Geschichte: Uli Rothfuss referiert über das Räuberwesen am oberen Neckar um das Jahr 1800

Horb. Der Kultur- und Museumsverein Horb lädt am Freitag, 27. November, um 20 Uhr zu einer Vortragsveranstaltung ins Gasthaus Schiff ein. Der ehemalige Kriminalbeamte, Kulturwissenschaftler, Schriftsteller und Hochschullehrer Uli Rothfuss referiert unter dem Thema "Schäffer, Räuberfänger – Der erste Kriminalist Württembergs" über das Räuberwesen und die Verbrechensbekämpfung um 1800 am oberen Neckar.

Die Kriminalität als Faszinosum

Kriminalität prägt einen Teil der Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit. Der sonntagabendliche Tatort, der Urlaubskrimi oder die zahlreichen Sensationsberichte der Boulevardpresse führen einem das Phänomen Kriminalität fast täglich vor Augen, auch wenn man nicht persönlich in der Rolle des Täters, Opfers oder eines Zeugen von Verbrechen berührt wird. Gegenwartsinteressen beeinflussen maßgeblich die Fragen, die an die Vergangenheit gerichtet sind. Und deshalb ist es kein Wunder, dass sich die historische Forschung auch dem Faszinosum Kriminalität zugewandt hat, um ein besseres und breiteres Verständnis der Vergangenheit zu erlangen.

Das Schicksal der "fahrenden Leute"

Einer der gefürchtetsten Räuber in Württemberg war der 1742 in Darmstadt geborene Jakob Reinhard, der einer alten Diebes- und Räuber-Dynastie entstammte. In der Frühen Neuzeit rekrutierten sich die Mitglieder der Räuberbanden zu einem guten Teil, aber keineswegs ausschließlich, aus vagierenden Unterschichten. Dieser Vagantenbevölkerung, der fahrende Leute, Bettler, Dirnen, Spielleute oder Scherenschleifer, teilweise aber auch Juden und Zigeuner angehörten, waren schonungslos einem ewigen Wanderleben auf der Landstraße preisgegeben.

Verschärft wurden ihre Lebensbedingungen nicht zuletzt aufgrund einer ungenügenden Armenfürsorge sowie durch eine zunehmende Ausgrenzung und Kriminalisierung. So wird Rothfuss bei seinem Vortrag die Epoche schildern, in der ein Hannikel Bedeutung gewinnen konnte und er wird insbesondere auf die Bedingungen eingehen, die ihn zu einem der Haupträuber werden ließen.

Hannikels Großvater war der "Kleine Konrad", der bereits durch das Rad hingerichtet worden war. Seine Mutter, "die Geißin" genannt, zog umher und lebte von wechselnden Arbeiten und vom Betteln. Sie hielt sich zeitweise auch im nahen Lützenhardt auf, und Nachkommen der Familie Reinhard sind heute noch in der Raumschaft ansässig. Hannikel unterhielt mit seiner über 35 Personen zählenden Bande, seine Lager deshalb meist am Rande des Nordschwarzwalds.

"Hannikel-Graben" gibt es noch heute

Ein Abschnitt des Flüsschens Waldach wird zwischen Unterwaldach und Bösingen heute noch Hannikel-Graben genannt. Die Nähe ausgedehnter Waldgebiete, die territoriale Zersplitterung sowie das Fehlen effizienter staatlicher Verwaltungsstrukturen begünstigten am oberen Neckar den Beginn zahlreicher krimineller Karrieren.

Das Aufkommen der "Jauner"- und Räuberbanden rief im Spitzbubenland zeitgleich exponierte Räuberjäger wie den Sulzer Oberamtmann Georg Jakob Schäffer auf den Plan, der 1745 in dem heutigen Straubenhardter Teilort Ottenhausen geboren wurde. Seine Fahndungslisten und seine Beschreibung der "Jauner, Zigeuner, Straßen-Räuber, Mörder, Markt-, Kirchen-, Tag- und Nachtdiebe, Falschen Geld-Münzer, Beutelschneider, Wechsler, Spieler und andern herum vagierenden liederlichen Gesindels" gewähren tief gehende Einblicke in das kriminelle Vagantenmilieu.

Dem ersten Kriminalisten Württembergs ging es aber nicht allein darum, Verbrechen aufzuklären. Er forschte sowohl nach ihren gesellschaftlichen Ursachen als auch nach den Gründen im Leben des Einzelnen. Professor Rothfuss wird deshalb auch einen kleinen Einblick in die Jaunersprache und in Dichtungen aus dieser Zeit geben.

Selbstverständlich werden auch das Leben des Hannikel, seine Flucht und Ergreifung, die Umstände seiner Verurteilung und seine Hinrichtung beim Vortrag thematisiert werden.