Der Stuttgarter Architekt Tobias Bochmann zeigte bei der Mitgliederversammlung von Haus und Grund ganz neue Lösungsansätze zukünftiger Wohnformen auf. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Mitgliederversammlung: Verein Haus und Grund will das Thema anders angehen als die Stadt / Referent gibt Impulse

Derzeit wird im Städtle auf Anregung zweier Gemeinderatsparteien das Thema "sozialer Wohnraum" heiß diskutiert. Zuletzt am Dienstagabend während der Gemeinderatssitzung (wir berichteten).

Horb. Natürlich beschäftigt sich auch der Haus- und Grundeigentümerverein Horb mit diesem Thema und hat es in den Fokus seiner jüngsten Mitgliederversammlung gestellt. Eingeladen hatte man zu diesem Fall auch den Horber Oberbürgermeister Peter Rosenberger und deshalb extra die Sitzung um einen Tag verlegt, damit er die Chance bekommt, sich zu dieser prägnanten Forderung zu äußeren.

Zudem hatte der Verein den Architekten Tobias Bochmann von Institut Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart eingeladen, der an diesem Abend aktuelle Tendenzen des Wohnens im Allgemeinen vorstellte und einen kritischen Blick auf die spezifische Situation im ländlichen Raum und mögliche Lösungsansätze warf. Bevor Bochmann jedoch einen Ausflug in die Zukunft wagte, vertrat der Vorsitzende von Haus und Grund, Tilmann Stroh, recht deutlich die Ansicht des Vereins.

Für Stroh bewegen sich der Mietpreise in Horb im normalen Segment. Zwar wurden für diese Vergleiche Mietpreiskosten von Stuttgart und München als Maßstab herangezogen, doch sind nach Ansicht des Vereins Quadratmeterpreise, wie in Horb üblich, die sich zwischen 6 und 6,50 Euro bewegen, am unteren Rand angesiedelt. "Natürlich sind kleine Wohneinheiten teurer, liegen aber beim Mietpreis immer noch im Mittelmaß", so Stroh, der zugab, dass es einen Mangel an Wohnungen mit rund 50 Quadratmeter Wohnfläche sowohl in der Kernstadt als auch in einem Umkreis von 15 Kilometer gibt.

Stroh hat jedoch schwere Bedenken, ob es richtig sei, dass man mit staatlichen Mittel sozialen Wohnungsbau betreibt. Wohnungsbau, der dann nur für einen bestimmten Personenkreis Wohnraum zur Verfügung stellt. Die Vereinsführung möchte das Thema von der ganz anderen Seite aus angehen. Ihrer Ansicht nach sollte man schwache Familien stärken, damit sie so die Chance bekommen, sich am "normalen" Wohnungsmarkt zu bedienen. Das hält der Verein auf lange Sicht für die bessere Lösung. Man hat zu diesem Punkt bereits mit Vertretern der Caritas gesprochen und hier Verständnis für die Warte der Vermieter gefunden, wie Stroh mitteilte. Es stellt sich also die Frage, was der richtige Weg ist: Der Staat fördert den Wohnungsbau oder er fördert die Betroffenen?

Rosenberger erklärte dazu später, dass er der Meinung sei, dass man zuerst eine genaue Bedarfsanalyse für Horb machen müsse, bevor man hektische Betriebsamkeit an den Tag legt. Größere Wohneinheiten gibt es, bedingt durch den demografischen Wandel und die Art, wie man bisher baute (Ein- und Zweifamilienhäuser), genug, nur an den kleinen Einheiten mangelt es. Sein erster Schritt zu einem Lösungsansatz ist ein runder Tisch an dem Fachleute aus allen Bereichen – von den Sozial- bis zu den Fachverbänden – zusammensitzen und den Bedarf definieren. Hier sind dann sicher auch neue Lösungsansätze gefragt, die weit über das Raster, in dem heute Wohnungsbau betrieben wird, hinausgehen. Tobias Bochmann gab dazu in seinem Vortrag einige Impulse, die man jedoch nicht eins zu eins übernehmen kann, jedoch den Blick für Mögliches weit öffneten.

Der Experte sieht Wohnen sowohl als soziales aber auch als politisches Thema. Für ihn wurde die Immobilie, gerade in den Ballungsräumen, immer mehr zum Vehikel für Spekulanten. Im ländlichen Raum stellt sich die Situation etwas anders dar. Häufig herrscht auch hier Knappheit – bei gleichzeitigem Überangebot. Es mangelt an adäquatem Wohnraum. Kleine und Kleinstwohnungen sowie altersgerechte Wohnungen sind meist Mangelware.

Einfamilienhäuser gibt es hingegen meist mehr als genug. Doch wer soll sie bewohnen, wenn die Kinder aus dem Haus sind und am Ende nur noch ein Partner übrig bleibt, der im Extremfall auf ein barrierefreies Wohnumfeld angewiesen ist?

Spätestens wenn die Landflucht die Ortskerne veröden lässt, wird es schwierig. Wie kann man dieser Schieflage begegnen? Ist die Nachverdichtung im ländlichen Raum gepaart mit dem Angebot neuer Wohnformen ein möglicher Ausweg? Und lässt sich das mit dem Traum vom eigenen Häuschen im Grünen vereinbaren? So manche Gemeinde im ländlichen Raum hat die Herausforderung angenommen und setzt auf Konzepte jenseits neuer Einfamilienhauswüsten. Dazu gehören auch experimentierfreudige, neue Formen des Wohnens. Hier insbesondere des gemeinschaftlichen Wohnens. Ob Cluster-Wohnen für Senioren oder die Luxus-WG für zwölf Personen mit eigenem Koch. Das passt zwar nicht für jeden – aber die neuen Ansätze lohnen einer genaueren Betrachtung. Und außerdem wird Bauen auch viel interessanter, denn anstatt nur eines pfiffigen Architekten braucht man in Zukunft auch einen Soziologen, der die Mieter passgenau zueinander aussucht.

Natürlich hatte Bochmann nicht die "Eierlegende-Woll-Milch-Sau" des Baugewerbes dabei, aber auf die hoffte man später während der anschließenden Diskussion zu treffen. Innensanierung vor Neubaugebiete, so heißt ein alter Lösungsansatz. Doch leider kommt die Stadtverwaltung derzeit an keine der 600 bekannten Leerstände im Stadtgebiet ran. "Die Mittel für Ankäufe wären sogar teilweise da", klagte Rosenberger, der solche Forderungen wie: "Die Jugend will im Ort bleiben, aber neu bauen" für ein wenig realitätsfern erachtet, und doch sei bei allen Stadtteilkonferenzen der Wunsch nach einem Neubaugebiet oft mit höchster Priorität bewertetet worden.

Einer der Sitzungsteilnehmer stellte nach der Vorstellung der alternativen Bauformen und der Diskussion über gangbare Wege eine wichtige Frage: "Ist das Bauamt, das heute noch um jeden Zentimeter Traufhöhe und die Ziegelfarbe streitet, schon so weit, dass es neue Bauformen zulässt und kann man die Ortschaftsräte, die meist in den alten Strukturen verhaftet sind, in Richtung lenken? Fragen ohne Antworten.

Es zeigte sich also, dass es noch viel zu tun gibt: Also hinsetzen und zumindest darüber schwätzen.