Joaquin Phoenix in „Her“ Foto: Verleih

Beziehungslos treiben die Menschen durch die nahe Zukunft, da verliebt sich ein Mann in sein neues Betriebssystem – eine künstliche Intelligenz mit Charakter, die mit ihm lacht, philosophiert und virtuellen Sex hat. „Her“ ist einer der Filme des Jahres – auch dank des Hauptdarstellers Joaquin Phoenix.

Beziehungslos treiben die Menschen durch die nahe Zukunft, da verliebt sich ein Mann in sein neues Betriebssystem – eine künstliche Intelligenz mit Charakter, die mit ihm lacht, philosophiert und virtuellen Sex hat. „Her“ ist einer der Filme des Jahres – auch dank des Hauptdarstellers Joaquin Phoenix. 
 
Mr. Phoenix, wie kommunizieren Sie am liebsten mit Ihren Mitmenschen?
Durch die Sprache, denke ich. Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke, finde ich Augenkontakt auch sehr wichtig. Ab und zu schreibe ich sogar noch richtige Briefe. Mit Füller auf Papier. Und dann ist gegenseitige Berüh- rung natürlich auch sehr wichtig für mich.
Ist nonverbale Kommunikation ehrlicher?
Nein, das glaube ich nicht. Wenn man lügen will, kann man das immer tun.
Gerade als Schauspieler. Da machen Sie uns doch auf der Leinwand immer etwas vor, oder?
Ich würde nicht sagen, dass ich als Schauspieler lüge. Denn das, was ich spiele, empfinde ich schon wirklich. Jedenfalls bemühe ich mich, vor der Kamera immer so authentisch wie möglich zu sein. Ich spiele zwar eine Rolle, aber ich tue nicht nur so als ob. Die Manipulation, wenn Sie so wollen, findet schon lange vorher statt – nämlich in mir. Wenn ich zum Beispiel jemanden spiele, der wütend ist, dann bin ich in diesem Moment auch richtig wütend. Alles andere wäre doch unlauter.
Im Film „Her“ verlieben Sie sich in die Stimme eines Computer-Betriebssystems mit künstlicher Intelligenz – eine Art „Super-Siri“. Haben Sie sich im wirklichen Leben schon mal in eine Stimme verliebt?
Nicht auf die Art wie im Film. Und auch nicht in dem Ausmaß. Aber schöne Stimmen finde ich schon sehr sexy.
Im Film hatten Sie es ursprünglich gleich mit zwei Stimmen zu tun.
Und beide haben mir sehr dabei geholfen, meine Filmfigur Theodore Twombly zu finden. Während der Dreharbeiten war es die Stimme der britischen Schauspielerin Samantha Morton, die in der Postproduktion aber durch Scarlett Johanssons Stimme ausgetauscht wurde. Das war die Entscheidung des Regisseurs Spike Jonze. Ich finde, dass beide sehr erotisch gefärbte Stimmen haben.
In „Her“ spielen Sie einen Mann, der sich die meiste Zeit als Außenseiter fühlt. Konnten Sie dieses Gefühl aus Ihrer persönlichen Biografie abrufen?
Aber sicher. Ich war zwar noch nie verheiratet, aber jeder, der schon mal eine Trennung durchgemacht hat, weiß, wie einsam und verlassen man sich da fühlt. Und auch wie es ist, von allen schief angesehen zu werden. Das Problem mit Theodore war für mich, dass ihm seine Frau regelrecht das Herz gebrochen hat. Sie will die Scheidung – er kann sich emotional nicht von ihr lösen. Aber ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wie sich das anfühlt.
Ihnen hat noch nie eine Frau das Herz gebrochen?
Noch nie. Ich war zwar schon heftig verliebt – aber wenn die Beziehung dann in die Brüche ging, war das eben so. Na ja, vielleicht hat mein Ego ein paar Schrammen abgekommen, aber sonst? Die Geschichte im Film hat ja auch mehr mit Spike zu tun als mit mir.
„Her“ spielt in einer Zukunft, die sehr von den digitalen Medien dominiert wird. Wollten Sie in so einer Zukunft leben?
Warum nicht? Für mich scheint die Welt, die dort gezeigt wird, eigentlich eine ziemlich glückliche zu sein. Es ist also eher eine sanfte Utopie, keine Dystopie.
