Gesehen und wieder aus den Augen verloren? Auf der Facebook-Seite "Spotted Rottweil" suchen und finden sich Menschen aus der Region. Foto: Otto

"Ich suche die süße Joggerin, die mir zugewunken hat": Plattform hilft Menschen aus dem Kreis bei verpassten Gelegenheiten.

Kreis Rottweil - Manche Geschichten sind lustig, über manche schüttelt man den Kopf – manche sind aber auch richtig herzergreifend: Auf der Facebook-Seite "Spotted Rottweil" suchen Menschen aus dem Kreis nach ihrem potenziellen Herzblatt. Und 5800 andere helfen bei der Suche mit.

"Du warst gestern im Bahnhofscafé in Rottweil und bist mit einer Freundin am Fenster gesessen. Wir hatten öfter mal Blickkontakt. Dein süßes Lächeln geht mir nicht mehr aus dem Kopf." So lautet eins von vielen Postings auf der Seite. Man hat sich gesehen ("spotted"), vielleicht auch interessant gefunden – und leider die Chance verpasst, den anderen näher kennenzulernen. Der eine hat seine Traumfrau im Zug gesehen, der andere beim Joggen. Eine junge Dame sucht den süßen Typ, der ihr jeden Morgen im Auto entgegenfährt und zuzwinkert, einer anderen geht ihr unbekannter Nebensitzer aus dem Fastfood-Restaurant nicht mehr aus dem Kopf.

"Ich suche die süße Joggerin, die mir zugewunken hat"

Das sind Situationen, in denen die Macher von "Spotted Rottweil" helfen wollen. Wer ihnen seine Situation in einer Nachricht glaubhaft schildert, wird auf der Seite veröffentlicht. Und die kollektive Suche der derzeit 5826 Fans beginnt. Auf wen im Bekanntenkreis passt die Beschreibung? Wer fährt das entsprechende Auto? Bin ich vielleicht selbst gemeint?

"In mindestens 70 Prozent der Fälle wird der Gesuchte auch gefunden", erklären die beiden 25-jährigen Betreiber der Seite im Interview mit unserer Zeitung. Das liege daran, dass so viele Leute aus der Region die Seite verfolgen und bei der Suche mithelfen. Ob aus dem virtuellen Treffer dann auch ein Treffer im richtigen Leben wird, wissen sie allerdings nicht. Wenn sich aber zwei Menschen gleichzeitig suchen, was immer wieder vorkomme, sei die Chance groß, dass was daraus wird.

Zwischen zehn und 20 Nachrichten trudeln bei den Machern von "Spotted Rottweil" am Tag ein. Das Meiste sei ernst gemeint, manches wird aber auch aussortiert. "Anfragen, die andere verletzen könnten, lehnen wir ab", sagen sie. Auch wenn es nach einem gefälschten Account aussieht, landet die Anfrage im Papierkorb. Bei erfolgreichen Such-Aufrufen stellen die Macher im Hintergrund den Kontakt her – und hoffen natürlich auf ein Happyend.

"Egal wer dich so zum Weinen gebracht hat, vergiss diesen Kerl"

Ein ganz schöner Aufwand also, dabei betreiben die beiden jungen Männer – weil sie beide in Rottweil bekannt sind, wollen sie lieber nicht namentlich in Erscheinung treten – die Facebook-Seite "nur zum Spaß", wie sie sagen. Oft würden sie die Mails in "nicht so spannenden Vorlesungen" beantworten. Geld verdienen sie damit nach eigenem Bekunden nicht.

Gemäß den "Spotted"-Vorbildern aus anderen Städten haben sie bereits 2013 "auch aus Eigeninteresse" mit "Spotted Tuttlingen" begonnen, ein Jahr später kam die Seite für die Region Rottweil dazu. Und immer mehr Menschen sind "Fans".

Aber warum hat die Seite so viel Erfolg? Schließlich wäre es doch viel einfacher, denjenigen direkt anzusprechen, wenn man ihn sieht? "Wir denken, dass es eine Mischung aus Schüchternheit und schlechter Gelegenheit ist, jemanden anzusprechen", sagen die Macher. Manchmal sei die Situation unpassend, oder man ist im Zeitdruck.

"Spotten" sei die einfache Lösung. "Wir scheinen da wohl ein wichtiges Bedürfnis getroffen zu haben." Hinzu dürfte die Tatsache kommen, dass die virtuelle Abfuhr nicht so weh tut. Denn nicht selten steht unter der Suchmeldung dann auch: "Den kenn’ ich – der ist vergeben." Oder: "Die Frau, die du suchst, ist meine Freundin. Also lass es!"

"Denn kenn' ich - der ist vergeben"

Und es gibt auch Kurioses, wie die Macher erzählen: "Erst kürzlich hat sich eine Frau selbst gesucht. Wir dachten, wir fragen sie mal, warum sie das macht. Sie erklärte uns, dass es in der Beziehung nicht mehr läuft und sie ihrem Freund klar machen wollte, was er verpasst." Man habe lange mit ihr geredet und sie überzeugen können, dass das der falsche Weg ist.

Auch sie selbst seien schon mal "gespotted" worden – was zu einer witzigen Situation geführt habe. Für die größte Resonanz bislang sorgte jedoch der Eintrag eines jungen Mannes, der beim Bösinger Weinfest beobachtet hatte, wie eine junge blonde Frau hemmungslos weint. "Ich wollte dir hiermit auf den Weg geben: Egal, wer dich so zum Weinen gebracht hat, vergiss diesen Kerl. Denn jede vergossene Träne ist eine zu viel." Ansonsten, so droht er spaßeshalber, packe er seine gefürchteten Grimassen aus... Mehr als 40.000 Menschen hat dieses Posting bei Spotted Rottweil erreicht, viele waren ganz gerührt und haben ihre Kommentare hinterlassen.

Wie die Geschichte im wahren Leben ausging, bleibt dahingestellt. Für mehr als 400 "Likes" reichte es allemal.