Stuttgart - Wer gut aussieht, hat Vorteile im Bewerbungsgespräch, bekommt in der Bank eher einen Kredit, wird im Restaurant von der Kellnerin schneller bedient, die wiederum, falls sie attraktiv sein sollte, ein höheres Trinkgeld kassiert. All das haben Wissenschaftler bewiesen. Die Schönen werden bevorzugt.

Das gilt offenbar auch für die Politik. Ein Team um den Düsseldorfer Soziologen Ulrich Rosar hat den Zusammenhang von physischer Attraktivität und Wahlerfolgen untersucht. Das wenig überraschende Ergebnis lautet: Der Zusammenhang ist stark, sehr stark. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war das Aussehen sogar das zweitwichtigste Kriterium. Nur die individuelle Bekanntheit der Kandidaten ist noch wichtiger als ihr Äußeres. Immer öfter regiert also der schöne Schein. Das ist doch empörend, oder?

Im Zweifel für den Schöneren

Nein, ist es nicht. Wer im Leben oder beim Wählen rasch entscheiden muss und schlecht informiert ist, verlässt sich auf ein diffuses Gefühl. Im Zweifel für den Schöneren. Das ist menschlich. In der Psychologie spricht man vom Attraktivitätsstereotyp, wenn schönen Menschen auch deutlich bessere Charaktereigenschaften zugeschrieben werden.

Das vor allem in Deutschland lange vorherrschende Politikerideal des kassengestelltragenden Aktenfressers im Anzug von der Stange ist spätestens mit dieser Studie ad acta gelegt. Zum Glück, denn auch das war lange Zeit nur ein Vorurteil: dass nachlässig gekleidete oder betont unmodisch auftretende Politiker die besseren Repräsentanten seien. Letztlich gilt: Nur wer sich als Wähler gründlich informiert, fällt nicht auf den äußeren Schein herein.

Hintergrund zur vorliegenden Studie

Studie Seit 2002 untersucht Professor Ulrich Rosar, Dekan der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, den Zusammenhang zwischen physischer Attraktivität und dem Wahlerfolg. Insgesamt wurden 1786 Politiker aller Parteien von einer 24-köpfigen Jury (zwölf Frauen, zwölf Männer) bewertet. Das Ergebnis: Im Vergleich zu den Wahlen 2012 bis 2013 hatte bei der Bundestagswahl 2017 die Attraktivität den bis dato größten Einfluss. Lediglich der individuelle Bekanntheitsgrad des Kandidaten ist noch wichtiger als seine Attraktivität.

Gewinner Von den zehn prominenten Spitzenkandidaten der SPD, CDU, CSU, FDP, Grünen und AfD landete Sahra Wagenknecht (Linke) als attraktivste Politikerin auf Platz eins, gefolgt von Christian Lindner (FDP) und Alice Weidel (AfD). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt auf Rang neun, SPD-Chef Martin Schulz auf acht. Schlusslicht ist Alexander Gauland (AfD). Dass die Bundeskanzlerin in der Attraktivitätsskala noch weit hinter Martin Schulz landete, konnte sie durch ihre Bekanntheit wettmachen.