Der Gärtringer Schlachthof machte bundesweit Schlagzeilen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Nach einem Schock-Video der Soko Tierschutz wurde der Schlachthof Gärtringen im Jahr 2020 stillgelegt. Jetzt sollen auch mit Geld aus dem Kreis Calw die Weichen für einen Neuanfang gestellt werden.

Persönlicher Fleischkonsum – oder eben gerade nicht – scheint irgendwie immer mehr zu einem Politikum zu werden. Auch in der öffentlichen Diskussion, beispielsweise im Calwer Kreistag. Da ging es eigentlich um eine Beteiligung des Landkreises am seit August 2020 geschlossenen Schlachthof Gärtringen.

Der wird aktuell mit Millionen-Aufwand grundlegend saniert, die veranschlagte Investitionssumme für die Wiederinbetriebnahme wird dabei mit insgesamt circa 10,8 Millionen Euro taxiert. Federführend dabei ist der Kreis Böblingen.

Wortlaut der Sitzungsvorlage im Calwer Kreistag: „Der Landkreis Böblingen hat den Landkreis Calw um Unterstützung in einer interkommunalen Partnerschaft gebeten und hierfür eine Übernahme der Böblinger Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 500 000 Euro angedacht.“

Willfurth: Kein Fleisch bezuschussen

Totales „NoGo!“, so die Grüne Kreisrätin Nele Willfurth. Es könne nicht sein, dass „wir Fleisch bezuschussen“. Was zuvor auch Kreisrat Jochen Borg (CDU; „Ich werde aus gewissen Gründen nicht zustimmen.“) verblüffen konnte: „Ich wusste gar nicht, dass Schlachthöfe Aufgabe des Kreises sind!?“ Was ihm zwar grundsätzlich einleuchte – von wegen der Regionalität. Aber Borg interessierte vor allem, wie sich die betroffenen (landwirtschaftlichen) Betriebe denn seit Schließung des Schlachthofes in Gärtringen umorientiert hätten.

Mutmaßlich, so wahrscheinlich Borgs Überlegung, weil – wenn’s auch ohne Gärtringen im Moment läuft – man die Wiedereröffnung dort vielleicht gar nicht bräuchte.

Auch Simon Klass (CDU) konnte „der Vorlage nicht zustimmen“, weil er im Betrieb eines Schlachthofes „keine Aufgabe des Staates“ sehe. Es gebe „genug andere“ Pflichten, weshalb dieses Problem „die Metzgereien selber regeln“ müssten.

Schließlich wollte auch Dieter Kömpf (FWV) der Vorlage so „nicht zustimmen“, weil eben die bisherige Eigentümerin des Schlachthofes, die Gärtringer Schlachthof-Genossenschaft, das Unternehmen selbst „kaputt gewirtschaftet“ hätte. Für diese Fehler sollte die öffentliche Hand nicht einstehen.

Es bleibt bei vier Gegenstimmen

Womit aber auch alle negativen Statements im Calwer Kreistag zu diesem Thema vereint waren – wie die letztendliche Abstimmung zeigen sollte: Bei vier Gegenstimmen wurde der Antrag der Verwaltung angenommen. Der noch einen kleinen, aber sehr speziellen „Pferdefuß“ für den um Hilfe bittenden Böblinger Landrat beinhalten sollte – Wortlaut des eigentlichen Beschlussvorschlags: „Die finanzielle Beteiligung in Höhe von 500 000 Euro soll mit dem Zuschuss zur Hermann-Hesse-Bahn seitens des Landkreises Böblingen verrechnet werden. Alternativ erfolgt ein Zuschuss in Höhe von 200 000 Euro als Einmalzahlung.“

Letzteres meint, so zitierte Radio SWR4 am Dienstag eine Sprecherin des Kreises Calw: Sollte Böblingen von einer (seit Jahren zugesagten) Beteiligung an der Hessebahn (doch noch) Abstand nehmen, würde der Kreis Calw nur 200 000 Euro zum Schlachthof beisteuern.

Frage von Kreisrat Lothar Kante (SPD), der mit Blick eben auf die Hessebahn diesen Schachzug des Calwer Landrats „didaktische richtig“ fand, direkt an Helmut Riegger: „Haben Sie das so vorab besprochen mit dem Kreis Böblingen?“ Das zugehörige Grinsen von Riegger kam offensichtlich von Herzen: „Nein!“, so seine Antwort.

Der Gärtringer Schlachthof

Der Schlachthof in Gärtringen war im August 2020 bundesweit negativ in die Schlagzeilen geraten, nachdem der Münchner Verein „Soko Tierschutz“ dort mit einer versteckten Kamera Misshandlungen von Tieren dokumentiert und Fehler bei der Betäubung festgestellt hatte. Deswegen und wegen verschiedener weiterer Mängel hatte der Böblinger Landrat den Schlachthof geschlossen, seinerzeit gegen dem Willen des baden-württembergischen Landwirtschaftsministers.

Ursprünglich wollten auch der Kreis Tübingen und die Stadt Rottenburg sich mit zusammen einer Million Euro an der Sanierung des Gärtringer Schlachthofes beteiligen, was jedoch nach einem Bürgerentscheid Anfang diesen Jahres in Rottenburg pro eines eigenen Schlachthofes hinfällig wurde.

Seitdem sucht der Kreis Böblingen nun neue Unterstützer, allerdings haben auch der Enzkreis und der Landkreis Ludwigsburg bereits abgewunken. Aktuell sollen nun noch Gespräche mit dem Kreis Freudenstadt neu aufgenommen werden.