Der noch amtierende Innenminister Reinhold Gall lässt ausrichten, man halte am Tuttlinger Polizeichef fest. Foto: Seeger

Stuttgart sieht keinen Anlass, Ulrich Schwarz das Vertrauen zu entziehen. Chef scheidet im Herbst altersbedingt aus.

Kreis Rottweil - Das Innenministerium steht zum Tuttlinger Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz. Es habe keinen Anlass, das Vertrauen in ihn in Zweifel zu ziehen. Die Polizeireform sei notwendig und überfällig gewesen und habe die Polizei schlagkräftiger gemacht, heißt es weiter. Das Haus des noch amtierenden Innenministers Reinhold Gall stellt sich vor den Tuttlinger Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz.

Personalie Schwarz In der Stellungnahme, die das Ressort auf Anfrage des Schwarzwälder Boten erstellt, heißt es: "Das Innenministerium hat auch nach der aktuellen, uns nur über Medien bekannt gewordenen Kritik keinen Anlass, das Vertrauen in Polizeipräsident Schwarz in Zweifel zu ziehen." Es äußert sich auch auf den bevorstehenden Ruhestand von Schwarz. Eine Nachfolgeregelung gibt es demnach noch nicht: "Entscheidungen bezüglich der Besetzung der Leitung des PP TUT (Polizeipräsidiums Tuttlingen) nach dem altersbedingten Ausscheiden von Herrn PP (Polizeipräsident) Schwarz im Herbst diesen Jahres wurden noch nicht getroffen. Der Dienstposten wird zu gegebener Zeit ausgeschrieben."  

Bodenseereise Bezüglich des Vorwurfes, Schwarz habe bei einer Reise an den Bodensee mit treu Ergebenen seinen bevorstehenden Ruhestand vorgefeiert, schreibt das Ministerium, das bedürfe einer "deutlichen Klarstellung": Bei der Veranstaltung "handelte es sich unseres Wissens um das ›Seminar Gesundheitsorientiertes Führen‹, das zum Standardfortbildungsprogramm der Hochschule für Polizei bei der Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmanagements gehört und allen Dienststellen der Polizei Baden-Württemberg angeboten wird.

Bei dem Veranstaltungsort handelt es sich zwar namentlich um ein Schloss, aber das Haus St. Josef (Schloss Hersberg) ist ein Kloster und bietet themenorientierte Unterbringungsmöglichkeiten zu einem Preis an, der deutlich unter dem von Tagungshotels liegt. Die Teilnehmer waren zudem keine Angehörige des unmittelbaren Umfelds des Polizeipräsidenten, sondern der operativen Führungsebene, also Polizeirevierleiter und Inspektionsleiter der Kriminalpolizei."  

Personalsituation Erwartungsgemäß wird die Strukturreform als "notwendig und überfällig" gerechtfertigt und betont, dass dadurch das Personal vor Ort gestärkt worden sei: "Ein wesentliches Ziel war bei allen Polizeirevieren des Landes, mit mindestens zwei zusätzlichen Planstellen eine Erhöhung der tatsächlichen Personalstärke vor Ort zu erreichen. Dieses Ziel wurde beim PP TUT erreicht.

Alle Polizeireviere des Polizeipräsidiums weisen gegenüber dem Referenzstichtag 1. Dezember 2012 zwei zusätzliche Stellen auf (beim Polizeirevier Donaueschingen drei). Unter Hinzurechnung der Freisetzungspotenziale durch die Reform weisen sechs der 14 Reviere drei zusätzliche Stellen auf und ein Revier sogar vier. Gemessen an der Stichtagserhebung 2. Juli 2012 im Verhältnis zum Stichtag 1. Juli 2015 bedeutet dies einen Zuwachs in der tatsächlichen Stärke von 704,61 Personen auf 735,41 Personen."  

Mehrarbeit "Unter Berücksichtigung der bereits zum Jahresbeginn 2015 noch vorhandenen ›alten‹ Mehrarbeitsstunden belief sich mit Ablauf des Jahres 2015 der Gesamtmehrarbeitsstundenbestand beim PP TUT dadurch auf rund 69 600. Dies entspricht einer statistischen ›Pro-Kopf-Belastung‹ je Haushaltssollstelle PVD von rund 54,9 Stunden. Das PP TUT liegt damit nur geringfügig über der statistischen ›Pro-Kopf-Belastung‹ je Haushaltssollstelle PVD im Landesschnitt der Polizei (rund 53,9 Stunden)."  

Kultur des Kritisierens "Dem Vorwurf, wer Kritik äußere, würde bei anstehenden Beförderungen nicht berücksichtigt, ist zu entgegnen, dass Beförderungen klaren Regelungen und rechtlichen Erfordernissen unterliegen. Sie sind keine Entscheidungen einzelner Personen und sie richten sich grundsätzlich nach der Leistung, Eignung und Befähigung der jeweiligen Beamten. Darüber hinaus erfolgt die Beförderungsauswahl auch unter Beteiligung der Personalvertretung."

"Die Polizei Baden-Württemberg hat den Anspruch an sich selbst, ein moderner Arbeitgeber zu sein. Dazu gehört ein offener Umgang mit Kritik – auch aus den eigenen Reihen, ohne dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei dadurch Nachteile jeglicher Art befürchten müssen. Dieser Anspruch ist in den Leitbildern der Polizei Baden-Württemberg fest verankert: ›Nur gemeinsam erreichen wir unsere Ziele – Kritikfähigkeit und Zivilcourage gehören untrennbar dazu‹. Diesen seit 1995 gültigen Leitbildern fühlt sich die Polizei auch heute noch verpflichtet. Der offene Umgang mit Kritik ist fester Bestandteil einer modernen Organisation und ist insbesondere bei den zukünftigen Führungskräften ein wesentliches Element in der Ausbildung."

Kommentar: Weit entfernt

Von Armin Schulz

So etwas würden sich die rund 1600 Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Tuttlingen auch wünschen: dass ihr Chef sich für sie einsetzt. Das Innenministerium stellt sich vor den in die Kritik geratenen Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz. Ein bisschen. Denn die Antwort aus Stuttgart auf die Frage, ob Schwarz das uneingeschränkte Vertrauen des noch amtierenden Ministers genieße, fällt defensiv aus. Man habe keinen Anlass an ihm zu zweifeln. Dies deshalb nicht, da die Kritik lediglich über die Medien bekannt geworden sei. Da stellen sich zwei Fragen: Hört das Ministerium weg, wenn Personalrat und Polizei-Gewerkschaften sich über den Tuttlinger Polizeichef beschweren? Und glaubt man in Stuttgart im Ernst, ein Streifenpolizist ruft mal so eben im Ministerium an und sagt, was Sache ist? Auch das ein Zeichen dafür, wie weit die Polizei-Spitze von der Basis entfernt ist.