Durch Schockanrufe von Litauen aus werden älteren Menschen von einer mafiösen Bande meist mehrere tausend Euro abgeknöpft. Foto: Freeimages

36-Jähriger betrügt ältere Mitbürger aus Russland. Nach Hiobsbotschaft am Telefon meist schnelle Geldübergabe.

Kreis Rottweil - Das Telefon klingelt. Auf russisch wird von einem Unfall schwadroniert, den Sohn oder Enkel verursacht hätten. Ein fremdes Kind sei dabei schwer verletzt worden. Um dem Unfallverursacher aus der Patsche zu helfen, brauche man viel Geld, sagt ein vermeintlicher Anwalt bei diesem Schockanruf.

Viel Geld soll bedeuten: So viel, wie im Haus in kurzer Zeit zu beschaffen ist. So werden bei den acht vollzogenen Taten zwischen dem 25. Januar in Lahr und dem 19. Februar (zwei Mal in Altensteig) – eine fand am 31. Januar in Rottweil statt – insgesamt 27.000 Euro von älteren Leuten kassiert, die angesichts der aufgetischten üblen Unfallgeschichten kaum kritisch nachfragten und in der Meinung, einem nahen Angehörigen dringend helfen zu müssen, in die Falle tappen und teilweise anstandslos mehrere tausend Euro an einen "Abholer" überreichen.

Dieser verschwindet meist schnell und ohne ein Wort zu wechseln. Die auf so schmähliche Art Betrogenen kontaktieren zwar meist kurz nach der Aktion ihre Angehörigen, um plötzlich zu erfahren, dass sie übel reingelegt wurden. Das komische Gefühl wird bestätigt, doch zu spät, das ganze Geld ist weg.

Wenn man sich in die Panik hineindenkt, die ein solcher aus Litauen inszenierter Anruf auslöst und auch in Betracht zieht, dass der "Anwalt" wert darauf legt, die auserkorenen Opfer – meist russlandstämmige Mitbürger – bis zum Abholen des Geldes ans Telefon zu binden, wird in etwa verständlich, dass von den meisten auf die Vorschläge treuherzig eingegangen wird. Der "Anwalt" versucht bei seinem Manöver aus der Ferne auch glauben zu machen, dass er das Telefon zwischendurch an den angeblich ebenfalls verletzten Unfallverursacher – also den nahen Angehörigen – übergibt. So nuschelt einer mit dem Hinweis, dass er wegen einer Gesichtsverletzung nicht richtig sprechen kann, weinerlich Mama oder Oma hilf mir in den Fernsprecher.

Eine Großmutter holt schließlich mehrere tausend Euro, die sie "für meine Beerdigung gespart" hat, aus dem Sparstrumpf. Eine andere – sie kommt mit Rente und Wonhgeld auf 650 Euro im Monat – klingelt bei der Nachbarin und leiht sich 3000 Euro. Zwei Beispiele, die auch hinsichtlich der anderen sechs Fälle, die jetzt vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Rottweil in Bezug auf einer 36-jährigen litauischen Angeklagten aufgerollt werden – gut ins Bild passen.

Der Mann soll unter Anleitung von in Litauen ansässigen Drahtziehern vor Ort in Deutschland agiert und dabei sogenannte "Läufer", die in den Wohnungen der ausgesuchten Opfern "ferngesteuert" meist mehrere tausend Euro abkassieren mussten, kontrolliert haben. Gefasst wurde er am 10. März in Wertheim, als die resolute Tochter eines vermeintlichen Opfers die Geldübergabe gerade noch verhindern konnte. Der in die Flucht geschlagene "Läufer" führte das Opfer dirket zum im Hindergrund wartenden Kompagnon.

"Hallo Mama" heißt der zynische Name des kriminellen Geschäftsmodells

Offenbar steht das kriminelle Geschäftsmodell mit dem zynischen Namen "Hallo Mama" in Litauen hoch im Kurs. Am Mittwoch nun wurde in Rottweil der Prozess wegen gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs gegen diesen einen Täter eröffnet. Verfahren gegen andere sind an anderen Gerichtsstandorten anhängig. Über die Hintermänner in Litauen wird von gefassten Bandenmitgliedern vor Ort meist Stillschweigen bewahrt, so dass sich diese zunächst einmal vor der Justiz gut versteckt fühlen können.

Nachdem sich die Kammer unter dem Vorsitz von Karl-Heinz Münzer mit Staatsanwalt und der beklagten Partei am Mittwoch zur Straffung des Verfahrens auf eine Verständigung einigte, der aber ein umfassendes Geständnis des Angeklagten zugrunde gelegt werden muss, wurde ein "Rabatt" beim Strafmaß in Aussicht gestellt. Jedoch soll es noch mindestens drei Jahre und fünf Monate betragen.

Während der 36-Jährige, der bereits vor einigen Jahren wegen Betrugs in Spanien zu einer längeren Haftstrafe verurteilt worden war, alle Tatbeteiligungen bei den Opfern in Lahr, Landau, Baden-Baden, Rottweil, Altensteig und Wertheim einräumt, will er zu den Hintermännern keine Aussagen machen – wohl auch aus Angst um die Gesundheit in Litauen lebender Angehöriger.

Der auf drei Verhandlungstage angesetzte Prozess wird am 8. Dezember fortgesetzt. Den zunächst als Zeugen geladenen Opfern werden Zeugenaussagen erspart. Stattdessen werden die Vernehmungsprotolle verlesen.