Es gibt in dieser „schönen neuen Welt“ sehr viele digitale Surrogate . . .
. . . das ist schon richtig. Aber was ich viel interessanter finde, ist die Frage: Was ist eigentlich wirklich – und was nicht? Theodore verliebt sich ja wirklich in diesen Computer namens Samantha. Für ihn wird Samantha langsam zu einer Realität, die immer mehr Platz in seinem Leben einnimmt.
Ist das nicht schrecklich traurig?
Ich bin mir da gar nicht so sicher. Es kommt doch immer darauf an, wie man sich dabei fühlt. Es ist eben eine andere, eine virtuelle Beziehung. Und nicht eine aus Fleisch und Blut. Wenn Sie mir vor 20 Jahren gesagt hätten, dass ich mir heute zum Beispiel mit ein, zwei Klicks das neue Album von Beck herunterladen und sofort meinen Freunden auf ihre Smartphones schicken kann, hätte ich Sie für verrückt erklärt. Und was weiß ich, was in fünf Jahren alles technisch machbar sein wird. Natürlich ist es für uns Ältere oft schwer, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Als ich unlängst mit meiner Freundin und meinen Neffen im Kino war, haben die untereinander laufend getwittert und hatten jede Menge Spaß dabei.
Hat der Film Ihren Umgang mit den sogenannten sozialen Medien verändert?
Kaum. Das liegt vor allem daran, dass ich sehr selten im Internet surfe. Und auch auf Facebook, Twitter oder wie diese Plattformen alle heißen, sucht man mich vergebens. Ich google nicht mal. Ich habe ein iPhone. Mit FaceTime. Bisher habe ich das genau zweimal benutzt.
Was treibt Sie im Leben denn mehr an – Lust oder Angst?
Beides. Und oft eine Mischung daraus. Ich mag es durchaus, wenn es etwas gefährlich wird. Und immer dann, wenn ich meine Verteidigungsmechanismen total herunterfahre und wirklich schutzlos und verletzlich bin, wird es richtig interessant. Früher, als junger Schauspieler, bin ich meistens mit einer sehr vorgefassten Meinung ans Set gekommen. Ich wusste ganz genau, wie ich eine Figur darstellen wollte. Heute bin ich da viel flexibler.
Wer hat Ihnen eigentlich beigebracht, wie man im harten Hollywood-Filmbusiness seinen Mann steht?
Keine Ahnung. Das war wohl mehr Learning by Doing. Ich habe ja schon sehr früh – da war ich gerade mal zehn, elf Jahre alt – mit der Schauspielerei angefangen. Und ich bin da auch mehr oder weniger hineingeschlittert. Meine Mutter arbeitete damals in Los Angeles als Casting-Agentin und hatte schon meinen Bruder River beim Fernsehen untergebracht. Meine Schwester Liberty und ich hatten ein paar kleinere Gastauftritte. Mit 13 hatte ich dann meine erste größere Rolle in der Komödie „Eine Wahnsinnsfamilie“. Aber mir wurde der Show-Zirkus schnell zu blöde. Also bin ich erst mal zu meinem Vater nach Mexiko abgehauen . . .
Aber Sie sind dann doch wieder nach Hollywood zurückgekehrt. Warum eigentlich?
Das hatte mehrere Gründe. Ein ganz wesentlicher war, dass ich mir damals eingestand, dass ich doch ganz gerne Schauspieler bin. Und ich wollte mir einfach beweisen, dass ich es kann. Unsere Eltern haben mich und meine Geschwister immer sehr darin bestärkt, den Mut zu haben, das zu machen, was wir wirklich wollen. Und das war bei mir dann eben doch die Schauspielerei.
Täuscht der Eindruck, oder haben Sie Ihr düsteres Image tatsächlich abgestreift?
Düster? Das ist noch höflich formuliert. Viele hielten mich sogar für regelrecht autistisch. Ich hatte früher den Eindruck, dass sich Leute im Flugzeug nur höchst ungern neben mich gesetzt haben. Vielleicht hielten die mich für einen Psychopathen, der ihnen bei einem Nachtflug die Kehle durchschneiden könnte. (Lacht) Dabei war ich auch damals schon ein sehr fröhlicher Mensch, der viel Spaß am Leben hat.