Die Rollenspiele zum "Faustlos"-Projekt bereiten den Kindern in Iselshausen auch Spaß. Foto: Rentschler Foto: Schwarzwälder-Bote

In Iselshausen ist das Gewaltpräventionsprojekt seit dem Schuljahr 2011/12 Teil des Unterrichts

Von Sophie Rentschler

Nagold-Iselshausen. Schulranzen und Mäppchen liegen im Klassenzimmer verteilt. Kinder rennen umher, schreien und lachen. Kaum vorstellbar, dass sich dieser wilde Haufen auch ganz anders verhalten kann. Doch bei der "Faustlos"-Unterrichtsstunde sind die Schüler der Grundschule Iselshausen ganz und gar in den Unterricht vertieft: Jeder meldet sich und will unbedingt zu Wort kommen, lauscht jedoch gleichermaßen gespannt, wenn Mitschüler sprechen.

Das Gewaltpräventionsprojekt "Faustlos" ist an der Grundschule in Iselshausen seit dem Schuljahr 2011/12 in den Unterricht integriert. In den Klassen 1 und 2 findet jeden Montag eine Unterrichtsstunde zum Projekt statt. Ab der 3. Klasse wird der Unterricht zum Projekt reduziert.

Die Idee, sich dem schulübergreifenden Projekt anzuschließen, ist von Schule und Eltern damals gleichermaßen unterstützt worden. Mit der Teilnahme erhoffte man sich, das Schulklima dauerhaft positiv zu verändern, berichtet Rektorin Susanne Keller.

Das Projekt bot die Möglichkeit, einen einheitlichen Leitfaden an der Schule zu verfolgen, nach dem sich alle Lehrer und Schüler richten können.

"Wenn ich mich aufrege, zähle ich manchmal einfach bis zehn"

Wenn auch das Projekt an die Fortbildung der Lehrer geknüpft ist, so steht doch die Kompetenzenvermittlung an die Schüler im Vordergrund: Gewaltlose Streitschlichtung zwischen den Schülern selbst ist das Ziel.

Doch der Weg dorthin ist lang. Das wissen auch die 9-jährige Noelle und der 10-jährige Sascha, die die 4. Klasse der Grundschule in Iselshausen besuchen. "Seit der 1. Klasse haben wir schon Faustlos-Stunden und trotzdem kommt es vor, dass man sich streitet und nicht weiß, wie man den Streit lösen soll", erzählt Noelle.

Der "Faustlos"-Unterricht gibt Kindern Handlungsmuster an die Hand, mit denen sie Konflikte lösen können: "Wenn ich mich aufrege, zähle ich manchmal einfach bis zehn, um mich zu beruhigen", verrät Noelle als Beispiel.

Solche und ähnliche Strategien, die Impulse und den Umgang mit Ärger oder Wut kontrollieren, erlernen die Kinder im Unterricht anhand von Szenen, die sie in kleinen Gruppen nachspielen. Die Lehrer regen die Grundschüler an, sich dabei Fragen zu stellen: Wie fühlt man sich wohl, wenn man in den Schrank gesperrt wird oder nicht mit den anderen Kindern Fußball spielen darf?

"Man erreicht sicher nicht jedes Kind", meint Keller. Doch allein, dass die Lehrer an einem Strang zögen, beeinflusse das Schulklima positiv, bemerkt sie.

Kein Wunder, dass den meisten Schülern der "Faustlos"-Unterricht auch Spaß macht. Susanne Keller berichtet von Sätzen wie: "Das fühlt sich gar nicht wie Unterricht an. Ich denke dann immer, ich habe frei."

Nicht nur Eltern und Lehrer sind sich einig, dass das Projekt Früchte trägt. Auch Sascha und Noelle aus der 4. Klasse meinen, dass sie nun besser mit schwierigen Situationen umgehen könnten und wünschen sich eine "Faustlos"-Abschiedsstunde: "Auf der neuen Schule gibt es ja bestimmt kein ›Faustlos‹ mehr, aber man braucht es ja trotzdem, um seinen Streit zu lösen", erklärt der zehnjährige Sascha.

Sogar unbewusst wenden die Schüler mittlerweile gelernte Strategien an, um ihre Probleme untereinander zu lösen: Das altbewährte "Schnick, Schnack, Schnuck" hilft ihnen beispielsweise, die Rollen in der Gruppe für die nächste Szene, die sie im Unterricht nachstellen sollen, gerecht zu verteilen.

Bevor das "Faustlos"-Projekt in Angriff genommen wurde, mündeten solche und ähnliche Situationen in größere Konflikte, die die Grundschüler nicht selten mit Gewalt zu lösen versuchten.

Fragt man Noelle und Sascha nach den schönsten Momenten, die sie im Rahmen des "Faustlos"-Projekts erlebt haben, so stehen das Schauspielen und sogar das Lösen von Konfliktsituationen ganz hoch im Kurs. Noelle gibt allerdings zu: "Kann schon sein, dass manche unsere Strategien nicht so einsetzen."

Aber das könne man auch nicht erwarten, sagt Susanne Keller. Auch das Elternhaus müsse mitziehen, so ihre Meinung.

Doch der Eindruck überwiegt, dass der Unterricht den meisten Schülern Spaß macht und – zumindest unterbewusst – lernen sie eben doch, was man tun kann, bevor man die "Faust" ballt.