Carola Sandow in Unterbränd hat ein Hühner-Traumhaus, das ihr Mann Marcel nach ihren Vorstellungen gebaut hat. In dem Stall sind ihre sechs Zwerghühner, die alle einen Namen haben, sehr glücklich. Sohn Tim hat wie seine Mutter eine helle Freude an den zutraulichen Hennen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Hühnerhaltung: Mehr als Eier- und Fleischlieferanten / Menschen entdecken beruhigende Wirkung der zutraulichen Tiere im Garten

Hühner sind toll. Und sie sind es wert, dass man sich mit ihnen beschäftigt, denn dann erkennt man schnell, dass die Tiere viel mehr sind als Eierlieferanten und Brathähnchen. Auch in Bräunlingen und Hüfingen haben so manche die Freude an dem Federvieh entdeckt.

Hüfingen/Bräunlingen. Genau die empfinden derzeit immer mehr Stadtmenschen oder zumindest auch jene, die nicht auf einem Bauernhof groß geworden sind. Und die in ihrem Garten und auf ihrem Grundstück ein bisschen Platz schaffen für eine fröhliche Federvieh-Schar.

Hier können sie ihren Hühnern ein besseres Leben bieten als in der Massentierhaltung auf engstem Raum mit unwürdigen Bedingungen. Ganz uneigennützig handeln die Halter freilich nicht. Denn der eigene Lebensalltag wird durch ein paar herumpickende Hühner im Freigehege positiv aufgefrischt. Das Beobachten des bunten und friedvollen Federviehs, wie es scharrt, pickt und immer auf Futtersuche herumläuft, bringt Entspannung und Beruhigung. Ganz zu schweigen von den eigenen Bio-Eiern, die hervorragend und unvergleichlich schmecken.

Aktuell erfahren Eier von eigenen Hühnern durch den europaweiten Eierskandal sowieso eine enorme Wertsteigerung. Bietet man seinen Hühnern das Glück einer artgerechten Haltung, darf man sich über leckere und gesunde Eier freuen. Glückliche Hühner leben in kleinen Gruppen, haben ein trockenes Haus mit Legenestern und Schlafstangen sowie einen möglichst großen und strukturierten Auslauf, wenn’s geht mit Bäumen, Sträuchern und Hecken. So können sie ihre angeborenen Verhaltensweisen ausleben. Gibt man sich mit diesen freundlichen Tieren ab, werden sie je nach Rasse sehr handzahm. Man kann sie streicheln, denn auch sie haben ein Bedürfnis nach Nähe.

Inzwischen hat man entdeckt, dass insbesondere bei älteren Menschen und Kindern Hühner als Therapeuten große Dienste leisten. So wurde zum Beispiel in einem Altenheim die Erfahrung gemacht, dass allein die Anwesenheit von Hühnern die Kontaktfreudigkeit der Menschen ernorm steigert. In der Hüfinger Lucian-Reich-Schule und auch an der Schellenberger-Schule in Hausen vor Wald gibt es nachhaltige Hühnerprojekte, bei denen die Kinder die Entwicklung vom Ei bis zum Hühnchen beobachten können. Die Hüfinger Schulhühner haben einen eigenen Stall im Freien und durch die Pflege und Fütterung, aber auch durch Fürsorge und Streicheleinheiten lernen die Kinder, Verantwortung zu übernehmen – an jedem Tag.

Hühner ziehen Kinder förmlich an. Sie schauen ihnen gerne zu, und von herumpickenden Hühnern geht auch keine Gefahr aus. Am Zaun von Uli Grossmann in Hüfingen bleiben immer Kinder stehen oder kommen extra her, um ihre Hühnerschar zu beobachten. Seit ein paar Jahren hält sie ihre 19 Hühner samt zwei Hähnen in ihrem traumhaften Garten zusammen mit anderen tierischen Freunden. "Hühner sind einfach tolle Tiere und werden total unterschätzt. Ich habe zwei dabei, die würden jedem Adler die Show stehlen. Sie springen mir auf den Arm, was bei den vorbeilaufenden Passanten natürlich für Schmunzeln sorgt. Rosie hingegen ist besonders anhänglich und kommt jeden Abend mit mir ins Haus und setzt sich aufs Sofa. Wenn ich sie dann wieder hinausbringe, geht sie nicht selbstständig in ihren Stall, sie wartet, bis ich sie hineintrage", berichtet Uli Grossmann lachend.

Natürlich machen Hühner auch Arbeit, aber es hält sich in Grenzen. Wichtig ist vor allem, dass man abends verlässlich das Hühnerhaus zusperrt, bevor Fuchs oder Marder vorbeikommen. Hinein gehen sie selbstständig und zwar in der Dämmerung. Falls man also stets viel unterwegs ist, muss man jemanden damit beauftragen oder die Technik einer Zeitschaltuhr dafür einsetzen.

