Blick von der Vorstadt in die Freudenstädter Straße um das Jahr 1900. Und so sah die Freudenstädter Straße in den Fünfziger Jahren aus (rechts). Foto: Hollaender,Sammlung Möhrle/Reule Foto: Schwarzwälder-Bote

Wie sich die Freudenstädter Straße von der Vorstadt bis zur Krone verändert hat / Leben auf engstem Raum

Nagold Nagold boomt – und verändert sein Gesicht. Wer vor 30, 40 Jahren durchs Städtle schlenderte, würde es heute kaum wiedererkennen. Zum Beispiel die Freudenstädter Straße von der Vorstadt bis zur Krone. Wir lassen Zeitzeugen zurückblicken, wie’s früher war. Gerhard Reule erinnert sich.

Stadtmauer mit Stadtgraben und Zwinger signalisierten einst die Stadtkante Nagolds auch im Wandel der Zeiten. Jede Phase des Zeitgeschehens hinterließ dabei in der Bebauung der Stadt ihre sichtbaren Spuren, ohne die Stadtsilhouette zu verstecken.

Nachdem die finale Phase der Planung und Realisierung des Ankerareals in diesen Wochen gestaltet wird und damit die Freudenstädter Straße wieder in den Fokus des Betrachters rückt, mögen abgegangene Bauzeugen der vergangenen Epochen die Gegend zwischen Grüner Baum und Krone-Wirtschaft als Verweilstationen aus der Spanne von fünf Generationen nochmals aus anderen Zeiten und Ausprägungen dokumentieren. Sie zeigen die Lebensverhältnisse auf engem Raum mit kargen Ressourcen, von sparsamem Leben in einer zur Gemeinsamkeit verpflichtenden Region, wo viele Häuser oft nur in Stockwerkshausteilen gehalten werden konnten. Großzügige Bauten wie der Rössle-Gasthof und die Rapp’sche Mühle gaben bei Kleinparzellierungen zur Nachbarschaft die Hand.

Um das Jahr 1900 prägten noch das Rössle, die Mühle und das Spritzenhaus die Vorstadt. In der Freudenstädter Straße waren in den Fünfziger Jahren die Rapp’sche Mühle, der Grüne Baum und der Konsumverein, die Metzgerei Gänssle-Widenmaier, die Seilerei Schlotterbeck und die Ankerbrauerei die prägenden Gebäude. Danach kam das Strickerhaus Schuon mit Minidurchbruch von der Waldachstraße neben der Flaschnerei Kehle um die Jahrhundertwende. In Fortsetzung befandet sich die Bäckerei Stottele, die Ankerbrücke und der äußere Stadtbrunnen, das Kaupp’sche Haus mit Holzschuppen und das Gambrinus-Wohn- und Stallgebäude am Meisterweg. Stadtauswärts zeigte sich die Brauerei zur Krone und die Tuchhandlung Butz mit Maurer Braun und Landwirt Burkhardt von 1935, und die Gärtnerei Schuster mit Linden-Garten.

Im Blick zurück konnte man das Fahrrad-Moser’sche Haus, den Schlotterbeck-Neubau und Konsumverein sowie die Metzgerei Krauß am Vorstadtplatz entdecken. So wurden aus dem Rössle der Radio-Denz, aus dem Spritzenhaus die Häfele-Firmenwiege und aus der Mühle Metzgerei Widenmaier und Schlotterbeck’s Seilerei der Busbahnhof. Das Schuon-Haus wird zum Waldachstraßendurchbruch, aus Kehle wird Multi-Kulti und das alte Schuster’sche Gärtnerhaus versinkt vor dem Lembergtunnel, während das Haus am Meisterweg zunächst zur Gambrinuswirtschaft und dann zum Edeka-Supermarkt wird.

Enge Lichtverhältnisse ließen früher manche Schatten entstehen, aber die Stadt blieb dabei sichtbar. Großzügige Hochbauten werfen auch heute wieder Schatten, aber riegeln auch manches Stadtensemble ab – eigentlich untypisch für die gewachsene Nagolder Stadtkultur.