Ein Rettungshubschrauber flog den schwer verletzten Mann in eine Klinik. Foto: Geideck

Messer-Attacke im Bahnhof und im Kaufland wird verhandelt. "Dann bin ich durchgedreht."

Horb - Einst waren Täter und Opfer beste Freunde. Doch eine schwere psychische Erkrankung vernebelte dem 37-jährigen Angeklagten laut Anklage die Sinne derart, dass er am 1. März im Bahnhof und im Kaufland vier Mal mit einem Küchenmesser auf den Bekannten einstach. Das Opfer leidet bis heute an den Folgen dieser Tat.

"Es war die netteste Familie im Ort, sie hat mir viel Kraft gegeben", erzählte der Angeklagte am Montag in der Verhandlung vor dem Landgericht Rottweil, war er doch in jungen Jahren oft bei der Familie des gleichaltrigen späteren Opfers zu Gast.

Gleichwohl, die Freunschaft überdauerte die glücklichen Kindertage nicht und mündete nun in einer überaus blutigen Tat. Diese war derart blutig, dass das Opfer Glück hatte, das Ganze zu überleben. "Er hat schlecht über mich geredet", gab der Angeklagte als Motiv an. Daher wollte er ihm eine Abreibung verpassen, ihn jedoch auf keinen Fall töten.

Der Staatsanwalt sah das anders und wertete die Tat mit der 12,5 Zentimeter langen Klinge als versuchten Mord. Allerdings sei der Täter aufgrund einer paranoiden, halluzinogenen Schizophrenie schuldunfähig. Da er für die Allgemeinheit gefährlich sei, sprach sich der Staatsanwalt für eine geschlossene Unterbringung aus.

Zur fatalen dritten Begegnung kam es im Bahnhofsgebäude

An jenem 1. März kam es laut Staatsanwaltschaft bereits morgens zu zwei Begegnungen zwischen Täter und Opfer. Zum einen am Bahnhof und später an der Arbeitsstelle des Opfers, wo dieser einem Ein-Euro-Job nachging. Es kam zu verbalen Scharmützeln ("Du spukst mir im Kopf herum und machst mich noch verrückter"), nach denen das Opfer die Polizei alarmierte. Der Angeklagte war beim Eintreffen der Beamten aber bereits verschwunden.

Zur fatalen dritten Begegnung kam es gegen 14 Uhr im Bahnhofsgebäude: Der Täter suchte in der Stadt nach dem Kontrahenten und fand ihn am Fahrkartenautomaten. Der Mann wollte gerade zurück in eine nahe gelegene Kneipe, wo er sich bereits zuvor mit einem Freund getroffen hatte. Das Opfer hatte zu dieser Zeit einen Blutalkoholwert von 2,24 Promille. "Ich sah aus dem Augenwinkel schnell jemanden auf mich zukommen und spürte einen Stich im Bauch", sagte das Opfer. Er flüchtete in Richtung Kaufland, wo der Täter weiter in Brust und Bauch auf ihn einstach, bevor ihn Angestellte und Passanten überwältigten. "Jetzt habe ich Scheiße gebaut", sagte der Angeklagte. "Mir war schwindelig und ich schrie um Hilfe", erinnerte sich das Opfer.

Er musste anschließend sechs Tage im Krankenhaus verbringen, ihm wurde die Milz entfernt und auch die Leber trug Schäden durch eine Stichverletzung davon. Zudem leidet er seitdem unter Schlafstörungen, hat Probleme mit dem Gleichgewicht und der Sprache und ist seit dem Vorfall krank geschrieben.

Cannabis-Konsum führte laut Gutachten zur Schizophrenie

Befragt wurde vom Gericht unter dem Vorsitz von Richter Karlheinz Münzer auch die Mutter des Opfers. Diese berichtete von einem Anruf des Angeklagten wenige Tage vor der Tat. Dort habe er gesagt: "Dein Sohn ist das nächste Opfer."

Allerdings war der Sohn nicht zu Hause und die Mutter sprach nicht mit ihm über den Anruf. Die Mutter berichtete auch von einer harmonischen Kindergarten- und Schulzeit zwischen den beiden. Erst später, mit dem Auftreten der psychischen Erkrankung des Angeklagten, habe sich das geändert. Dieser habe sogar ein Hausverbot in der Familie des Opfers erhalten und man sei auf Distanz zu ihm gegangen.

Der Polizeibeamte, der den Täter vernahm, bekam Folgendes zu hören: "Ich wollte ihn nur ein bisschen stechen, aber dann bin ich durchgedreht." Der Täter sei mit 17 erstmals wegen des Besitzes von Marihuana straffällig geworden. Die Schizophrenie sei eine Folge des Cannabis-Konsums des Mannes, habe ein Gutachten ergeben. Zudem gab es Probleme mit Lärmbelästigungen und auch Autos habe der Angeklagte schon beschädigt.

Der Angeklagte selbst wurde aufgrund seiner Erkrankung nichtöffentlich vernommen, schaltete sich aber danach immer wieder mit ruhiger Stimme in den Prozess ein. So redete er von einer telepathischen Verbindung zum Opfer, wodurch ihm Nachteile entstanden seien. Zudem hätten Menschen einen Schamanen und Magier aus ihm machen wollen.

Die Verhandlung wird heute fortgesetzt.