In Hüfingen gibt es inzwischen ein paar "Hühner-Frauen", die sich bei diesem Morgen- und Abenddienst aushelfen. Heike Schmid von Schmid-Friseure ist so eine Tierliebhaberin, die sich vor wenigen Wochen vier Hennen zugelegt hat. "Sie haben so eine beruhigende Wirkung, vertragen sich mit unserem Hund Fine und liefern mit ihren Eiern sogar noch ein schmackhaftes Nebenprodukt", schwärmt sie von ihren gefiederten Freunden, denen sie auch die nötige Infrastruktur im Garten bieten kann.

Ihre beiden Söhne Micha-Joel und Maximilian sowie ihre Mann Andreas lieben die Hühner ebenfalls und alle sehen sich in ihrem Alltag durch die Pflege der Hennen nicht beeinträchtig. Ganz im Gegenteil. "Wir sitzen abends oft im Garten und schauen den Hühnern zu, sie sind ein richtiger Ruhepool in unserer hektischen Zeit. Und ein bisschen Sehnsucht nach dem Landleben steckt wahrscheinlich in jedem Menschen", erzählt Heike Schmid, die sich nun immer über leere Teller freut, denn Hühner freuen sich über jeden Essensrest. Schließlich sind sie Allesfresser. "Bei uns werden keine Lebensmittel weggeworfen, die bekommen die Hühner, das ist optimale Verwertung" freut sie sich.

Den gefiederten Schönheiten aus der Provinz widmet Greenpeace im kommenden Jahr sogar einen Kalender. "Fabelhaftes Federvieh – seltene Hühner im Porträt" lautet der Jahresbegleiter, bei dessen Aufnahmen der Fotograf samt Assistent sich beeindruckt von den seltenen und teils gefährdeten Rassen zeigen. Für gewöhnlich hat der Fotograf eher Models, Schauspieler, Sportler oder andere bekannte Menschen vor der Linse. Auf der Suche nach seltenen Hennen entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und den gefiederten Schönheiten, die selbstverständlich alle einen Namen haben und zum großen Teil jetzt ihm gehören.

"Frau Müller" ist eine von sechs Zwerghühnern verschiedener Rassen, die im Garten von Carola Sandow seit Anfang des Jahres in Unterbränd leben. Ehemann Marcel hat ein Vierteljahr an der sehenswerten Hühnervilla nach den Wünschen seiner Frau gearbeitet. Der Vorzeigestall wurde mit allem ausgestattet, was Hühner brauchen und gern haben. Alle sechs sind handzahm und wurden von besonderen Züchtern gekauft. Das freut natürlich auch die beiden Söhne, den vierjährigen Tim ganz besonders. "Unsere Kinder lernen mit den Hühnern den Umgang mit Tieren, das ist uns wichtig", erzählt Carola Sandow. Auch bei ihr sind die Hühner glücklich, dürfen sich frei bewegen und haben alles, was sie brauchen. "Ich habe sehr viel Freude an den Hennen, sie sind einfach großartig. Dafür werden sie jeden Abend von mir gestreichelt, und ich rede auch mit ihnen", gibt Carola Sandow offen zu.

Es gibt auch Tierhalter, die seit Generationen mit Hühnern leben. Wie Fritz und Maria Obergfell aus Bräunlingen, die ihr desolates Hühnerhaus saniert und mit einem gemauerten Fundament für spätere Generationen haltbar gemacht haben. Rund 30 Legehennen wuseln im Stall mit Auslauf herum. "Die weißen Hühner legen besser, aber die braunen sind ruhiger", weiß Fritz Obergfell aus Erfahrung. Seine Frau Maria versichert: "Unsere Hühner sterben den Heldentod, denn wir essen unsere eigenen Hennen natürlich nicht". Dafür werden sie mit allem verwöhnt, was ein Hühnerherz erfreut: Weizenkörner, jeden Tag frisches Grünfutter, Futterkalk, Asche und Sand zum Baden, Picksteine, gekochte Kartoffeln, eingeweichtes Brot – am liebsten mit Milch – und jede Menge Gemüseabfälle oder Salat. Hühner wollen Beschäftigung, dafür tut es ein alter Strohballen, eine Wurzel oder andere natürliche Strukturen wie Steinmauern, Büsche und Sträucher.

Ein besonders großes Herz für Tiere hat der Stadtgärtner in Bräunlingen, Andreas Sauter. Zu Hause auf dem elterlichen Hof in Riedöschingen nimmt er alte Hühner auf, die als Legehuhn ausgemustert wurden. Die Hennen legen im Alter wenige oder keine Eier mehr, aber darauf kommt es Sauter gar nicht an. Er möchte den Hühnern und Hähnen im Seniorenalter einen schönen Lebensabend bieten. "Das haben sie sich verdient, und ich möchte damit auch einer Henne Anerkennung für ihre Leistung des Eier-Legens zollen", sagt Andreas Sauter.

Wer sich dazu entschließt, Hühner in seinem Garten zu halten, sollte sich anhand von Fachliteratur vorher über die Haltung des zukünftigen Federviehs gut informieren. Denn es gibt natürlich einige Richtlinien, wie man Hühner artgerecht und natürlich unterbringt und versorgt. Durch Gespräche mit anderen Besitzern von Hühnern kann man gleichwohl viele nützliche Erfahrungen und Tipps bekommen.