Georg Wengert betreibt eine der letzten professionellen Köhlereien in Deutschland. Foto: Ilg

Georg Wengert macht Holzkohle. Bei über 1000 Grad entsteht sie, indem Holz zu Kohle verglüht. Für die Auto- und Pharma-Industrie.  

Weißer Rauch steigt aus einem Erdhügel, unweit der Autobahn A 7, Abfahrt Heidenheim. Die Rauchwolken dienen als Wegweiser in luftiger Höhe. Etwa zwei Kilometer vor dem Ziel ist es vorbei mit der frischen Landluft auf dem ländlichen Härtsfeld. Stark verkohlter Geruch hängt schwer in der Luft. In den Bäumen. In der Schutzkleidung von Georg Wengert sowieso. Der 50-jährige Köhler steht auf einem Meiler und tritt Kohldreck fest, damit kein Sauerstoff ins Innere des Meilers gelangt. 'Wenn der brennt, gehen vier Tage schwerer Arbeit ruck, zuck in Rauch auf.' Wenige Zentimeter unter seinen brandsicheren Schuhen glüht ein Schwelbrand mit über 1000 Grad Celsius. Aus Buchenholz entsteht nach alter Tradition Holzkohle, seit rund 200 Jahren an derselben Stelle.

Wengert ist in der sechsten Generation Köhler und betreibt eine der letzten professionellen Köhlereien Deutschlands. Seit 5000 Jahren arbeitet der Mensch mit Holzkohle. Sie war in der Bronzezeit das einzig bekannte Brennmaterial, das ausreichend Hitze entwickelte, um Eisenerz aus Stein zu schmelzen. Vor etwa 700 Jahren wurde auf dem Härtsfeld Eisenerz gefunden, und um es wirtschaftlich zu nutzen, eine Gießerei gegründet. Diese Fabrik war der Ursprung der Schwäbischen Hüttenwerke in Aalen, dem ältesten Industrieunternehmen Deutschlands. Dorthin liefern die Wengerts seit Generationen Holzkohle. Köhler ist kein Ausbildungsberuf. Die Alten geben ihr Wissen an die Jungen weiter. 'Ich habe meiner Großmutter nachts die Laterne gehalten, damit sie etwas sieht, wenn sie auf dem Meiler die Löcher zugetreten hat.' Dabei hat die Oma erzählt und der Enkel gelernt. Alle zwei Stunden muss man auf den glühenden Vulkan, damit er nicht ausbricht. Bei Wind und Wetter. Nachts und sonntags. Geschlafen hat der kleine Wengert damals in einer Waldhütte, unweit der Kohlplatten.

'Der Kohldreck ist das schwarze Gold des Köhlers'

Heute schläft er daheim und fährt die drei Kilometer zu seinem heißen Arbeitsplatz mit dem Auto. Oder die 76-jährige Mutter mit ihrem. Auch sie ist Köhlerin, mit Leib und Seele. Sie hat ihrem Sohn das Handwerk beigebracht. Zum Beispiel den Aufbau eines Meilers. In der Mitte der Kohlplatte wird eine Stange aufgestellt, um die herum in zwei Lagen konzentrisch Holz gesetzt. Etwa 15 Festmeter, meist Buche, manchmal Birke. Über das Holz kommt eine Lage Heu, damit der folgende Kohldreck nicht in den Meiler rieselt und die Glut erstickt. 'Der Kohldreck ist das schwarze Gold des Köhlers.' Wengert meint damit den wertvollen Rest kleiner Holzkohlestücke, die auf der Kohlplatte liegen bleibt, wenn die Holzkohle abgeräumt ist. 'Das ist reiner Kohlenstoff mit Filterfunktion.'

