Bruno Springmann, Heinrich Raible und Joachim Lipp besuchten im Odenwald den Beerfelder Galgen, der als besterhaltene Gerichtsstätte Deutschlands gilt. Der dreischläfrige Galgen ersetzte vor 420 Jahren eine Holzkonstruktion, wie sie auch in Horb gestanden hat. Fotos: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Horber Nachtwächter besuchten in Beerfelden das besterhaltene Hochgericht in Deutschland

Mauer, Markt und Galgen waren einst die Kennzeichen einer mittelalterlichen Stadt. Während die Stadtmauern und Märkte von Horb gut erforscht sind, ist in der heimatkundlichen Literatur über den Horber Galgen nur recht wenig zu erfahren.

Horb/Beerfelden. Im Zusammenhang mit der Erkundung der ehemaligen Heiligkreuzkapelle auf dem Kreuzkapellenberg stoßen die Vertreter des Kultur- und Museumsvereins immer wieder auf den Horber Galgen, der einst rund 500 Meter von der Kapelle entfernt weiter nordöstlich auf der höchsten Erhebung über dem Neckartal gestanden hat. Dieser Umstand gab den Horber Nachtwächtern Anlass, den laut Frankfurter Allgemeine schönsten und kunst- wie kulturhistorisch wichtigsten Galgen Deutschlands auf einer Anhöhe außerhalb des Odenwaldstädtchens Beerfelden zu besuchen.

Wie in Horb hatte man auch in Beerfelden für die zum Tod durch den Strang Verurteilten als Hinrichtungsstätte den landschaftlich wohl schönsten Platz ausgesucht. In dem Beerfelder Hochgericht stehen, von Linden umgeben und in einem gleichseitigen Dreieck mit 4,50 Meter Seitenlänge aufgestellt, drei schlanke Rotsandsteinsäulen von 5,10 Meter Höhe. Auf den Kapitellen liegen von Säule zu Säule horizontal Holzbalken, die an der Unterseite durch Flacheisen verstärkt sind. Diese Eisenbänder sind oben in den Säulen fest verankert und geben dem Galgen die nötige Stabilität.

Dieser sogenannte dreischläfrige Galgen ersetzte 1597 eine Holzkonstruktion, wie sie auch auf dem Horber Hochgericht beim Galgenfeld gestanden hat. Im Gegensatz zu den aus alten Westernfilmen bekannten Kniegalgen konnten an solch einem dreischläfrigen Galgen bis zu neun Delinquenten gleichzeitig an den Querbalken aufgeknüpft werden. Mit einem möglichst großen Galgen demonstrierte man in Beerfelden wie in Horb überzeugend die Möglichkeit der gewaltvollen Strafvollstreckung. Die Zuständigkeiten des zwölf- und später achtköpfigen Stadtgerichts erstreckten sich laut dem um 1420 niedergeschriebenen Horber Stadtrecht über straf- und zivilrechtliche Angelegenheiten.

Erhängen als eine der ältesten Strafen

Das Erhängen zählt zu den ältesten bekannten Strafen überhaupt. Bäume gab es überall und ein Seil zum Fixieren war auch schnell gefunden. Später verwendete man meist Eichenholz für die Errichtung eines Galgens. Der Tod am Galgen war eher für Kleinkriminelle wie Diebe, Bigamisten, Einbrecher, Deserteure, üble Verleumder oder Ehebrecher vorgesehen. Am dreischläfrigen Galgen starb es sich je nach Fallhöhe meist langsam und grausam. Der zum Tode Verurteilte wurde mit dem Schinderkarren zur Richtstätte gebracht. Dort bekam er den Strick um den Hals gelegt und dann wurde der Karren weggezogen. So gelangte der Delinquent in freie Hanglage und kam entweder durch Genickbruch oder durch Ersticken zu Tode. Im letzteren Fall verschloss die durch die Körperschwere zusammengezogene Schlinge Luftröhre und Blutgefäße und das Sterben dauerte länger. Manchmal half der Scharfrichter durch Ziehen an den Füßen nach, so dass der Halswirbel brach.

Die am Galgen hängenden Verbrecher sollten allen zur Abschreckung und Prävention dienen. Das lange Hängenlassen der Delinquenten am Galgen war Bestandteil der Strafe. Auf der Suche nach Nahrung umkreisten ständig Raben den Galgen, die als Aasfresser die Nähe von mittelalterlichen Hinrichtungsstätten suchten. Die schwarz gefederten Galgenvögel verkörperten dem Volksglauben nach die verdammten Seelen der hingerichteten Verbrecher. Das Erhängen schloss als sogenannte unehrliche Strafe ein anschließendes Begräbnis auf einem geweihten Gottesacker von vornherein aus. Deshalb wurden die Überreste der Delinquenten entweder lieblos in der Nähe der Richtstätte vergraben oder ihre einzeln herabfallenden Gliedmaßen in sogenannten Knochengruben verscharrt. Dementsprechende Knochenfunde wurden in der Nähe des 1936 erbauten Wasserturms, dessen Bewohner heute postalisch unter der Anschrift "Galgenfeld 1" zu erreichen sind, gemacht.

