Veränderte Schülerströme wirken sich deutlich aus / Gymnasiale Profile bieten neunjährigen Weg zum Abitur / Beratung ist wichtig

Kreis Rottweil - Der Wandel im Bildungssystem trifft auch die beruflichen Schulen im Landkreis spürbar. "In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Mittelstufenbereich halbiert, der Oberstufenbereich verdoppelt", sagt der geschäftsführende Schulleiter Axel Rombach. Die Schulen reagieren entsprechend – und neue Chancen ergeben sich. Wer die krassen Verschiebungen der Schülerströme nach der Grundschule auf die weiterführenden Schulen verfolgt, der kann erahnen, dass sich dies zeitversetzt auch in den beruflichen Schulen niederschlägt. Der demografische Wandel und das "Streben nach einem höheren Bildungsabschluss", so Rombach, hätten dafür gesorgt, dass beispielsweise die Berufsfachschulen im Kreis einen starken Rückgang erleben. Sie waren einst nach der Hauptschule der klassische und sehr erfolgreiche Weg zur Mittleren Reife, Berufsorientierung inklusive.

Doch davon wollen Schüler – beziehungsweise deren Eltern – heute kaum mehr etwas wissen. Die aktuellen Übergangszahlen an die weiterführenden Schulen (wir berichteten mehrfach) zeigen, dass das Abitur mehr und mehr als Nonplusultra gilt. Eine Entwicklung, die Axel Rombach durchaus mit gewisser Skepsis sieht – zum einen, weil er aus Erfahrung weiß, dass dieses Streben nach dem Abitur "nicht immer zielführend" ist, zum anderen, weil sich dies auch auf die Zahl von Auszubildenden an den Berufsschulen als qualifizierte Fachkräfte für den Landkreis auswirkt.

Der geschäftsführende Schulleiter aller beruflichen Schulen im Kreis und seine Kollegen in Rottweil, Schramberg, Oberndorf und Sulz kümmern sich intensiv darum, auf die Entwicklung zu reagieren: Das Angebot an beruflichen Gymnasien und Berufskollegs im Kreis wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut. Und die Ausrichtungen sind vielfältig: ernährungs- oder sozialwissenschaftlich, biotechnologisch, Wirtschaftsgymnasium oder Technisches Gymnasium mit wiederum verschiedenen Profilen. "Unser Interesse ist es, möglichst gut und breit aufgestellt zu sein", sagt auch Gerald Kramer, zuständiger Schuldezernent im Landratsamt. Dies lasse sich der Landkreis auch bezüglich der Ausstattung einiges kosten.

Sowohl er als auch Axel Rombach heben einen Aspekt besonders hervor: In Zeiten des nicht allzu beliebten G8 bieten die beruflichen Gymnasien die Möglichkeit, das Abitur in neun Jahren zu erwerben. "Zudem können die Schüler durch die spezielle Ausrichtung in der Oberstufe bereits ihren beruflichen Neigungen nachgehen, das stärkt bei vielen die Motivation", so Gerald Kramer.

Und auch die neue Gemeinschaftsschule lässt sich mit den beruflichen Schulen gut verzahnen: "Wir sehen uns als die Schule, die die Gemeinschaftsschüler nach der neunten oder zehnten Klasse aufnimmt", so Axel Rombach. Ob und wie die Sekundarstufe II der neuen Gemeinschaftschulen – bis jetzt Schramberg, Dunningen und Deißlingen – vor Ort umgesetzt werden kann, steht in der Tat bislang noch in den Sternen. Die beruflichen Gymnasien sehen sich hier bestens vorbereitet, denn: "Das sind die Schüler, die früher eben nach der Realschule zu uns kamen", sagt Rombach. Die Anmeldezahlen im beruflichen Gymnasium und im Berufskolleg sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Um jedem Schüler ein Platz zu garantieren, kooperieren die beruflichen Schulen im Kreis eng miteinander.

Allerdings setzen sie auch auf eine intensive Beratung, die dann womöglich einen ganz anderen Weg aufzeigen kann. "Wenn eine Überforderung ersichtlich ist, beraten wir auch in eine Ausbildung hinein", erklärt Axel Rombach.

Nicht zuletzt trage das erfolgreiche duale Modell Berufsschule/Betrieb und das entsprechende breite Angebot an Berufsschulen im Kreis dazu bei, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Landkreis Rottweil sehr gering ist. "Wir unterstützen den Weg in die Ausbildung, um der regionalen Wirtschaft qualifiziertes Fachpersonal bieten zu können", sagt Rombach. Immerhin gelte erfahrungsgemäß: Berufsschüler bleiben in der Region, Abiturienten sind irgendwann weg. Um Berufsschüler zu locken, biete man verschiedene Zusatzqualifikationen oder für Abiturienten eine verkürzte Ausbildungszeit.

Es ist ein schwieriger Kampf: Die Zahlen an den Berufsschulen im Kreis sind rückläufig, die Klassenmindestgröße von 16 Schülern wird manchmal zum Problem. Mit Klassenzusammenlegungen versuche man, die Ausbildungsbereiche zu halten. "Betriebe wollen eine ortsnahe Beschulung", weiß Axel Rombach. Ist dies nicht gegeben, fallen auch die Ausbildungsplätze weg.

An allen beruflichen Schulen – Nell-Breuning-Schule und Erich-Hauser-Gewerbeschule Rottweil, Berufsschulzentrum Oberndorf-Sulz sowie Friedrich-Ebert-Schule und Ludwig-Erhard-Schule Schramberg-Sulgen – wird deshalb rührig daran gearbeitet, aktuellen Anforderungen optimal zu entsprechen. Dazu sollen auch bauliche Maßnahmen beitragen: In Sulgen werden derzeit neue Aufenthaltsflächen und ein Bibliotheksbereich angebaut, ähnliches wird in Rottweil verwirklicht.

Letztendlich liegt es wie immer an den Schülern und ihren Eltern, den richtigen Weg für sich auszuloten. Umfassende Information in alle Richtungen kann dazu jedenfalls nicht schaden.

Wandel im Bildungssystem