Fotos: Hoffmann – Sea-Watch Foto: Schwarzwälder-Bote

Hoch dramatische Rettungseinsätze vor der libyschen Küste / Jakob von Eisenhart Rothe als Maschinist hautnah dabei

Es sind hochdramatische Einsätze, die das von einer privaten Organisation getragene deutsche Flüchtlings-Rettungsschiff "Sea-Watch 3" derzeit im Mittelmeer vor der libyschen Küste leistet. Mit an Bord ist der in Nagold aufgewachsene Maschinist Jakob von Eisenhart Rothe.

Valetta/Nagold. Anfang des Monats lief die "Sea-Watch 3" zu ihrem ersten Einsatz vom Stützpunkt-Hafen Valetta auf der Mittelmeerinsel Malta aus. Das Schiff ist ein 1972 gebautes, ehemaliges Offshore-Versorgungsschiff, das auch schon für "Ärzte ohne Grenzen" im Einsatz war. Maschinist Jakob von Eisenhart Rothe war bereits auf mehreren Missionen der "Sea-Watch 2" dabei, des kleineren Vorgänger-Schiffs. Und daher weiß er, wie gefährlich es manchmal auf See werden kann.

"Am eindrücklichsten sind mit Sicherheit die Begegnungen mit den überfüllten Schlauchbooten und wie schmal der Grat ist zwischen einer vergleichsweise geordneten und halbwegs sicheren Evakuierung der Menschen und einer Eskalation der Situation, falls beispielsweise einer der Schläuche an Luft verliert und wie schnell Menschen dann ihr Leben verlieren können, insbesondere wenn sie nicht schwimmen können."

Als Jakob von Eisenhart Rothe diese Zeilen in einer E-Mail von Bord der "Sea-Watch 3" schreibt, ahnt er noch nicht, wie schnell die Realität diese Worte einholen soll.

Gleich bei der ersten Begegnung mit einem der Flüchtlings-Schlauchboote kommt es zur dramatischen Eskalation: Nach einem entsprechenden Notruf, eilen mehrere Rettungs-Schiffe in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Maritime Rescue Coordination Center in Rom zur Unglücksstelle. Menschen sind bereits im Wasser, als die "Sea-Watch 3" eintrifft. Standardmäßig übernimmt in solchen Situationen das Schiff mit der besten Rettungsausrüstung die Leitung und Koordination des Rettungseinsatzes – in diesem Fall die "Sea-Watch 3".

"Ich halte die Abschottungspolitik für absolut unmenschlich"

Ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache ist jedoch – anders als die ebenfalls anwesenden Rettungskräfte der französischen und italienischen Marine – nicht gewillt, sich an dem koordinierten Rettungseinsatz zu beteiligen. Stattdessen versuchen die Libyer, die Flüchtlinge selbst an Bord zu holen und gegen deren Willen zurück nach Libyen zu bringen. Die Situation eskaliert nach Berichten der Sea-Watch-3-Besatzung vollends, als das Boot der libyschen Küstenwache mit voller Geschwindigkeit die Szene wieder verlassen will, obwohl sich zu dieser Zeit noch eine Person auf der Steuerbordseite festklammerte und durchs Wasser gezogen wurde.

Die Schreckensbilanz am Ende: Fünf Flüchtlinge starben, darunter ein Kleinkind, das an Bord der "Sea-Watch 3" trotz größter Anstrengungen nicht wiederbelebt werden konnte. Aber 58 Menschen konnten auch gerettet werden und befinden sich mittlerweile auf den Weg in die Aufnahmelager in Italien.

Für den Nagolder an Bord der "Sea-Watch 3" immer wieder eine sehr prägende Erfahrung. Auf die Frage, welche Erlebnisse auf diesen Missionen ihn am meisten beeindrucken, schreibt er: Eben dieser "surreale Kontrast zwischen der eigenen Sicherheit und Einfachheit des Reisens, wenn man nach der Mission einfach wieder nach Hause fliegt und in seine behütete Wohnung zurückkehrt, während Leute, die sich von mir nur durch ihren Pass und vielleicht noch ihre Hautfarbe unterscheiden, sich für fast die gleiche Strecke für Monate größten Gefahren und Strapazen aussetzen müssen."

Und: "Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, wenn die Menschen das Schiff wieder verlassen und voller Hoffnung nach Italien weiterreisen, man selbst aber eher ungute Gefühle hat, was deren Zukunft bei Ankunft in Italien betrifft – auch wenn diese mit Sicherheit deutlich besser ist, als alles, was ihnen in Libyen widerfahren ist." Womit auch die ganz persönliche Motivation von Jakob von Eisenhart Rothe für diese Arbeit deutlich wird: "Ich halte die europäische Abschottungspolitik für absolut unmenschlich und für eine Schande für die europäische Union. Mit den Geldern, die in die Grenzsicherung gesteckt werden, könnte man Strukturen für eine geregelte Einwanderung mit sicheren, legalen Reisewegen schaffen."

Beeindruckt vom Mut und der Entschlossenheit dieser Leute

Er selbst sei seinerzeit durch die Berichterstattung über die Flüchtlinge im Mittelmeer und ihre seeuntüchtigen Boote sowie die immer wieder vielen Toten auf das Thema aufmerksam geworden. Schon seit einigen Jahren habe er sich auch "über den Unwillen der europäischen Politik, legale und sichere Einreisemöglichkeiten für flüchtende Menschen zu schaffen", entsetzt. "Als ich über die sozialen Medien von der Gründung und der Arbeit von Sea-Watch und anderen Organisationen wie ›Jugend Rettet‹ erfuhr, war ich sehr begeistert und beeindruckt vom Mut und der Entschlossenheit dieser Leute. Ich halte Sea-Watch und die Arbeit, die Sea-Watch auf dem Mittelmeer leistet, für die beste Möglichkeit, die es für mich gibt, meine seemännischen Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen."

Nach dem Abitur 2005 am Nagolder Otto-Hahn-Gymnasium, habe er durch ein freiwilliges ökologisches Jahr auf einem Traditionssegelschiff die Seefahrt kennengelernt, schreibt Jakob von Eisenhart Rothe. Es folgte eine Lehre zum Schiffsmechaniker, während der er auf Containerschiffen bis nach China, Südafrika und an die südamerikanische Ostküste gekommen sei. Nach abgeschlossener Lehre folgte in Bremerhaven das Studium der Schiffsbetriebstechnik. Seit 2014 ist Hamburg sein Lebensmittelpunkt, dort habe er knapp zwei Jahre im Service für einen großen Schiffsmotorenhersteller gearbeitet. Anschließend ein halbes Jahr als technischer Wachoffizier auf einer Schwedenfähre gearbeitet, bevor er als Maschinist ganz zu "Sea-Watch" wechselte.

Das nächste Mal nach Nagold kommen, wo seine Eltern immer noch leben, werde er wohl zu Weihnachten, schreibt Jakob von Eisenhart Rothe abschließend. Das sei Tradition. Wie es nach Sea-Watch für ihn ganz persönlich weitergehe, das wisse er noch nicht. "Ich habe derzeit keine konkreten Pläne, denke aber, dass ich mich eher aus der Seefahrt zurückziehen werde." Die Erlebnisse vor der libyschen Küste seien halt auch für die Helfer nicht einfach zu verdauen.