Blick auf das Kernkraftwerk Philippsburg. Foto: dpa

Das unmoralische Angebot der Energiekonzerne, ihr gesamtes Atomgeschäft in eine öffentlich-rechtliche Stiftung und damit dem Bund zu übertragen, ist eine Dreistigkeit: Die Politik darf Atomkonzerne nicht aus der Verantwortung entlassen, findet Politikredakteur Steffen Rometsch.

In acht Jahren ist die Ära des Atomstroms in Deutschland zu Ende. Dann soll das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen. Anschließend wird die Rechnung für die Jahrzehnte der angeblich so billigen Energie präsentiert. Diese Rechnung gleicht einer Bombe, von der keiner weiß, wann sie explodiert und wie groß die Sprengkraft sein wird. Keiner kann heute seriös sagen, was es kostet, die einstigen AKW-Goldesel zu entsorgen. Ganz zu schweigen von einem noch nicht einmal ansatzweise gefundenen Endlager, dessen Bau und Unterhalt auch noch finanziert werden müssen.

Das unmoralische Angebot der Energiekonzerne, ihr gesamtes Atomgeschäft in eine öffentlich-rechtliche Stiftung und damit dem Bund zu übertragen, ist daher an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Jahrzehntelang haben EnBW, Eon, RWE und Vattenfall mit dem Atomstrom enorme Gewinne gescheffelt. Nicht zuletzt dank Milliardensubventionen der Steuerzahler. Nach Berechnungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace flossen in den Jahren zwischen 1950 und 2010 mehr als 200 Milliarden Euro an Steuermitteln in die Atomkraft.

Diese Summe dürfen sich alle Kritiker noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, die jetzt über die Förderung der erneuerbaren Energien klagen. Denn im Gegensatz zu Wind-, Wasserkraft- und Solaranlagen ist das, was bei der Produktion von Atomstrom übrig bleibt, richtig teuer.

„Sicher und billig“, so lautete jahrelang das Verkaufsargument der Atomlobbyisten. Längst ist klar, dass beides eine Lüge ist. Die Sicherheit explodierte erst in Tschernobyl 1986, dann in Fukushima 2011. Und mittlerweile dämmert es selbst den Konzernbossen, dass die Entsorgung der Meiler nicht nur teuer, sondern unberechenbar wird. Deshalb wollen sie dieses Risiko jetzt auf den Staat und die Gesellschaft abwälzen.

Doch dieses Geschäftsmodell, das schon bei der Bankenrettung verheerende Folgen hatte, darf nicht noch einmal aufgehen. Die Energiekonzerne müssen für den Ausstieg zahlen – und zwar komplett und ohne Hintertür. Das Verursacherprinzip muss gewahrt bleiben.

Die Bundesregierung hat die Überlegungen der Unternehmen zwar zurückgewiesen und betont, dass es weder Verhandlungen noch Beschlüsse zu dem Thema gebe. Doch das reicht nicht aus. Sie muss die Abwicklung der strahlenden Reaktoren aktiv absichern. Sie darf sich nicht darauf verlassen, dass schon alles gutgehen wird. Die Politik muss handeln.

Zwar haben die Energieunternehmen entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung Rücklagen in Höhe von knapp 36 Milliarden Euro gebildet. Doch diese Summe ist nicht in bar greifbar. Sie ist in Bilanzen verschleiert, in Firmenbeteiligungen oder Kohlekraftwerke investiert. Dieses Geld muss schnellstens in einen staatlichen Fonds überführt werden, um so dauerhaft zu verhindern, dass die Rückstellungen eines schönen Tages in der Insolvenzmasse der Betriebe verschwinden.

Denn so wie es einst undenkbar schien, dass Großbanken Staatshilfe benötigen, galt es lange als ausgeschlossen, dass ein Atomkraftwerksbetreiber pleitegeht. Das hat sich durch die Energiewende, die diese Konzerne viel zu lange komplett ignoriert haben, geändert.

Die Regierung muss klare Kante zeigen. Sie darf sich nicht von den reflexhaften Drohungen eines Arbeitsplatzabbaus oder den Regressforderungen beeindrucken lassen, an deren Erfolg die Industrie offenbar selbst nicht recht zu glauben scheint. Schon immer hat es die Atombranche gut verstanden, die finanziellen Risiken ihres Geschäfts der Allgemeinheit aufzubürden, die saftigen Gewinne aber für sich einzustreichen. Damit muss Schluss sein.

s.rometsch@stn.zgs.de