Besonders häufig wurde das Horber Hochgericht am Beginn der Neuzeit frequentiert, wo zwischen 1558 und 1613 insgesamt 99 Personen, die der Hexerei bezichtigt worden waren, hingerichtet wurden. Die in Horb übliche Hinrichtungsart für Hexen war meist die strafmildernde Enthauptung mit anschließender Verbrennung der Leiche. Das Hexereidelikt wurde wie das Zaubereidelikt in der Carolina im Sinne der spiegelnden Strafen mit dem Feuer bestraft. Das reinigende Feuer sollte jede Erinnerung an das getötete Opfer auslöschen, seinen Zauber restlos vernichten und eine Beerdigung unmöglich machen.

An die Horber Richtstätte erinnert nur noch der Flurname "Galgenhalde", der 1307 erstmals mit der Bezeichnung "Unter dem Galgen" Erwähnung fand. Durch die Überbauung des Stadtteils Hohenberg zählt das "Galgenfeld" zu den herausgefallenen Flurnamen der Gemarkung Horb. Das Findbuch des Horber Stadtarchivs führt bezüglich der Horber Richtstätte lediglich eine Akte zum Galgenfeld auf. Für das Jahr 1720 ist eine Reparatur des Horber Hochgerichts belegt. Die Kosten für die Neuaufstellung des Galgens in Höhe von 26 Gulden und 22 Kreuzer teilten sich Stadt und Obervogteiamt je zur Hälfte.

Einer Uracher Beschreibung aus dem Jahr 1776 zu Folge wurde die Erneuerung des Galgens stets als aufwendiges Spektakel inszeniert. Da der Hochgerichtsplatz als ehrloser Ort galt, war kein Handwerker bereit, den Galgen allein aufzurichten, weil ihm dann selbst der zweifelhafte Ruf der Unehrlichkeit anhaftete und dies mit seinen ehrbaren Beruf nicht vereinbar war. Also verpflichtete man für diese Arbeiten alle Angehörigen der Berufe, die für die handwerklichen Arbeiten am Galgen benötigt wurden. Neben den Zimmer-, Schmiede- und Seilermeistern sowie deren Gehilfen nahmen an der Reparatur der Richtstätte ebenso das gesamte Stadtgericht, die Honoratioren der Stadt sowie die übrige Bevölkerung teil. Nach getaner Arbeit wurde ein feuchtfröhliches "Galgenfest" gefeiert.

Besonders schlimme Verbrecher gerädert

An die Horber Richtstätte erinnern vier Stadtansichten, auf denen der Galgen abgebildet ist. Die auf das Jahr 1548 datierte "Wahre Conterfaiung" zeigt bereits einen dreischläfrigen Galgen, der in den beiden 1787 geschaffenen Stadtansichten des Horber Geometers Aloys Fischer als Holzkonstruktion zu erkennen ist. Die auf das Jahr 1605 zurückgehende Stirlinsche Pürschkarte zeigt das Horber Hochgericht mit dem dreischläfrigen Galgen und dem Rad.

Besonders schwere Vergehen wurden damit bestraft, dass man den Verurteilten gerädert hat. Die Verurteilten wurden dazu auf dem Boden festgebunden. Vorrangiges Ziel des Räderns war das qualvolle Verstümmeln des Leibes, nicht der Tod. Der Scharfrichter begann das Knochenbrechen mit den Beinen und arbeitete sich schrittweise zu den Armen vor, indem er das schwere Richtrad mit seiner eisernen Kante auf den Verurteilten fallen ließ. Um die Wirkung zu erhöhen, legte man noch scharfkantige Hölzer unter die Gelenke des Verurteilten. Im zweiten Akt wurde der Leib des geräderten Delinquenten in das Rad geflochten, was durch die gebrochenen Glieder möglich war. Das Rad wurde an einem Pfahl aufgerichtet und der Scharfrichter durfte nun den Verurteilten gegebenenfalls enthaupten oder erdrosseln. Der Leib blieb nach der Hinrichtung auf dem Rad ebenso dem Tierfraß oder Verfall überlassen.

1788 erließ Kaiser Josef II. für die habsburgischen Erblande ein vergleichsweise fortschrittliches Strafgesetz, mit dem unter anderem Verstümmelungsstrafen abgeschafft wurden und die Todesstrafe nur im Standrecht, aber nicht mehr im ordentlichen Strafverfahren, vorgesehen war. Im Mai 1811 befahl König Friedrich I. von Württemberg den Abbruch aller Galgen. Dieser allerhöchsten Resolution aus Stuttgart ist man nach Erkenntnissen des Empfinger Historikers Hans Peter Müller auch in Horb schnell und gerne nachgekommen. Das Kameralamt Horb erlöste allein für den auf Abbruch verkauften Horber Galgen 22 Gulden und 30 Kreuzer.