Der "einsame Schwan" auf der Nagold. Foto: Rousek

Nagolder Vogelfamilie ist nicht mehr komplett. "Happy-End" aber nicht ausgeschlossen.

Nagold - Es war eine tierische Liebesgeschichte, wie sie im Buche steht. Ein Schwanenpärchen wird in Nagold sesshaft, gemeinsam ziehen sie ihre Küken groß. Sie wollen ein Leben lang zusammenbleiben, so wie das bei Schwänen eben ist. Doch dann passiert ein folgenschwerer Unfall.

2015 wurde das Wasservogel-Pärchen das erste Mal gemeinsam in Nagold gesehen. Eine kleine Sensation, denn Schwäne in Nagold, das hatte es noch nie gegeben! Kurz darauf kamen auch schon die ersten Küken zur Welt, von denen eines das Erwachsenenalter erreichte. Ein Jahr später erneuter Kindersegen: Diesmal pflegten Mama- und Papa-Schwan den Nachwuchs so liebevoll, dass gleich vier Küken die ersten risikoreichen Monate überstanden.

Am liebsten hielt sich die Wasservogel-Familie am Ufer der Nagold beim Hotel Schiff auf. Fast jeden Tag machten sie dann einen Abstecher zum Hotel und klopften sogar manchmal mit den Schnäbeln an die Eingangstür, erinnert sich dessen Inhaberin lachend.

"Das war schon sehr niedlich. Und schön zu sehen, wie die Küken aufwachsen." Einmal habe der Schwanen-Papa den ganzen Verkehr in der Straße vor dem Hotel aufgehalten. "Er hat sich in den Autos gespiegelt und wohl gedacht, dort sei ein anderer Schwan", erzählt die Hotelbesitzerin. "Dann hat er jedes einzelne Auto angepickt."

Trotz dieser Attacken eroberten die Tiere die Herzen der Touristen und Einheimischen gleichermaßen im Sturm. "Einige Gäste sind nur wegen der Schwäne gekommen", erzählt sie. Eine ganze Zeit lang gehörten die Vögel zu den wohl beliebtesten Foto-Motiven Nagolds. Waren das noch Zeiten.

Im Herbst vergangenen Jahres wurde einer der Schwäne – das Männchen, wie sich später herausstellte – plötzlich nur noch alleine mit den heranwachsenden Küken gesichtet. Doch wo war die Mutter geblieben?

"Am Anfang haben viele Gäste gefragt, wo der zweite Schwan ist", meint die Hotelbesitzerin. "Die Tiere waren ja DAS Thema im vergangenen Jahr." Auch bei Facebook wurde in der Gruppe "Unser Nagold" bald nach dem Verbleib des zweiten Vogels gefragt. Viel mehr als Gerüchte gab es aber nicht zum Verschwinden der Schwanen-Mama. Bis es traurige Gewissheit wurde: Das Schwanen-Weibchen ist tot.

Gerhard Ehniss von der gleichnamigen Firma war einer der letzten, der den Schwan lebend gesehen hat. An einem Herbsttag sei dieser an der Firma vorbeigelaufen. "Der Schwan konnte kaum noch gehen und hat sich halb auf dem Körper vorwärts bewegt", berichtet Ehniss. Daraufhin hat der Firmeninhaber den Tierschutzverein verständigt, der wiederrum einen Tierarzt konsultierte. Der konnte aber nichts mehr für den Schwan tun: Nachdem er mit in die Tierarztpraxis genommen wurde, blieb der Ärztin nichts mehr anderes übrig, als das Tier von seinen Leiden zu erlösen. Zu schwer waren die Verletzungen. "Der Vogel hatte wohl eins oder sogar beide Beine und den Flügel gebrochen", meint Ehniss. Wie es zu den Verletzungen kam, darüber kann aber auch er nur spekulieren. "Vermutlich ist er auf dem Flug verunglückt."

Zurück blieben vier halbstarke Schwanenjunge und das Männchen. In den ersten Monaten nach dem Tod des Weibchens kümmerte sich der Schwan weiterhin um den Nachwuchs. "Im Winter sind dann alle weggeflogen. Der Vater kam aber im Frühjahr wieder zurück", erzählt die Besitzerin des Hotels Schiff. Seitdem zieht er alleine seine Runden auf der Nagold. Ob er trauerte, kann die Hotelinhaberin nicht genau sagen. Immerhin sind Schwäne aber bekannt dafür, dass sie ein Leben lang bei ein und demselben Partner bleiben. "In den ersten Wochen, in denen sie weg war, hat er manchmal komische Geräusche von sich gegeben", erinnert sie sich. Ob er nach seiner Partnerin gerufen hat?

Mittlerweile scheint der Vogel-Witwer aber wieder zurück in den Alltag gefunden zu haben. Jeden Tag zwischen 9 und 10 Uhr morgens kommt er am Hotel Schiff vorbei. Den Rest des Tages verbringt er auf der Nagold, schwimmt umher und beobachtet ganz genau, wo er etwas zu essen bekommen könnte.

Laut dem Schwanenschutz-Komitee Hochrhein ist es durchaus möglich, dass sich Schwäne nach dem Tod ihres Partners einen neuen Gefährten oder eben eine neue Gefährtin suchen. Ein "Happy-End" ist also nicht ausgeschlossen.

"Es wäre schon schön, wenn er wieder eine Partnerin hätte", findet sicher nicht nur die Hotelbesitzerin. Seitens der Stadt gibt es aber keine Bemühungen, den Schwan wieder "unter die Haube zu bringen". Da muss sich der Schwanen-Romeo wohl selbst seine neue Julia suchen. Und vielleicht findet er die sogar eines Tages hier in Nagold.