Dribbeln, passen, schießen: Die Mädels beim VfB Obertürkheim sind auch im Training mit viel Ehrgeiz bei der Sache Foto: Baumann

Wer im Frauenfußball Karriere machen will – so heißt es –, muss gegen Jungs kicken. Eine Grätsche muss ja gelernt sein. Viele Mädchen bleiben dennoch lieber unter sich. Die Co-Trainerin der deutschen Nationalmannschaft, Ulrike Ballweg, findet das richtig gut.

Stuttgart - Emma ist ganz konzentriert. Nur keinen Gegentreffer mehr kassieren, nicht so kurz vor Spielende. Emma ist zehn Jahre alt und spielt bei den D-Juniorinnen des VfB Obertürkheim Fußball. Genauso wie Nina, Aleyna und Lara. „Es ist toll hier“, sagen sie alle. Hier, wo sie unter sich sind.

Laut den Statistiken des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kicken bundesweit zurzeit 337 288 Mädchen, 23 019 von ihnen in Württemberg. Viele der jungen Fußballerinnen müssen bei den Jungs mitspielen, weil es keine Alternative gibt. Bis zu den D-Junioren ist das erlaubt. Aber immer mehr Mädchen wollen schon früher lieber unter sich bleiben. Allein im Bezirk Stuttgart gibt es in dieser Saison 38 Mädchenmannschaften. Drei davon in Obertürkheim.

„Wir haben uns im Frauen- und Mädchenfußball einen Namen gemacht“, sagt VfB-Jugendleiter Joachim von Bassewitz. Zum einen wegen des Erfolgs. Das Damenteam hat sich in der Oberliga etabliert – wer höher spielen will, muss den Bezirk verlassen. Aber es gibt noch eine andere Erklärung: Der Club bietet Training nur für Mädchen an. Jungs müssen draußen bleiben.

„Wenn wir unter uns sind, ist es einfach besser“, sagt Nina. Sie hat schon mit Buben gespielt, auch Emma kickt ab und zu auf dem Pausenhof mit ihnen – aber im Verein gemeinsam trainieren? Nein, das wollen die Mädels nicht. Die Jungs würden härter spielen, manchmal auch unfairer, aber „vor allem spielen die nie den Ball ab“, berichten die Nachwuchskickerinnen.

Als Ulrike Ballweg (49) angefangen hat, Fußball zu spielen, hatte sie keine Wahl. „Ich kannte es gar nicht anders, als mit Jungs zu spielen“, sagt die Co-Trainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft und Trainerin der U 23. Auch die aktuellen Auswahlspielerinnen Nadine Angerer, Alexandra Popp oder Melanie Behringer haben früher alle mit und gegen Jungs gekickt. Schnelligkeit sowie Zweikampfhärte lerne man am besten im gemischten Training. Auch deshalb bestreiten die weiblichen Auswahlmannschaften des DFB immer wieder Testspiele gegen männliche Teams. Dass es von Vorteil sein kann, wenn Mädchen und Jungs gemeinsam spielen, verschweigt auch Ballweg nicht. „Wir machen unseren Spielerinnen aber keine Vorschriften. Wir schauen uns das Umfeld an und versuchen dieses zu optimieren“, erklärt sie. Im Einzelfall kann das aber auch zusätzliches Training in einer gemischten Mannschaft bedeuten.

Von reinen Mädchenteams rät Ballweg jedoch nicht ab. Im Gegenteil. „Wir freuen uns über jedes Mädchen, das Fußball spielt“, sagt sie. Jede Einzelne mehr, die dribbeln und passen kann, trägt ihren Teil dazu bei, dass im Frauenfußball eine breitere Basis entsteht. „Und es ist tatsächlich so, dass viele Mädchen nur zu uns kommen, weil sie unter sich sind“, sagt Uwe Krautter, Trainer der D-Juniorinnen beim VfB Obertürkheim. „Ohne die Mädchenmannschaften würden uns sicherlich einige Talente verloren gehen“, ergänzt Ulrike Ballweg. Und den Mädels aus Obertürkheim hat das gleichgeschlechtliche Training bisher nicht geschadet. Im vergangenen Jahr wurden sie – noch als E-Juniorinnen – Meister in der Kreisstaffel. Eine Altersklasse höher belegten sie in der Kreis-Quali-Staffel, die am vergangenen Wochenende zu Ende gegangenen ist, Platz zwei, obwohl das Team noch sehr jung ist. Einige der D-Juniorinnen seien sogar auf dem Sprung in die Verbands-Auswahl, berichtet Coach Krautter. Und auch im Training gab’s ein Erfolgserlebnis: Emma hat kein Tor mehr bekommen, die D-Juniorinnen haben das Spielchen gegen die Mädels aus der C-Jugend gewonnen. „Das ist uns zum ersten Mal gelungen“, freut sich Emma. Und das ganz ohne Jungs.