„Es ist eine Illusion zu glauben, dass ich mit immer mehr Auflagen Banken sicherer machen kann“, sagt L-Bank-Chef Christian Brand Foto: Jan Reich

Ungewöhnliche Töne von einem Spitzenbanker: Statt etwas auf Pump zu kaufen, sollen Verbraucher erst einmal sparen, sagt L-Bank-Chef Christian Brand.

- Herr Brand, die Zeiten, als die Kanzlerin ein Geburtstagsessen für einen Bankchef ausrichten ließ, sind vorbei. Heute suchen Politiker nicht die Nähe von Bankern. Wie sehr ist das Verhältnis belastet?
Die Steuerzahler mussten unendlich viel Geld in die Hand nehmen, um Banken zu retten. Das führt zu Emotionen. Von daher kann ich die Politik gut verstehen, dass sie kritischer den Banken gegenüber ist. Gut ist das nicht. Die Reaktion – Banken stärker zu regulieren – führt zum Risiko der Überregulierung. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ich mit immer mehr Auflagen Banken sicherer machen kann. Gesunder Menschenverstand ist viel entscheidender als ein Dickicht an Vorschriften, das keiner mehr überblicken kann. Es ist wie beim Autofahren: Wenn Sie zu viele Knöpfe haben, verwechseln Sie schon mal den einen mit dem anderen, und es kommt zu einem Unfall. Besser wäre es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Und das wäre?
Wichtig ist in erster Linie, das richtige Management und die richtigen Mitarbeiter in einer Bank zu haben: Welchen Charakter, welche Bodenhaftung, welchen Sachverstand haben diejenigen, die für eine Bank Verantwortung tragen? Erst dann kommt die Frage, wie viel Liquidität eine Bank vorhalten und mit wie viel Eigenkapital sie ausgestattet sein muss.
Die Regierung möchte Banken verpflichten, Kunden zu warnen, wenn Dispozinsen fällig werden. Die Deutsche Bank hat sich dagegen ausgesprochen. Verbraucherminister Maas sagt, das ermuntere ihn, das Vorhaben umzusetzen. Das sind neue Töne.
Ich finde es richtig gut,dass die Dispozinsen sehr, sehr hoch sind.
Das müssen Sie erläutern.
Es ist doch im Interesse des Kunden, dass er einen Elektroschock bekommt, wenn er sein Konto unabgesprochen überzieht. Es ist viel intelligenter, einen Ratenkredit aufzunehmen oder mit der Bank zu sprechen, ob sie den Überziehungsrahmen nicht erweitert. Das wirkt wie ein Tritt auf die Bremse, um nicht weiter in die Verschuldung zu geraten. Ich halte die Einstellung vieler Konsumenten für grundfalsch, die selbstverständlich ein neues Auto auf Pump kaufen, statt erst zu sparen und zu probieren, eine gewisse Zeit ohne Auto auszukommen oder erst mal ein kleines gebrauchtes zu kaufen.
Da sind die Banken nicht ganz unschuldig, die Kunden anschreiben und ihnen einen Kredit anbieten, um sich Wünsche zu erfüllen.
Das finde ich schrecklich. Ich würde jedem versuchen klarzumachen, wie groß der Unterschied ist, ob ich mit Schulden oder mit einem Guthaben durchs Leben gehe.
Dann betrachten Sie die Warnung vor den Dispozinsen als sinnvollen Elektroschock ?
Ich kann mir vorstellen, dass so etwas kommt und Banken dafür Gebühren nehmen. Dann kostet die Warnung den Kunden vielleicht 25 Euro.
Einzelne Politiker bedienen gern das Bild, dass die Verursacher der Krise weitermachen wie bisher und der Steuerzahler das Risiko trägt. Was daran ist wahr?
Zunächst einmal: Der weitaus größte Teil der Banken ist in Ordnung. Ich denke an gut geführte Sparkassen, Raiffeisenbanken und Privatbanken. Sie sind Mitleidende in der Krise und nicht Verursacher. Aber ich bin selbstkritisch genug, um zu sehen, dass durch die Beruhigung der Krise schon wieder zu offensiv aufs Gas getreten wird. Die Banken gehen wieder hohe Risiken ein, ohne dafür einen angemessenen Preis zu verlangen. Das ist leider auch bei Krediten an die mittelständische Industrie so, die zu günstig sind.
Der Siemens-Chef ist während der Krim-Krise nach Russland gereist und hat dafür Kritik einstecken müssen. Wie sehen Sie das?
