Albrecht Moritz setzt sich mit Heinrich Böll auseinander, der am 19. Juli 1985, also vor fast genau 30 Jahren, starb. Foto: Kommert Foto: Schwarzwälder-Bote

Albrecht Moritz stellt das Leben Heinrich Bölls vor

Königsfeld (hjk). "Ich habe zunächst Heinrich Böll recht unkritisch gesehen, bevor ich mich mit seiner Person beschäftigt habe", gestand Albrecht Moritz, ehemaliger Deutschlehrer, anlässlich seines Vortrags an der Zinzendorfschule. Ein "unbequemer Mahner" sei er im Laufe seiner recht kurzen Lebenszeit geworden, der nicht nur die Politik an den Pranger stellte, sondern auch die Amtskirche – obwohl er einst ein Katholik mit Herzblut gewesen sei. "Ich schätze den frühen Böll, stehe jedoch dem späten eher kritisch gegenüber", bekannte er. Gegen Ende habe er mehr und mehr anarchische Züge gezeigt, sei ein moralischer Wüterich geworden. 1976 trat er aus der katholischen Kirche demonstrativ aus, "ohne jedoch vom Glauben abzufallen", zeigte Moritz auch die widersprüchliche Seite des Autors auf. Dabei habe der am 21. Dezember 1917 geborene Schriftsteller als achtes Kind des Kunsttischlers Viktor Böll durchaus eine zunächst "normale" Kindheit erlebt. Der Vater war strenger Katholik und überzeugter Gegner des Nationalsozialismus.

Nach der Volksschule besuchte Heinrich Böll ab 1928 das staatliche humanistische Kaiser-Wilhelm-Gymnasium. Nach dem Abitur begann er eine Buchhändlerlehre, während der er erste schriftstellerische Versuche startete. Mit dem Sommersemester 1939 begann er ein Studium der Germanistik und der klassischen Philologie an der Uni Köln, wurde jedoch schon im Spätsommer 1939 in die Wehrmacht einberufen. Bis April 1945 blieb er Soldat, bis er dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Während eines Fronturlaubs 1942 heiratete er Annemarie Cech, die in seinen ersten schriftstellerischen Jahren nach dem Krieg auch das Familieneinkommen besorgte. Mit der Währungsreform 1948 sei der Startschuss für das "Deutsche Wirtschaftswunder" gefallen – bei dem aber oftmals das Menschliche auf der Strecke blieb, so Moritz.

Erst als die Gruppe 47 durch die humorige Erzählung "Die schwarzen Schafe" auf ihn aufmerksam wurde, begann sein Aufstieg. Zuvor hatte er als Mahner Romane und vor allem Kurzgeschichten über die Kriegszeit geschrieben. "Keine Sau mag etwas vom Krieg hören", beklagte er einst, da dieses Thema so kurz nach dem eindrücklichen Erleben nicht sehr beliebt gewesen sei. Später sollten auch seine vielen Briefe bekannt werden. "Böll muss damals bis zur Erschöpfung gearbeitet haben", berichtete Moritz. Dabei seien ihm Karrieretypen ein Gräuel gewesen, was bei der Anekdote "Zur Senkung der Arbeitsmoral" deutlich zum Ausdruck komme. "Ende einer Dienstfahrt" zeige auf, dass der Autor sich immer mehr erregt habe ob der Politik, vor allem, nachdem er 1972 den Nobelpreis verliehen bekam. "Böll wurde mit der Zeit auch immer radikaler; er sympathisierte mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin und wetterte offen gegen die Springer-Presse, der er ›Ehrverletzung, Lüge und Dreck‹ vorwarf." Die Bundesrepublik habe er als "Misthaufen" bezeichnet. In diese Zeit falle sein Werk "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". 1983 nahm Heinrich Böll an der Sitzblockade des Raketenstützpunkts Mutlangen teil. Zwei Jahre später starb er nach einer eigentlich geglückten Operation im Alter von 67 Jahren. Während er in den ersten Jahren nach seinem Tod unglaublich präsent gewesen sei, "ist er heute, 30 Jahre später, kaum noch Thema", betonte Moritz.