Düsseldorf - Sabbrige Daumen und abgenagte Nägel sehen zwar nicht schön aus – aber immerhin bergen sie wohl doch einen kleinen Vorteil: Neuseeländische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Kinder, die entweder Daumenlutschen oder Nägelkauen, offenbar später seltener Allergien etwa gegen Hausstaubmilben, Tierhaare oder Gräserpollen entwickeln. Frönen sie beiden Marotten, ist die Sensibilisierung gegen Allergene noch geringer. Das Ergebnis stimmt mit der Hygiene-Hypothese überein, wonach früher Kontakt mit Schmutz und Keimen das Risiko, Allergien zu entwickeln, verringert. Das Immunsystem von Kindern, die Daumenlutschen oder Nägelkauen, muss mit größeren Mengen an Keimen umgehen.

Doch auch wenn dies beruhigend klingt, überwiegen doch die gesundheitlichen Nachteile dieser Marotten. Bei exzessiven Daumenlutschern können gravierende Folgeprobleme auftreten: Sprachstörungen, Zahnfehlstellungen, ein behindertes Kieferwachstum, eine gestörte Zungenmotorik und sogar ein verformter Daumen. Bei Nägelkauern kommt es zu ernsthaften Infektionen. Daher raten Experten Eltern, genau zu beobachten, in welchen Situationen das Kind die Marotte entwickelt und rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Daumenlutschen

„Babys und Kleinkinder stecken alles Mögliche in den Mund, weil es sie beruhigt und sie Gegenstände auf diese Weise erkunden“, sagt Antje Hunger, Professorin für psychosoziale Beratung an der Hochschule Düsseldorf. Wenn die Mutter das Kind nicht stillen oder zur Beruhigung auf den Arm nehmen könne, dann bedeute dieses unerfüllte Bedürfnis für einen Säugling oder ein Kleinkind Stress. Prompt wandere bei vielen Kindern der Daumen in den Mund. Normalerweise entwickelt es mit zunehmendem Alter aber andere Strategien zum Stressabbau. Nach Erkenntnissen von Helmut Remschmidt, früherer Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kinder- und Jugendalters der Uni Marburg, ist Daumenlutschen erst bei Kindern ab drei Jahren krankhaft und wenn es noch an Intensität zunimmt. Dann kann es eine Ersatzbefriedigung in Mangelsituationen, eine anhaltende Gewohnheit oder Ausdruck einer Regression auf eine frühere Entwicklungsstufe sein.

Hält sich das Daumenlutschen auch noch bei Einschulung des Kindes, könnte es in der Klasse deswegen gehänselt werden. „Das erzeugt zusätzlich Stress und kann das Daumenlutschen noch verstärken, ein Teufelskreis“, so Hunger. Eltern sollten daher versuchen, das kindliche Bedürfnis zum Daumenlutschen anders zu befriedigen. Hat das Kind beispielsweise ein Bedürfnis nach mehr Nähe, kann ein Teddy oder ein anderes Kuscheltier weiterhelfen. Soll Spannung abgebaut werden, hilft Kaugummikauen. Von Nagellacken mit Bitterstoffen, die das Lutschen unattraktiv machen sollen, raten Experten eher ab. Laut Remschmidt haben sich einschränkende Maßnahmen und Strafen nicht bewährt.