Wo ein Feuer ist, gibt es chemische Reaktionen und Verunreinigungen. Diese nimmt der natürliche Filter auf. Nachdem das Holz mit Heu und Erde abgedeckt ist, wird die Stange abgesägt und an dieser Stelle ein Feuer als Initialzündung aufgesetzt. Das Feuer brennt nach innen, 15 Minuten später wird das Loch verschlossen. Die Luft zwischen den Holzscheiten reicht aus, um den Schwelbrand in Gang zu halten. 'Vier Tage geht ein Meiler und jeder verschieden', sagt der Köhler. Während dieser Zeit schließt Wengert in regelmäßigen Abständen die Löcher im Schutzmantel. Bei starkem Wind ist die Gefahr größer, dass ein Feuer entfacht wird. Und bei Regen reagiert der Meiler entgegen einem Backofen: die Holzkohle ist einen Tag früher fertig als bei Sonnenschein, weil bei Regen mehr Sauerstoff in der Luft ist, und der beschleunigt den Schwelvorgang. Allerdings leidet die Qualität der Holzkohle unter der kürzeren Garzeit. Im Winter geht Köhlern gar nicht, weil der Kohldreck gefroren ist, den er zum Abdecken braucht. In dieser Zeit fällt Wengert Bäume, sägt die Stämme auf, spaltet das Holz, fährt es zu den zwei Kohlplatten und stapelt es zum Trocknen auf. 'Köhlern ist schwere körperliche Arbeit, von der man nur Leben kann, wenn man alles selbst macht.'

'Bei über 1000 Grad überlebt kein Keim'

Der moderne Köhler hat zwar hilfreiche Gerätschaften zum Holzmachen: Traktor, Motorsäge, Spaltgerät. Am jahrhundertealten Verfahren zur Herstellung von Holzkohle hat sich allerdings nichts geändert. Deren schmelzende, härtende und heilende Kraft ist auch heute noch in der Industrie heiß begehrt. Die Schwäbischen Hüttenwerke in Aalen härten Bremsscheiben für Autos über glühender Holzkohle, Daimler in Stuttgart nutzt die gleichmäßig langanhaltende Hitze zum Reparieren von Formen, in denen Motorblöcke gegossen werden. Und Weleda in Schwäbisch Gmünd stellt aus der reinen Holzkohle Kohle-Compretten gegen Durchfall her. 'Bei über 1000 Grad überlebt kein Keim.' 90 Prozent seiner Kundschaft stammen aus der Industrie. Mit den restlichen zehn Prozent seiner handgemachten Holzkohle wird gegrillt. 'Mit unserer Holzkohle ist Grillen ein Vergnügen: Sie glüht nach fünf Minuten, und das hält bis zu zwei Stunden an.' Beides liege am hohen Kohlenstoffgehalt seiner Holzkohle, der 96 Prozent beträgt. Industriell hergestellte Holzkohle hat nur um die 60 Prozent. Wengerts Qualität hat seinen doppelten Preis: 20 Euro für acht Kilo.

Wie viel Holzkohle er jährlich produziert, will er nicht sagen. Wie es mit seiner Köhlerei weitergeht, weiß er nicht. In den vergangenen fünf Jahren ist der Holzpreis auf das Doppelte gestiegen, kostet etwa 64 Euro pro Festmeter. 'Die Gemeinden produzieren mit Hackschnitzeln subventionierten Strom, das treibt den Holzpreis auf Kosten anderer in die Höhe', sagt er. Die steigenden Einkaufspreise für sein Ausgangsmaterial schmälern den Gewinn. Das Holz kauft er bei den Eigentümern der umliegenden Wälder. Neben dem wirtschaftlichen hat der Köhler ein Nachfolgeproblem: Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. 'Mir geht es wie den Bauern: eine Frau zum Geldausgeben findet man leicht, eine zum Mitarbeiten nur schwer.' Als Jurist hätte er eventuell mehr Chancen gehabt. Denn nach dem Abitur studierte er in Tübingen Jura. 'Ich dachte, damit einen ordentlichen Beruf erlernt zu haben.' Letztendlich habe man es aber ständig mit streitsüchtigen Menschen zu tun. Nur ein paar Monate hat Wengert als Jurist mit erstem Staatsexamen in der Immobilienbranche gearbeitet. Das ging nicht gut. 'Ich will mein eigener Herr sein.' Als Köhler ist er das.