Es ist eine Akzentverschiebung, die Finanzminister Schäuble auf der IWF-Jahrestagung verkündet. Der Staat soll wieder mehr investieren. Wie er hält aber auch Bundesbankpräsident Weidmann nichts von Wachstum auf Pump.

Washington - Deutschland will angesichts der wirtschaftlichen Abschwächung mehr Geld für öffentliche Investitionen ausgeben und geht damit auch auf Forderungen aus dem Ausland ein. „Jetzt müssen wir wieder stärker das Gewicht auf Investitionen legen“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Washington vor der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die am Freitag begann.

Bei den Treffen von Finanzministern und Notenbankgouverneuren aus 188 Staaten sowie der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) steht das Thema staatliche Konjunkturförderung weit oben auf der Agenda. Der IWF sprach sich klar für mehr öffentliche Investitionen aus, nachdem er seine Prognose für die Weltwirtschaft erneut nach unten korrigieren musste. Vor allem die Eurozone bereitet den Ökonomen des Währungsfonds Sorgen.

„Wir werden alles, was es an konkreten Investitionsmöglichkeiten gibt, auch finanzieren“, erklärte Schäuble am Donnerstagabend (Ortszeit) vor Journalisten. Mittelfristig müssten die Ausgaben natürlich erhöht werden, was auch bereits getan werde. „Das geht nicht über Nacht“, sagte Schäuble. Sollte es kurzfristig Bedarf für baureife öffentliche Infrastrukturprojekte geben, werde die Finanzierung sichergestellt. Aber auch private Investitionen müssten angekurbelt werden. Schäuble betonte, dass es häufig nicht an Finanzmitteln mangele, sondern dass es andere Hürden für Investitionen gebe, etwa behördliche.

Noch am Donnerstag hatte unter anderem die IWF-Chefin Christine Lagarde betont, sie sehe einen Spielraum für Konjunkturmaßnahmen in Deutschland, ohne gegen Haushalts- und Defizitregeln zu verstoßen. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mahnte mehr öffentliche Investitionen in Deutschland an.

Die Europäische Investitionsbank (EIB) verwies auf einen massiven Investitionsstau in der EU. „Wir haben seit sieben Jahren eine Investitionslücke von etwa 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2007“, sagte EIB-Präsident Werner Hoyer dem „Tagesspiegel“ (Freitag). In einzelnen Ländern sei der Investitionsstau noch sehr viel höher.

Neue Konjunkturprogramme auf Pump lehnt Schäuble allerdings weiter ab. Es gehe nicht darum, möglichst hohe Zahlen ins Schaufenster zu stellen. Man müsse vielmehr an seinen Versprechen festhalten und die öffentliche Verschuldung zurückführen.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann nannte es unstrittig, dass die Investitionsausgaben steigerungsfähig seien. Um aber nachhaltiges Wachstum zu erreichen, sei es wenig zielführend, „konjunkturelle Strohfeuer“ zu entfachen. Er sprach von einer Schieflage in der Debatte, da sich die Konjunktur lediglich abgeschwächt habe. Zwar sei das Wachstumstempo inzwischen moderater. Die deutsche Wirtschaft befinde sich aber in „grundsätzlich guter Verfassung“.

Öffentliche Investitionen müssten stets einer klaren Kosten-Nutzen-Analyse unterworfen werden, erklärte Weidmann. Mögliche Ausgabesteigerungen seien an anderer Stelle gegenzufinanzieren, um den „Stabilitätsanker“ Deutschland nicht zu gefährden. EIB-Präsident Hoyer betonte, Europa habe nicht nur ein konjunkturelles, sondern ein massives strukturelles Problem. „Wir geben im Vergleich zu den ganz großen Weltmarktkonkurrenten viel zu wenig für Bildung, Forschung und Entwicklung aus.“