Lehrerin Tatjana Kurz-Krohmer und ein Teil ihrer Schüler aus der Vorbereitungsklasse beim Deutschlernen. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Vorbereitungsklasse der Lembergschule bereitet auf den späteren Grundschulunterricht vor – auch dank Sponsoren

Von Heiko Hofmann

Nagold. Was sie eint, das ist die Sprache. Oder besser gesagt: das Sprachdefizit. Denn alle Kinder in dieser Klasse können eines so gut wie nicht: die deutsche Sprache. Mit ihrem Besuch in der Vorbereitungsklasse an der Lembergschule soll sich das ändern.

Munter geht es zu in dem Klassenraum der Vorbereitungsklasse. Ein Quiz ist angesagt. Tatjana Kurz-Krohmer, Pädagogin der Nagoler Lembergschule, streckt den Kindern Kärtchen mit bunten gemalten Motiven entgegen. "Erdbeere" schallt es dann durch den Raum. Fast richtig. Bleibt die Frage nach dem Artikel: der, die, oder das? "Die Erdbeere", heißt es schließlich. Richtig, der nächste Punkt für das Rateteam ist eingefahren.

Eine Vorbereitungsklasse an der Lembergschule? Neu ist das nicht. "Wir haben damit durchaus Erfahrung", erzählt Rektorin Irene Kolodey und erinnert an die Jahre, als in Nagold noch ein großes Aussiedlerwohnheim betrieben wurde. In diesem Schuljahr beherbergt man an der Lembergschule die Vorbereitungsklasse für die Kinder im Grundschulalter. Ältere Kinder gehen in der Zellerschule in eine Vorbereitungsklasse. "Es ist ein Kommen und Gehen", berichtet Kolodey weiter. Aus Polen, Syrien, Albanien, Kroatien oder auch Rumänien kommen die Kinder derzeit. Die Gruppengröße variiert genauso wie die Zusammensetzung. Für die Betreuungskräfte macht das die Aufgabe nicht gerade leicht. Ziel der Betreuungsklasse ist es, die Kinder für den Besuch einer Regelklasse fit zu bekommen. Mindestens ein halbes Jahr dauert das auf jeden Fall. Oft auch länger.

Mittlerweile hat die zweite Betreuungskraft an der Lembergschule die Gruppe übernommen. Gitta Theurer stellt den Kindern Alltagsfragen. "Welcher Tag ist heute?", will die Erzieherin wissen. Oder auch: "Was habt ihr alles in eurem Mäppchen?" Mit großem Eifer berichten die Kinder von Lineal und Stift, von Radiergummi und Füller. Und immer muss der Artikel mit benannt werden. "Der, die oder das?" Damit haben die Kinder, die in diesem Raum ihre ersten Schritte in der deutschen Sprache gehen, weit mehr Probleme als mit den eigentlichen Wörtern.

Dass die Kinder an diesem Morgen besonders eifrig bei der Sache sind, mag auch an den Besuchern liegen, die sich am Rande des Klassenzimmers niedergelassen haben und den Unterricht beobachten. Sebastian Retsch vom Lions-Club, Urschelstiftungs-Chef Ulrich Mansfeld, Thomas Baitinger von Groß hilft Klein und Bernd Schlanderer sowie Irene Frey von der Diakonie sind anwesend. Der Grund: Dank der Förderung ihrer Organisationen werden die Kinder nicht nur von einer Lehrerin unterrichtet. Die Kosten für die zusätzliche Erzieherinnenstelle übernehmen sie. Denn die der Schule offiziell zugewiesenen 15 Stunden reichen bei weitem nicht. Und so gibt die Schule aus dem eigenen Schulbudget weitere Stunden dazu. Und dann ist da eben noch jene zweite Stelle, ganz bewusst mit einer Erzieherin besetzt, die zwölf Stunden in der Woche im Einsatz ist.

"Im Grunde müsste man jedem Kind einen Lernbegleiter zur Seite stellen, so verschieden sind die Voraussetzungen der Kinder", sagt Kolodey. Mit den zwei Kräften aber kann man die Gruppe wenigstens immer wieder teilen. Dazu steht an der Lembergschule auch ein zweites Klassenzimmer zur Verfügung.

"Hip, Hop – Schule ist top" – den Klassiker aller Schulhits schmettern auch die Kinder aus der Vorbereitungsklasse voller Inbrunst. Zum Sound der CD singen und tanzen die Schüler mit. Das Lied hat bei ihnen Kultstatus, das ist deutlich zu hören. Und wer die fröhliche Sängerschar beobachtet, vergisst schnell, welche Schicksale viele der Kinder hinter sich haben, welche Erlebnisse zwischen Flucht und Neuanfang im fremden Deutschland hinter ihnen liegen.

16 Kinder besuchen derzeit die Vorbereitungsklasse an der Lembergschule, elf von ihnen kommen aus dem Asylbewerberheim Waldeck. Immer wieder stoßen neue Kinder dazu, andere gehen wieder. "Die wenigsten bleiben in Nagold", bestätigt Irene Kolodey. Am Engagement für die Kinder ändert das nichts. Und auch die Sponsoren waren bereit, das Projekt zu unterstützen – auch wenn diese Art der Förderung nicht bei allen ganz in die Fördermechanismen der regionalen Stiftungen passen. "Wenn viele etwas tun, dann kann man auch etwas erreichen", ist Diakonie-Geschäftsführer Bernd Schlanderer überzeugt. Gitta Theurer verweist unterdessen auch darauf, dass man in der Lembergschule ein stückweit einen Modellversuch habe. Die Betreuungskombination aus Lehrerin und Erzieherin wird zum eigenen Konzept ausgebaut. Denn fertige Konzepte gibt es für Vorbereitungsklassen nicht. "Wir können hier umsetzen, was uns auch am Herzen liegt", freut sich die Erzieherin. Und Irene Kolodey stellt nicht ohne Befriedigung fest: "Wir geben den Kindern das beste, was wir können, mit."

Wohin immer der Weg die Kinder führen wird – viele werden wohl wieder zurück in ihre Herkunftsländer gehen müssen, andere ziehen in andere Gemeinden Deutschlands um. Doch die Erfahrungen im deutschen Schulsystem und ihre ersten deutschen Wörter nehmen sie aus Nagold mit – ein Leben lang. Und so klingt das "Tschüss", das die Kinder ihren Besuchern am Ende der Stunde entgegenrufen durchaus fröhlich. Ein Stück Normalität in einer alles andere als normalen Kindheit.