So bunt feiert Nagold den Eigentümerwechsel der Marktstraße – und mithin die neuen Poller.                                  Foto: Fritsch

Über 25 Jahre bohrte Nagold an diesem dicken Brett – jetzt ist die Marktstraße umgewidmet.

Nagold - Es war ein kleine Handbewegung, als Regierungspräsidentin Nicolette Kressl um 11.32 Uhr den Schlüssel umdrehte und die neuen Poller in der Marktstraße in Bewegung setzte, aber es war ein großer Schritt für diese Stadt.

Mit der feierlichen Vertragsunterzeichnung vor dem Rathaus ist die Umwidmung der Marktstraße in eine Gemeindestraße wie auch die formelle Verwandlung der Stadtumfahrung in eine Bundesstraße besiegelt worden.

Oberbürgermeister Jürgen Großmann erinnerte vor zahlreicher Prominenz daran, wie lange an diesem "dicken Brett der Veränderung" gebohrt wurde. Schon in der Ära seines Vor-Vorgängers Joachim B. Schultis waren die ersten Ideen zur Stadtumfahrung entstanden, die dessen Nachfolger Rainer Prewo in die Tat umsetzte. Mit dem Bau der Umfahrungsstraße war der Weg frei geworden für die weitere Verkehrsberuhigung.

Aber so einfach, wie sich das amtierende Stadtoberhaupt diese Beruhigung vorstellte – nämlich die Poller ohne Umwidmung einzubauen und damit die provisorische Sperrung an den Wochenenden abzulösen, funktionierte es nicht. Regierungspräsidentin Kressl erinnerte sich in der Feierstunde an ihren Antrittsbesuch vor fünf Jahren in Nagold, als sie Großmann klar machte, dass ohne Eigentumswechsel der Straßen aus den Pollern nichts werde: Da sei der OB "erst mal ganz blass geworden." Dafür war Jürgen Großmann am Freitagmorgen um so euphorischer: "Das ist ein so wichtiger, erfolgreicher und schöner Tag für Nagold." Dennoch sei diese Umwidmung "kein Endziel, sondern nur ein Etappenziel", erklärte er und erinnerte an die vielen Akteure – Stadträte wie Händler, die maßgeblich an diesem Baustein zur Verkehrsberuhigung mitgewirkt hatten.

"Unterschrift wichtiger als die Reden"

"Wir dürfen nicht glauben, dass es mit dem Umbau der Innenstadt getan ist", sagte Großmann, "unsere Aufgabe ist es auch, die virtuelle Stadt zu bauen." Bald schon werde es in Nagold freies WLAN geben. Zudem sei es erklärtes Ziel, alle Häuser in der Innenstadt ans Glasfasernetz anzuschließen.

"Heute ist die Unterschrift wichtiger als die Reden", befand Regierungspräsidentin Kressl und schritt zum Vollzug der Umwidmungsvereinbarung. Währendessen hatten sich schon die Kleinen des Kindergartens Hohe Straße bei den Pollern postiert und warteten, bis die Unterschriften unter das historische Dokument gesetzt waren und die Festversammlung sich in ihre Richtung bewegt hatte – um dann, als sichtbarer Ausdruck der Nagolder Freude, ihre bunten Luftballons in die Höhe steigen zu lassen.

Um 11.32 Uhr drehte RP-Chefin Kressl dann den Schlüssel um und die Poller, über die viele Jahre gestritten und gerungen wurde, hoben sich zum ersten Mal aus dem Straßenboden. Eigentlich anderthalb Stunden zu früh – denn es bleibt bei den alten Sperrzeiten: Von Freitagmittag, 13 Uhr, bis Montagmorgen, 5 Uhr, ist die Marktstraße "Lebensraum" und "Marktplatz", wie Großmann es nannte, unter der Woche darf der Verkehr fließen. Denn Nagold wolle autofreundlich bleiben, weil 85 Prozent seiner Kunden mit dem Auto anreisten.

Die anwesenden Stadträte feierten derweil im Hintergrund Großmanns Verhandlungsgeschick. Zwei Millionen Euro musste die Stadt für diesen Straßentausch bezahlen, dafür ist die Stadt aber auch den Unterhalt der beiden Tunnel und des Anschlussstücks vom Herrenberger Kreisel bis zur Bundesstraße los. "Ein genialer Coup", befand FDP-Stadtrat Jürgen Gutekunst.

Es war eine der ältesten und vehementesten politischen Forderungen in Nagold – und nun ist sie erfüllt: Die Marktstraße ist keine Bundesstraße mehr. Vorbei sind die Zeiten, als die Autofahrer an den Wochenenden mit hässlichen Absperrungen an der Durchfahrt gehindert werden mussten. Auf der frisch umgewidmeten Straße dürfen endlich versenkbare Poller diese Aufgabe übernehmen. Nagolds Lokalpolitik feierte gestern diesen Tag. Er gilt jetzt schon als historisch. Zu Recht: Die Umwidmung der Marktstraße und die damit verbundene Erlaubnis zum Einbau der Poller ist ein Paradebeispiel für beharrliche Lokalpolitik. "Geht nicht gibt’s nicht!" Das gilt gerade auch für höher angesiedelte Behörden. Poller in der Marktstraße – was früher undenkbar schien, ist schon bald Nagolder Alltag. Zeit also, das nächste Projekt anzugehen – gerne wieder aus der Kategorie "unmöglich".

Kommentar

Neue Zeiten

von Heiko Hofmann

Es war eine der ältesten und vehementesten politischen Forderungen in Nagold – und nun ist sie erfüllt: Die Marktstraße ist keine Bundesstraße mehr. Vorbei sind die Zeiten, als die Autofahrer an den Wochenenden mit hässlichen Absperrungen an der Durchfahrt gehindert werden mussten. Auf der frisch umgewidmeten Straße dürfen endlich versenkbare Poller diese Aufgabe übernehmen. Nagolds Lokalpolitik feierte gestern diesen Tag.

Er gilt jetzt schon als historisch. Zu Recht: Die Umwidmung der Marktstraße und die damit verbundene Erlaubnis zum Einbau der Poller ist ein Paradebeispiel für beharrliche Lokalpolitik. "Geht nicht gibt’s nicht!" Das gilt gerade auch für höher angesiedelte Behörden. Poller in der Marktstraße – was früher undenkbar schien, ist schon bald Nagolder Alltag. Zeit also, das nächste Projekt anzugehen – gerne wieder aus der Kategorie "unmöglich".