Die Grünen-Landtagsfraktion sucht in Nagold das Gespräch mit den Bürgern. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

Grüne-Landtagsfraktion macht mit ihrer Regionalkonferenz Station im Nagolder Kubus

Von Axel H. Kunert

Nagold. Es war ein wenig wie eine After-Work-Party – die Regionalkonferenz der Grünen-Landtagsfraktion, die im Nagolder Kubus Station machte. Bei Butterbrezel und kalten Getränken ein wenig mit den Abgeordneten der Regierungspartei plaudern, den direkten Draht "zu denen da oben" nutzen. Probleme ansprechen, Nöte äußern. Real gelebte Politik eben. Zum Anfassen sozusagen.

Eingeladen dazu hatte Edith Sitzmann, Vorsitzende der Grünen im Stuttgarter Landtag. Zwei echte Landesminister wollte sie eigentlich mitbringen. Dazu eine Handvoll Abgeordnete aus den verschiedenen politischen Sachgebieten, die sich an Thementischen wie "Mobilität, Verkehr" oder "Bildung, Schule, Hochschule und Jugend" dem direkten Bürgergespräch stellen wollten. Quasi die gemeinsame Abgeordneten-Sprechstunde, um dem Volk wirklich mal aufs Maul zu schauen. Volkes Stimme abfangen. Und damit auch ein wenig das Menetekel der Besserwisser-Partei ablegen. Realpolitik "direkt am Menschen" haben sich die Grünen in Land verordnet. Denn sie wissen ganz offensichtlich: Wenn die Grünen erstmals einen Ministerpräsidenten stellen, dann muss dieses Modell unbedingt gelingen.

Da schien es richtige Brisanz zu haben, dass Grünen-Fraktionschefin Sitzmann ausgerechnet die grüne Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst mitgebracht hatte. Irgendwie ja die Vize-Kultusministerin. Und die kommt in die "Herzkammer des Pietismus", wie Nagold ja auch schon mal genannt wurde. Also ausgerechnet dorthin, von wo aus der "Besserwisser"-Bildungsplan der Regierung mit einer Bürgerinitiative zu Fall gebracht wurde. Aber Wissenschaftsministerin Theresia Bauer war diese Brisanz gar nicht bewusst. Sie war nur hier, weil sie gerade Zeit dafür hatte. Und das Thema Bildungsplan war auf einmal wieder ganz weit weg. Daher kam es nicht zum erwarteten Schlagabtausch.

Das galt auch für das Thema "Mindestlohn im Schäferei-Gewerbe". Angekündigt war nämlich auch das Kommen von Landwirtschaftsminister Alexander Bonde. Aber der hatte sich kurzfristig entschuldigen lassen. Vielleicht hatte er geahnt, dass hier einige eigentlich den Grünen gegenüber wohlgesinnte Öko-Bauern auf ihn warteten, die wie Schäfer Bernd Ziegler vom Hof Schönblick sich schon vor der Veranstaltung wegen der neuen Mindestlohnregelung und einer überbordenden Regelwut zum Tierschutz in Rage geredet hatten.

So blieb es weitgehend beim Austausch von Artigkeiten. Die Stuttgarter Politik-Prominenz lobte Nagold über den grünen Klee als Beispiel für den starken ländlichen Raum im Ländle, der Baden-Württemberg zu einem stolzen – und ziemlich reichen – Sonderfall als Bundesland mache. Oberbürgermeister Jürgen Großmann antwortete in seinem Grußwort mit noch mehr Lob für die grüne Landesregierung für deren große Unterstützung bei der so wichtigen Schienen-Anbindung des Kreises Calw an den Stuttgarter Ballungsraum. Bat aber auch darum, nicht den südlichen Kreis Calw mit eben Nagold zu vergessen, der sich ebenfalls eine bessere Vernetzung mit den großen Bahntrassen wünsche. Worauf Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Berthold Frieß, der den Abend moderierte, ganz richtig kommentierte, dass "Lob wohl die verschärfte Form der Bitte und Aufforderung" sei.

Ein wenig echte politische Leidenschaft flammte dann doch noch einmal auf, als Nagolds OB Großmann bemerkte, dass die Gäste aus Stuttgart ein Thema, das aktuell den Menschen wirklich unter den Nägeln brenne, völlig vergessen, zumindest ausgeklammert hätten: Das Thema innere Sicherheit. Es seien "viele, viele Fragen der Bürger" etwa zur holprigen Polizeireform da, zu explodierenden Einbruchszahlen und den Reaktionen der Landespolitik auf diese, für das unmittelbare Wohlbefinden der Menschen wirklich spürbare, negative Entwicklung im Land.

Vielleicht war es dieser Einwurf, der Ministerin Bauer bei ihrem Einführungsreferat das Manuskript zur Seite legen ließ. Doch in ihrer freien Rede, die wohl eine Antwort auf Großmanns Anmerkung werden sollte, sprach sie lieber von der Unsicherheit, die durch die Terror-Anschläge von Paris und Kopenhagen verursacht worden sei. Und auf die unsere Gesellschaft mit "kreativer Unruhe und Weltoffenheit" zu reagieren habe. Das klang allerdings wieder etwas sehr nach ferner Bürger-Pädagogik, nicht nach konkreten Antworten auf echte Bürgernöte.