproduzieren der geübten Exerzitien. Man kann quasi sehen und noch mehr hören, wie die junge Künstlerin von Ratio zu reiner Emotion wechselt – echte, unverfälschte Spielfreude. Musik, die Leidenschaft wird. Und ihre ganze in ihr steckende Magie entfaltet. Eine kleine Sternstunde.

Ein bisschen später gibt es nebenan im Zellerstift dann sogar eine ganz große Sternstunde – bei den Gesangs-Vorträgen. In der "Altersgruppe IV", den 14- bis 15jährigen. "Da sind ja sogar einige Jungs dabei", wundert sich noch Eberhard Schuler-Meybier, "Stimmbildner" von der Musikschule Altensteig, der an diesem Vormittag einige eigene Schützlinge hier begleitet. "Mutanten", lacht er scherzhaft – weil Jungs in diesem Alter "Stimmwechsler" seien. Den Stimmbruch durchlebten.

Aber Anthony Muresan (14) aus Schömberg scheint den Stimmbruch irgendwie auslassen zu wollen. Er singt Sopran. Hell, glockenklar. Betörend. Schon sein Name legt irgendwie die richtig große Gesangskarriere nahe – so können doch nur echte Stars heißen! Tatsächlich hat das junge Ausnahmetalent aber sogar schon einen eigenen Künstlernamen – "Antony Classic", "der junge Opern- und Klassic-Sänger mit der goldenen Stimme". So steht es auf seiner eigenen Homepage.

Anthony ist hier bei "Jugend musiziert" so etwas wie ein "Titelverteidiger": Vor zwei Jahren, beim letzten Ensemble-Wettbewerb, war er der Bundessieger – mit der maximal zu erreichenden Punktzahl. Was kein Wunder ist: Der ehemalige "Aurelianer" hat trotz seiner Jugend bereits eine umfassende Gesangsausbildung bei den besten Koryphäen seines Fachs genossen. Im Moment wird er unter anderem an der Musikhochschule in Karlsruhe vom bekanntesten deutschen Bariton, Hanno Müller-Brachmann, "professionell trainiert". Und ab nächsten Monat hat Anthony tatsächlich ein festes Engagement an der Frankfurter Oper.

Sternstunde für jeden Zuhörer

Und, ja, dieser junge Mann hat bereits die Präsenz eines Stars bei seinem Auftritt. Der Saal liegt ihm zu Füßen. Eine Sternstunde für jeden, der ihn hören darf. Gänsehaut pur. Der auch die allerschwierigsten Gesangsparts mit geradezu aufreizender Leichtigkeit abspult. Seine dreiköpfige Jury – alles Damen – glühen geradezu vor echter Begeisterung. Die haben gerade richtig Spaß, diesen Vortrag erleben und bewerten zu dürfen. Für alle nachfolgenden Sängerinnen und Sänger aber ist Anthony an diesem Morgen die eigentliche, echte "Klippe" in diesem Wettbewerb. Denn wer kann und will sich an und nach solch einem absoluten Ausnahmetalent wirklich noch messen wollen?