Die Börse als Stimme der Märkte geht davon aus, dass die Krim-Annexion abgeschlossen ist. Der Besuch des Siemens-Chefs wird strategisch gut überlegt und im Zweifelsfall politisch abgestimmt sein. Aus meiner Lebenserfahrung ist es viel hilfreicher, im Gespräch zu sein. Es wird schnell nach Sanktionen gerufen. Doch letztlich ist es wie in einer Familie: Miteinander zu sprechen, einander einzubinden und etwas gemeinsam zu entwickeln ist für eine Familie essenziell, genauso wie für eine Firma und auch für Staaten. Von daher bin ich nicht empört über den Besuch des Siemens-Vorsitzenden.
Dann stimmen Sie der Kanzlerin zu, die auf Kooperation mit Russland setzt?
Die Kanzlerin hat sehr gutes Fingerspitzengefühl und meistert diese Krise hervorragend. Auf Kooperation zu setzen ist in beide Richtungen richtig: Kooperation mit Russland und Kooperation zwischen Politik und Wirtschaft.
China könnte der Gewinner der Krim-Krise sein. Chinesische Firmen könnten einspringen, wenn deutsche sich zurückziehen.
Das ist immer wieder zu hören, aber es ist gefährlich, darüber zu spekulieren, was wäre, wenn. Diese Art Säbelrasseln ist überhaupt nicht hilfreich.
In Europa sind die Weichen für eine Bankenunion gestellt. Läuft das in die richtige Richtung?
Es ist auf jeden Fall richtig, am Euro-Raum festzuhalten und zu schauen, dass wir nicht durch Spekulation von außen auseinanderdividiert werden. Die Europäische Zentralbank hat einen sehr guten Job gemacht. Eine gemeinsame Aufsicht für alle großen Banken in Europa zu haben ist richtig und notwendig, um gleiche Voraussetzungen für alle zu haben. Dagegen bewerte ich die Frage eines gemeinsamen Einlagensicherungsfonds anders. Ich sehe schlicht nicht ein, dass die L-Bank in einen Fonds einzahlt als eine Förderbank, die kein Risiko für die Märkte darstellt und die hochanständig durch die Krise gekommen ist. Ich habe nicht das geringste Verständnis dafür, dass wir das Geld, das wir brauchen, um unsere Kunden zu fördern, in einen europäischen Einlagensicherungsfonds einzahlen sollen, damit andere spekulieren können.
Die Europäische Zentralbank unterzieht derzeit die größten Banken einer harten Prüfung. Wird das künftig helfen, Finanzkrisen zu verhindern?
Es wird immer Finanzkrisen geben, aber es ist richtig, dass eine Aufsicht sich im Vorfeld die Institute anschaut, einheitliche Kriterien entwickelt und früh erkennt, wo es brennen könnte. Das ist ein Schritt, um Krisen einzelner Banken weniger wahrscheinlich zu machen, aber es ist keine Garantie.
Aus Frankreich kommt der Vorschlag, auch für kleinere Banken , die von der EZB nicht erfasst werden, einen Stresstest anzuwenden – etwa für Sparkassen und Volksbanken. Ist das sinnvoll?
Es kommt auf den Stresstest an. Er müsste auf diese regional aufgestellten Institute zugeschnitten sein.
Banker beklagen, dass die EZB Unmengen von Daten von ihnen anfordert in immer kürzerer Zeit. Das bindet Personal bei den Banken und macht letztlich deren Dienstleistungen teurer. Was bekommt der Kunde dafür?
Sichere und verlässlichere Banken, hoffe ich. Ich habe großen Respekt vor der Leistung der EZB. Wenn man Ja sagt zu einer gemeinsamen europäischen Aufsicht, dann muss man auch akzeptieren, dass Daten erhoben werden. Es ist der richtige Weg.
Was kosten Bilanzcheck und Stresstest die L-Bank?
Es wird uns einige Millionen kosten.
Sie stehen seit 2001 an der Spitze der L-Bank. Warum braucht es Förderbanken?
Es braucht Förderbanken, weil es sehr hilfreich ist, nachhaltig stabil und berechenbar wirtschaften zu können. Förderbanken können langfristige günstige Kredite geben. Sie machen das in enger Partnerschaft mit den Geschäftsbanken. Andere Länder ohne Förderbanken haben in der Krise gemerkt, wie nützlich es ist, so ein Netzwerk zu haben. In der Krise war es phänomenal, wie schnell in Deutschland Staatshilfen durch die Kanäle der Förderbanken zu den Unternehmen geflossen sind, die in Schwierigkeiten steckten. Deshalb werden in Großbritannien, Frankreich und Italien derzeit Förderbanken gegründet.
Wie lange wird es dauern, bis es eine Frau in den Vorstand der L-Bank schafft?
Ich hoffe, nicht allzu lange. Auf der Führungsebene unterhalb des Vorstandes haben wir fünf Generalbevollmächtigte, davon sind zwei Frauen. Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich wünsche mir sehr, dass die L-Bank im Vorstand bald durch eine oder mehrere Frauen bereichert wird.