Klarer Fingerzeig: Riesen-Trainer John Patrick fordert in der kommenden Saison von seinen Spielern vollen Einsatz . Foto: Pressefoto Baumann

Nur dank einer Wildcard starten die sportlich abgestiegenen MHP Riesen Ludwigsburg an diesem Donnerstag (17 Uhr) in die neue Bundesliga-Spielzeit. Trainer John Patrick hat sein Team komplett umgekrempelt. Denn er will nicht noch einmal „so eine Saison erleben wie die vergangene“.

Ludwigsburg – - Herr Patrick, wann waren Sie eigentlich das letzte Mal bei sich zu Hause in Göttingen?
Oje, das ist schon lange her. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Die anstrengende und zeitintensive Vorbereitung auf die Bundesliga hat es nicht zugelassen, dass ich mal zu meiner Familie gefahren bin.
Haben Sie nicht Heimweh nach Ihren zwei Töchtern und drei Söhnen?
Natürlich, aber meine Familie kommt ja jetzt extra zum Saisonstart nach Ludwigsburg. Bei unserem ersten Heimspiel gegen die Eisbären Bremerhaven an diesem Donnerstag in der MHP-Arena werden sie mit dabei sein. Darauf freue ich mich.
Ständig so weit weg von der Familie zu sein, ist das eine der Schattenseiten in Ihrem Job?
So könnte man es sagen. Allerdings bin ich es nicht anders gewohnt. Es war ja schon bei meinen vorigen Stationen in Japan oder Würzburg so. Letztlich ergibt es aber einfach keinen Sinn, die Familie mit jedem Vereinswechsel aus ihrem Umfeld zu reißen. Meine Familie hat ihren Lebensmittelpunkt eben in Göttingen, und das soll so bleiben.
Haben Sie eigentlich jemals den Schritt bereut, bei den Riesen angeheuert zu haben?
Ehrlich gesagt – ja. Ich wusste, dass es eine Riesenherausforderung ist. Aber als ich den Zustand der Mannschaft nach den ersten Trainingseinheiten im Januar gesehen hatte, habe ich mich schon gefragt, was ich eigentlich hier mache.
War der Zustand wirklich so schlecht?
Er war zumindest so schlecht, dass ich ins Grübeln kam und mir schnell klar war, dass es sehr schwierig würde, mit diesem Team den Klassenverbleib in der Bundesliga zu schaffen.
Den Sie dann – zumindest aus sportlicher Sicht – nicht geschafft haben.
Das war auch für mich eine neue Situation. Als Trainer war ich mit meinen Mannschaften immer erfolgreich. Aber mit Ludwigsburg hat es am Ende nicht gereicht, und ich bin erstmals als Coach mit einem Club abgestiegen.
Dennoch haben Sie bereits im Sommer Ihren auslaufenden Vertrag bei den Riesen verlängert.
Weil meine Mission in Ludwigsburg noch nicht abgeschlossen ist. Ich sehe in diesem Club viel Potenzial, die Stadt ist ein idealer Bundesliga-Standort. Zudem habe ich auch viel aus dem sportlichen Abstieg gelernt.
Was zum Beispiel?
Wie wichtig die Balance in der Mannschaft ist. Die Mentalität muss stimmen, die Charaktere müssen zusammenpassen, und jeder unserer Profis muss die richtige Einstellung zu seinem Sport haben: den Willen, in jeder Partie alles zu geben. In der vergangenen Spielzeit hatten wir nur wenige solcher Spieler.
Haben Sie deswegen den kompletten Kader ausgetauscht? Bis auf Tim Koch ist keiner aus der Vorsaison mehr dabei.
Ja, dieser radikale Schnitt war zwingend nötig. Wobei ich manche Spieler wie Lucca Staiger, den es zum FC Bayern gezogen hat, ausklammern möchte.
Auf welche Profis setzen Sie denn künftig?
Ich habe bei der Akquise auf den Charakter der Spieler geachtet. Denn es geht um mehr als um Basketball. Deswegen habe ich nicht nur auf die spielerischen Fähigkeiten jedes Einzelnen geschaut, sondern auch, ob die Spieler über den Tellerrand ihrer Sportart hinausblicken. Darum habe ich zum Beispiel Tanner Smith und Keaton Grant geholt. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben, sind Vorbilder – für die jungen Profis im Team und die Fans. Smith hat etwa eine Stiftung für krebskranke Kinder gegründet, und Keaton Grant engagiert sich für sozial benachteiligte Jugendliche. Das zeigt mir, dass diese Athleten Verantwortung übernehmen – für ihr Handeln und das der anderen.
Jeder Riesen-Profi soll aus diesem Grund mindestens 45 Minuten in der Woche bei den Nachwuchsmannschaften mittrainieren.
Ja. Es geht mir aber nicht nur darum, dass die Spieler sich noch mehr mit dem Club identifizieren sollen, sondern dass sie den Spaß, den sie selbst am Basketball haben, auch den Talenten vermitteln und ihnen wichtige Tipps geben.
Zur neuen Mannschaft gehört Michael Stockton, der von Zweitligist BG Karlsruhe kam. Der Sohn des ehemaligen NBA-Stars John Stockton ist für Sie ein zentraler Spieler in Ihrem System.
Michael hat mich im ersten Training überzeugt. Er hat auf dem Feld eine gute Übersicht und für mich Führungsqualitäten. Er spricht in Sachen Basketball dieselbe Sprache wie ich – und ist der Spielermacher, nach dem wir gesucht haben. Als Aufbauspieler weiß er, wie man ein Team ins Laufen bringt.
Doch es gibt nicht nur Michael Stockton.
Ganz und gar nicht. Wir haben inzwischen einen Kader, der die richtige Tiefe hat. Und das, obwohl wir aufgrund des Wildcard-Verfahrens, das erst Mitte Juni beendet war, erst spät auf dem Spielermarkt tätig werden konnten. Aber wir haben trotzdem eine gute Mischung aus Routiniers wie Mario Stojic und Patrick Flomo und Jungspielern wie Gregory Echenique oder C. J. Harris.
Manche Experten trauen Ihrem Team in der nächsten Saison sogar einen Play-off-Platz zu, andere wiederum sehen Sie am Tabellenende. Wie lautet Ihr Saisonziel?
Sie werden von mir keine Platzierung hören.
Warum nicht?
Weil für mich prozessorientierte Ziele im Vordergrund stehen. Für mich ist also entscheidend, wie sich das Team entwickelt. Aber es ist doch auch klar, dass wir so eine Saison wie die vergangene nicht mehr erleben wollen.
Sie gelten als akribischer Planer, als ehrgeiziger Stratege, der fast schon ein wenig basketballbesessen ist. Bleibt Ihnen noch Zeit für Freizeit – und wenn ja, für was?
Ich spiele gerne Fußball.
Ein US-amerikanischer Basketball-Trainer und Fußball? Das passt nicht zusammen.
(Lacht) Doch im Ernst. Unser Manager der Basketball-Akademie, Mario Probst, hat da so eine Truppe, die in Möglingen regelmäßig kickt. Da spiele ich dann ab und an mit.
Auf welcher Position?
Kommt drauf an: Ich spiele auf der Position, die gerade benötigt wird.