Scheich Lotfollah Moschee in Isfahan: Viele Freiburger wollen den Austausch mit der Partnerstadt. Foto: Schwarzwälder-Bote

Freiburger Städtepartnerschaft mit Isfahan hat Zehnjähriges / Gemeinderat entscheidet über Fortbestehen

Von Ralf Deckert

Freiburg. Sie dürfte die spektakulärste Beziehung ihrer Art in Baden-Württemberg sein: Die derzeit einzige Städtepartnerschaft zwischen einer deutschen und einer iranischen Stadt ist die Verbindung von Freiburg und der Millionenstadt Isfahan. Die zentraliranische Stadt mit ihren fast zwei Millionen Einwohnern ist seit Oktober 2000 mit Freiburg verbandelt. Damals war im Iran der Reformpolitiker Mohammad Chatemi an der Macht, und Isfahan bot sich als traditionell tolerant genannte Stadt ideal als Partnerkommune für Freiburg an. "Isfahan ist das Zentrum der armenischen Christen im Iran, die dort problemlos ihre Religion leben können", erklärt der zweite Vorsitzende des Freundeskreis Freiburg-Isfahan, Axel Gräfingholt, die besondere Situation der Metropole im iranischen Landesinneren.

Doch die Partnerschaft der Städte ist auf der offiziellen Ebene seit fünf Jahren nicht mehr von Leben erfüllt. Damals kam im Iran Mahmud Ahmadinedschad an die Macht, ein Politiker, der Israel das Existenzrecht abstritt und den Iran zum atomaren Säbelrassler machte. Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Die Grünen) sagte damals eine geplante Reise in den Iran ab, einen offiziellen Besuch sieht er seitdem als unmöglich an.

Sinn der Partnerschaft wird in Frage gestellt

Nun ist die Frage der Existenzberechtigung der Städtepartnerschaft mit Vehemenz hochgekocht: Die drohende Steinigung einer mutmaßlichen Ehebrecherin im Iran hat weltweit und auch im Freiburger Gemeinderat für Empörung gesorgt. Der CDU-Stadtrat Daniel Sander und andere Gemeinderäte haben zunächst eine Freiburger Resolution gegen die mittlerweile ausgesetzte Steinigung der Frau gefordert. Die Resolution wird es mangels Gemeinderatsmehrheit nun nicht geben. Wohl aber am 30. November eine Aussprache, bei der Sander die Sinnhaftigkeit der Städtepartnerschaft in Frage stellen will: Der Iran sei kein Rechtsstaat, da gehe es auch nicht an, eine Städtepartnerschaft zu pflegen. "Es ist völlig überzogen, wenn man meint, mit einer solchen Partnerschaft den politischen Wandel im Iran anzuschieben", so Sanders Überzeugung. "Die Scharia galt im Iran auch, als vor zehn Jahren die Partnerschaft beschlossen wurde, und wenn heute hier Iraner in Freiburg empfangen werden, dann profitieren davon nur die Privilegierten, nicht aber das breite Volk." Die Menschenrechtslage im Iran sei katastrophal, alleine im Oktober seien in Isfahan fünf Menschen hingerichtet worden.

Dennoch hat die Städtepartnerschaft viele Befürworter in Freiburg: "Auf der universitären und der bürgerschaftlichen Ebene ist die Freundschaft unserer Städte nicht mehr zu stoppen", ist Günter Burger überzeugt. Burger ist im Freiburger Rathaus für die internationalen Kontakte zuständig, hat bereits mehrfach Isfahan besucht und stellt zurzeit eine Dokumentation über die gemeinsamen Aktivitäten der beiden ungleichen Partnerstädte für den Gemeinderat zusammen, wenn dieser Ende des Monats seine Haltung zum Iran diskutieren will. Burgers Bericht ist zehn Seiten lang und legt dar, dass die Partnerschaft funktioniert und gelebt wird: Seit der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags haben viele Vortragsveranstaltungen und über 20 Bürger- sowie Schüler-, Lehrer- und Kulturreisen und zahlreiche Konzerte hier wie dort stattgefunden. Auch die Universitäten beider Städte haben Partnerschaftsverträge geschlossen. "Wir schicken wegen der unklaren Lage vor Ort derzeit aber keine Vertreter nach Isfahan", erklärt Unisprecher Rudolf Werner Dreier. Wohl aber kämen Besucher aus Isfahan an die Uni.

Musiker und Theatergruppen haben ebenfalls einander besucht, eine Vorreiterrolle kommt dabei dem Theater im Marienbad in Freiburg zu, das Ende 2003 erstmals eine Theaterreise in den Iran startete. Die sorgte bundesweit für Aufsehen, da sie europaweit eine Premiere darstellte. "Die Kontakte nach Isfahan waren der Ausgangspunkt unserer heutigen Kooperation mit dem Dramatic Arts Center in Teheran", betont Theatersprecherin Margrit Schneider. "So unterschiedlich unsere Kulturen auf den ersten Blick auch sein mögen, so sehr hungert es die Menschen im Iran nach Begegnung und Austausch." Nicht nur für Axel Gräfingholt ist die Sache klar: Der Austausch mit Isfahan ist lebendiger denn je. "Unsere Besucher aus dem Iran stellen uns viele Fragen, und wir bohren viele kleine Löcher in die Mauer, die Ahmadinedschad um sein Land errichtet hat."

Eine Haltung, die auch das Auswärtige Amt in Berlin stützt. Der Dialog der Menschen außerhalb der politischen Ebene sei wichtig und unterstützenswert, so ein Sprecher. Sowohl das Auswärtige Amt als auch die deutsche Botschaft im Iran wurden gebeten, dem Freiburger Gemeinderat mit Stellungnahmen für seine Debatte zur Seite zu stehen. "Ahmadinedschad hat noch drei Jahre zu regieren, dann muss man weiter sehen", gibt sich Günter Burger pragmatisch.

Mittlerweile könnte sich gar die Hoffnung des Freiburger SPD-Bundestagsabgeordneten und früheren Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, auf weitere deutsch-iranische Partnerschaften erfüllen, denn auch Weimar und die iranische Dichterstadt Shiraz sind auf dem Weg zu einer Städtepartnerschaft. Dieser verläuft jedoch nicht ohne Querelen: Im Sommer verweigerte eine Delegation aus Shiraz, allen voran der dortige Bürgermeister, offenbar auf politischen Druck aus Teheran hin, den Besuch der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Darauf sagte der Gemeinderat Weimars das geplante Treffen mit den Iranern ab. Der Eklat sei ein Grund, dass derzeit nicht an einer offiziellen Städtepartnerschaft weitergefeilt werde, so eine Sprecherin der Stadt Weimar. Man pflege aber die seit Anfang 2009 bestehende Freundschaft der Städte weiter, auch auf politischer Ebene habe es Besuche gegeben.

Doch Buchenwald liegt weit von Freiburg, wo vor allem auf die Freundschaft der Menschen hier wie dort gesetzt wird. "Man darf manchem nicht glauben, was über den Iran kolportiert wird", schreibt der Freiburger Journalist Karl-Heinz Schärfling über seine Erfahrungen bei einer Bürgerreise nach Isfahan im aktuellen Freiburger Almanach.