Einen überwältigenden und zauberhaften Freilicht-Theaterabend boten die Akteure bei der Premiere auf der Hohennagold. Bild links: Die intensive Katharina Fegert in der Titelrolle, Rafael Hummel als imponierender König. Fotos: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

"Hildegard – eine Liebesehe im Mittelalter" feiert auf der Hohennagold eine glanzvolle Premiere

Von Martin Bernklau

Nagold. Einer der wichtigsten Mitwirkenden konnte überhaupt nichts falsch machen: Die Burgruine Nagold bot die grandiose Kulisse zur Premiere des Bürgertheaters "Hildegard – eine Liebesehe im frühen Mittelalter". Alle anderen machten alles richtig für großes Freilichttheater mit starken Bildern und Szenen. Bei der Generalprobe am Vortag hatte es noch geregnet wie aus Kannen. Pünktlich für die erste von zwölf Vorstellungen zauberte der Himmel ein mildes Abendrot über den Schauplatz des Stücks um Hildegard, die Schwester des alemannischen Nagoldgaugrafen Gerold und dritte Gattin Karls des Großen. Die Königin starb 783 im Alter von 25 Jahren, nachdem sie dem späteren Kaiser neun Kinder geboren hatte.

Auch aus Frauenperspektive hat Regisseurin Isolde Alber die kargen Fakten der Überlieferung zu einer bildmächtigen historischen Fantasie aufblühen lassen. Ihr ist dabei mit einer starken Geschichte von Macht und Liebe, Leid und Tod auch ein großartiges Panorama der frühmittelalterlichen Gesellschaft geglückt.

Hinter der wunderbaren Inszenierung standen natürlich hochinspirierte Darsteller in kleinen wie in sehr anspruchsvollen Hauptrollen. Die intensive Katharina Fegert in der Titelrolle, Rafael Hummel als imponierender König und liebender Gatte Karl, dazu Nanni Finger und Florence Postelmann als deren Mütter sowie Uwe Kotschner (Gerold) oder Ralf Fuhrländer als feindlicher Sachsenherzog Widukind und Aleksander Knoche seien stellvertretend genannt – und hoch gelobt.

Mit bunt wuseligem bis wilden – ein spektakulärer Schwertkampf! – Markttreiben beginnt der Rundgang am Fuß der hohen inneren Burgmauer. Dann verkündet Karl in einer Mauernische der skeptischen Mutter Betrada seinen Heiratsplan. Die Action wird im Umgang mit einem echten Bogenschießen fortgeführt. Karl gewinnt die Adler-Trophäe gegen seine Awarischen Bogen-Söldner. Oben angelangt, sammelt sich das Publikum zunächst zu einer besonders gelungenen Szene unter der Eibe, in der eine alemannische Christin und eine noch an die Germanengötter glaubende Sächsin als Hebammen, Kräuterfrauen und Wasserzauberinnen sich über ihre Kulte in einer Welt religiösen Wandels und blutigen Machtstrebens austauschen und viele Gemeinsamkeiten entdecken.

Das burleske Element bringt danach die kraftvoll brillante Gruppe der leibeigenen Frauen herein, die später auch noch als Stück im Stück bei Hofe das klassische Paris-Urteil aufführen (Karl der Große führte ja seine Abstammung auf Troja zurück). Bei ihrem gereimten Nagold-Lied kam lokalpatriotischer Szenenapplaus auf. Ein prachtvoller Hochzeitszug mit dem hohen Paar auf wunderbar gerichteten Pferden, mit Ponys und Hunden unter viel pittoresk-buntem Adels- und Fußvolk leitet durch das Tor den Hauptteil im Burghof ein.

Das grandiose Fest schmücken auch eine tolle Tanzgruppe sowie die hinreißenden Kinder als Geschenkebringer und Begleiter des von Kalif Harun al Raschid aus Bagdad geschickten Diplomaten. Ein sündiger Bischof Fardulf wird zur Ehe gezwungen. Die geschmackvoll ausgesuchte Musik vom Band ergänzen Dorothee Must und Isolde Alber auf Blas- und Percussion-Instrumenten nach Kräften live. In der Pause unterhält das Ensemble "Nagaltuna Garbe" mit Feuer-Jonglage.

Der Burghof bleibt Schauplatz – für die Liebesszenen des Herrscherpaars, die Geburt des ersten Kindes, aber später auch für den handfesten Streit, in dem sich die mutige Reisekönigin Hildegard dem wütenden Herrscher widersetzt, weil sie den Kriegszug nach Saragossa ablehnt, der später eine Hungersnot und Staatskrise auslöst.

Ernst, Halbernstes und Komödiantisches nebeneinander, nacheinander: Ein Hirsch-Wilderer wird niedergerungen, das hungrige Volk bekommt das Fleisch. Die renitenten Sachsen halten Kriegsrat. Karl hat eine Fechtszene. Hildegard gibt als Zeichen frommer Kultur ein kostbares Evangeliar in Auftrag. Die Hofkinder werden im Beisein des bildungsbeflissenen Herrschers und seiner Gattin spielerisch in die Planetenlehre eingeführt.

Dann kommen Tiefe, Tod und Trauer ins Geschehen. Im Kindbett nach der neunten Geburt stirbt Hildegard. Die ergreifende Klage Karls und seines ganzen Hofes wendet Isolde Albers Inszenierung am Schluss in eine Vision. Über Begräbnis und Trauer bieten die Sachsen Frieden an. Der Rebellenführer Widukind lässt sich taufen. Als erträumter Friedensengel erscheint Hildegard mit ihren Heiligen oben auf dem Wehrturm. Karl bittet Gott um Vergebung und bekommt sie mit einem Wunder bestätigt.

Die vielen Helfer, die Bühnenbildner, Beleuchter und Ausstatter und Organisatoren, meist auch schauspielernd in Vielfachfunktion, wurden auch auf die Bühne gebeten, um sich den rauschenden Beifall der Zuschauer für einen überwältigenden und zauberhaften Freilicht-Theaterabend abzuholen. Bei Regisseurin und Autorin Isolde Alber, der zentralen Gestalt des Bürgertheater überhaupt, brandete er natürlich besonders auf. Das von ihr und Kulturamtsleiterin Dorothee Must zusammengestellte, von Gotelind Alber wunderbar gestaltete Begleitheft übrigens ist ein Muss, wenn man über das Stück hinaus auch über die vielen eingeflochtenen historischen Figuren und Ereignisse umfassend im Bilde sein will.