Thomas Gerlach zeigt das mit dem Designpreis gekrönte Messer. Foto: Martin Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Nagolder Designer Thomas Gerlach bekam den weltweit begehrten "Red Dot Award" – für ein Messer

Von Martin Bernklau

Nagold. Mit Hartmut Esslingers Firma Frog und mit Apple als Kunde kam er zu Weltruhm. Jetzt hat der Nagolder Designer und Pforzheimer Professor Thomas Gerlach wieder einen der weltweit begehrtesten Preise für Produkt-Gestaltung bekommen: den "Red Dot Award", und zwar in der obersten Kategorie "Best of the Best".Das Siegerstück aus Gerlachs Büro "via 4" ist ein Messer, ein immerscharfes Kochmesser namens Bionic, das er für die Firma Fissler entwickelt hat. An ihm kann Thomas Gerlach gut zeigen, dass gutes Design viel, viel mehr ist, als Dinge nur schön und elegant aufzuhübschen. "Gute Funktion hat immer Eleganz", sagt er und spitzt damit das Prinzip der klassisch modernen Bauhaus-Ästhetik zu, dass die Form immer der Funktion folgen müsse.

Seine Firma pflegt, sagt Thomas Gerlach, "eine Strategie des Leise-Seins". Gemeinsam mit den Technikern, Ingenieuren und Wissenschaftlern, den Marketing- und Vertriebsleuten und natürlich auch mit den Chefs der Auftraggeber geht er an ein Produkt heran. Für das ausgezeichnete Messer war der Biber Vorbild, dessen Zähne sich durch unterschiedlich harte Schichten beim staunenswerten Bäume-Umraspeln selber schärfen. Dem edlen Stahl der Klinge fügte man einseitig eine noch härtere keramikartige Schicht bei. Der sogenannte Erl, die Fortführung der Stahls in den Griff, wurde gedreht und blieb am Rand sichtbar, was eine elegante Linienführung ergab.

So etwas erfüllt dann die Anforderungen, die nicht nur die Red-Dot-Jury an modernes Design stellt. Es muss innovativ sein, funktional, selbsterklärend, ergonomisch und schlicht schön. Kein überflüssiger Schnickschnack also, kein komplizierter Firlefanz. "Aber die Haptik ist wichtig, das Anfassgefühl." Langlebigkeit, höchste Qualität in Material und Verarbeitung und ökologische Nachhaltigkeit kommen hinzu. Und schließlich soll das Produkt den Kunden gefallen, einen symbolischen und emotionalen Gehalt von Wert und Image vermitteln, "ein Gefühl".

Thomas Gerlach teilt die Käufer, Kunden und Nutzer auch danach ein, ob sie "indirected" oder "outdirected" sind. Zu deutsch: Die einen wollen das Polohemd mehr seiner gediegenen Qualität wegen, die anderen eher wegen des aufgenähten Krokodils.

Irgendwo dazwischen setzt er dann auch die Strategie für sein Design an. So schuf er von ersten Erfolgen mit Wega-Fernsehern, den frühen Apple-Computern oder Sony-Walkmen auch viel Badezimmer-Einrichtung für Villeroy-Boch.

Er kauft gerne ein. Aber weniger um wirklich zu kaufen, sondern um die Käufer zu beobachten, ihr Verhalten, ihre Vorlieben. Beim Messer ging er natürlich zuerst zu den Köchen. Mit plötzlicher Inspiration hat seine Kreativität weniger zu tun: "Ich lasse mich von Aufgaben faszinieren. Man muss die Sachen erst im Kopf klarziehen", beschreibt er seinen Schaffensprozess.

Gerlach stammt aus dem Ruhrgebiet. Die Eltern führten ein Restaurant. Der Vater wollte, dass er Maschinenbau studiert. Eher zufällig bestand er aber als 24. der 24 Erfolgreichen unter hunderten Bewerbern einen Begabtentest für Design. Schon nach vier Semestern an der renommierten Folkwangschule hatte er nebenbei so viele Preise eingeheimst, dass ihn der rasant aufstrebende Altensteiger Star-Designer Hartmut Esslinger als Co-Geschäftsführer für Frog anwarb. Zehn Jahre lang, bis 1992, leitete er die Firma, "zu der die Talente aus aller Welt pilgerten". Danach erst, nebenbei, machte Gerlach noch sein Diplom. Heute hat Frog seinen Hauptsitz im kalifornischen Silicon Valley. An Steve Jobs, dem Apple-Guru, bewunderte er den "fanatischen Perfektionismus bis ins kleinste Detail". Weniger ausgeprägt seien seine sozialen Kompetenzen gewesen.

Thomas Gerlach will "visualisieren, was in Jahren kommt. Das braucht Mut." Und es braucht den Kontakt zu jungen Leuten. An der Pforzheimer Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft, die ihm vor acht Jahren die Professur antrug, entwickelte er neue Studiengänge, die gleichfalls Auszeichnungen erhielten. Seine Agentur "via 4" macht neben Produkt- auch Kommunikationsdesign – für Weltunternehmen wie für erfolgreiche Mittelständler aus der Region. Auch Bewerbung und Marketing für die Nagolder Landesgartenschau oblagen Gerlachs Agentur.

Mit seiner aus Altensteig stammenden Frau Silke, die als Betriebswirtin das Büro steuert, mit Sohn und Tochter wohnt Thomas Gerlach in Mötzingen. Der 54-Jährige fühlt sich wohl dort, im Haus mit Garten, wie in Nagold auch. Nach wie vor reist er viel, auch in die Metropolen aller Kontinente. Aber der Ort ist ihm weniger wichtig. "Die Dinge entstehen im Kopf, erst dann hilft Atmosphäre – vielleicht."