Kevin Schmitt, Sebastian Röhrle, Fabian Gote und Geschichtslehrer Gabriel Stängle (von rechts) stellen sich den Fragen eines interessierten Publikums Foto: CHR Foto: Schwarzwälder-Bote

Geschichte: Realschüler präsentieren Forschungsergebnisse über die nationalsozialistische Jugendverfolgung

Nagold. In der voll besetzten Stadtbibliothek lauschten Interessierte den Ausführungen dreier Nagolder Realschüler, die im Sommer 2015 für ihre Forschungsarbeit über die nationalsozialistische Judenverfolgung im Landkreis Calw mit dem Landessieg beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ausgezeichnet wurden.

Als Fabian Gote sich mit seinen Klassenkameraden vor eineinhalb Jahren überlegte, welche Gruppe sie untersuchen sollten, die im Dritten Reich verfolgt wurde, war für ihn die Sache schnell klar. Seine Urgroßmutter war "Volljüdin". Einige ihrer Familienangehörigen verloren im Nationalsozialismus ihr Leben. Dieser familiäre Hintergrund motivierte ihn und seine Freunde, ihre Aufmerksamkeit auf die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im Landkreis Calw zu richten.

Dass es seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts einen ständigen Zuzug von Juden in den Landkreis Calw gab, führte Sebastian Röhrle aus, sowohl in den Städten Calw und Nagold als auch in den Kurorten Wildbad, Herrenalb und Schömberg. Anfang der 1930er Jahre lebten in diesen Orten jeweils zwischen fünf und zehn Juden, die hauptsächlich in freien Berufen als Ärzte, Hoteliers, Kaufleute, oder Viehhändler tätig waren. In keinem Ort bestand in den 1930-er Jahren ein aktives jüdisches Gemeindeleben. Religiös gesehen, verstanden die Juden sich entweder jüdisch oder freireligiös, oder waren meist wegen der Heirat mit einem nichtjüdischen Ehepartner zum evangelischen Glauben konvertiert. Für die Nationalsozialisten zählte das rassische Verständnis von Juden. Das betraf nicht nur Bürger jüdischen Glaubens, sondern auch alle, deren Eltern oder Großeltern Juden gewesen waren.

In den ersten beiden Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurden Juden sozial ausgrenzt. So erhielt zum Beispiel der Altensteiger Hans Schiler keine Genehmigung für ein Chemiestudium. Der Nagolder Salli Löwengart wurde als Ehrenmitglied aus dem Sportverein ausgeschlossen, und der Neuweiler Arzt Eugen Marx von Nazis zusammengeschlagen und für mehrere Wochen in das KZ Heuberg gebracht. Von 1935 bis 1938 folgte die Zerstörung der beruflichen Existenzen, in der der Altensteiger Stadt- und Distriktstierarzt Friedrich Schneider wegen seiner Ehefrau, die jüdischer Abstammung war, seine Anstellung verlor.

Soziale Isolation und behördliche Schikanen

Den jüdischen Kaufleuten und Viehhändlern wurde der Wandergewerbeschein entzogen. Nach der Reichspogromnacht im November 1938 wurden sämtliche Betriebe "arisiert": Die jüdischen Besitzer mussten unter dem Marktpreis ihre Firmen verkaufen. Dies traf in Bad Liebenzell die Firma "Herz und Kops", oder in Iselshausen die "Schwarzwälder Lederkohlen- und Härtemittelfabrik". Die Juden, die meist auf Grund der "arischen" Ehepartner noch im Kreis Calw wohnten, waren mit sozialer Isolation und alltäglichen behördlichen Schikanen konfrontiert. In den letzten vier Kriegsjahren erfolgte die systematische Verschleppung und Vernichtung von Juden. Kevin Schmitt stellte eine Reihe von Einzelschicksalen vor, die zwischen 1930 und 1939 ihren ständigen Wohnsitz im Landkreis Calw, beziehungsweise dessen Vorgängerkreisen hatten. Davon wurden 14 Opfer der nationalsozialistischen Juden- vernichtung, davon zwölf in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten gebracht, wie Theresienstadt, Auschwitz oder Treblinka. Zwei Ausnahmen sind der Herrenalber Ernst Alterthum, der sich aus Verzweiflung 1944 das Leben nahm und der Calwer Otto Michelson, der mit der Deportation badischer Juden nach Gurs in Südwestfrankreich kam und im Süden Frankreichs starb.

Wegen der großen Nachfrage wird die Ausstellung im Nagolder Rathaus bis zum 27. Mai 2016 verlängert.