Wer sind die Kurden? Dieser Frage ging ein Vortrag in der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten nach. Foto: Retter Foto: Schwarzwälder-Bote

"Mensch von nebenan": Vortrag über das Volk der Kurden / Bedrohung nimmt zu

Von Anne Retter

Meßstetten. Wer sind eigentlich die Kurden? Im Rahmen des Projekts "Mensch von Nebenan" fand ein Vortrag im Begegnungszentrum der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (Lea) in Meßstetten statt. Thema der Referenten Mostafa Ghazizadeh und Jahangir Hatami war der "Silberstreifen am Horizont – Kurden und die Asylsuche". Bahare Saleh übersetzte, damit alle der rund 100 Zuhörer folgen und sich mit eigenen Fragen einbringen konnten.

Kurdinnen des Frauentreffs der Lea hatten typische Speisen aus ihrer Heimat zubereitet und bewirteten das Publikum mit Kiba, Orok und Dolma. Der Vortrag ging der Frage nach, wer die Kurden eigentlich sind und welche Gründe für ihre Flucht aus der Türkei, dem Iran, dem Irak und Syrien vorliegen.

Das westasiatische Volk der Kurden hat kein eigenes Heimatland. Die etwa 25 bis 27 Millionen Menschen umfassende Volksgruppe spricht ursprünglich eine eigene Sprache, die den indogermanischen Sprachen zugerechnet wird, und ist über mehrere Staaten verstreut. Die Kurden stellen in den jeweiligen Ländern als ethnische Minderheit zwischen zehn und 20 Prozent der Gesamtbevölkerung; dazu kommen etwa 400 000 Kurden in Armenien.

Eine einheitliche Religion gibt es nicht, auch wenn die Mehrheit aus sunnitischen Muslimen besteht: Christen, Aleviten, Yarsan, Juden, Schiiten, Zaratustrianer und einige Jesiden sind ebenfalls darunter. Die Jesiden waren zuletzt immer wieder als besonders durch den IS drangsalierte Gruppierung in den Medien.

Seit rund 100 Jahren gibt es immer wieder Bestrebungen des kurdischen Volkes, Unabhängigkeit zu erreichen. 1540 war das rund 45 000 Quadratkilometer große Kurdistan zum ersten Mal geteilt worden; ein zweites Mal am 24. Juli 1923 nach Ende des Ersten Weltkriegs: Durch den Vertag von Lausanne wurde Kurdistan von den Alliierten unter Federführung der Briten und der Türkei bei der Auflösung des osmanischen Reiches auf die vier Staaten Iran, Irak, Türkei und Syrien aufgeteilt. Bis heute sind die Kurden in diesen Ländern einer stetigen Benachteiligung, Bedrohung und Vertreibung ausgesetzt, in jüngster Zeit vor allem durch den IS.

Ghazizadeh berichtete von Hinrichtungen und Folter. Schreckliche Bilder von erhängten Menschen an Baukränen, öffentlichen Auspeitschungen und zerstörten Gebäuden wurden über den Projektor projiziert. Auch in der Türkei eskaliert der Konflikt mit dem kurdischen Volk immer stärker, weil Präsident Erdogan aktuell versucht, die kurdischen Abgeordneten der HDP aus dem Parlament zu drängen.

Die Referenten fordern daher eine nachhaltige Asylpolitik und erkennen die Asylsuche als eine neue Form der Migration. Sie wünschen sich, dass den Kurden ein menschenwürdiges Leben in Deutschland ermöglicht wird. Die gegenseitige Bereitschaft zur langfristigen Integration sei dafür die Voraussetzung, sind Hatami und Ghazizadeh einig.

Der nächste Rundgang durch die Lea Meßstetten findet am Mittwoch, 20. Juli, ab 14 Uhr statt. Dazu melden sich alle interessierten Bürger per E-Mail an lea.messstetten@rpt.bwl.de oder telefonisch unter 07431/9 36 30 an.