Kraft tanken, den Alltag unterbrechen: Die Vesperkirche ist spürbar ein Stück Kirche. Foto: Hopp

Zwischenbilanz nach einer Woche: Viele Geringverdiener sind Stammgäste geworden. "Solidarität von Spendern und Sponsoren".

Horb - Den typischen Gast der Vesperkirche gibt es nicht. An den Tischen sitzen junge und alte Gäste, und vielen sieht man an, dass sie sich auf das Essen freuen. Am Montag hat die zweite Woche Vesperkirche begonnen. Vielen bedeutet sie mehr als eine Gratismahlzeit auf die Schnelle.

Langsam führt der Mann die Gabel zu Mund, kaut bedächtig auf dem Feldsalat, wirkt in sich gekehrt, wie viele andere, die im Steinhaus an den Tischen sitzen. Elisabeth Steimle spielt am Klavier leise "Ol’ Man River", und auch die Gespräche hören sich wie Flussgemurmel an. Es scheint, als ob die Ökumenische Vesperkirche Horb dieses Jahr ein bisschen mehr zur Kirche geworden ist. Ein Ort zum Einkehren und ein Ort der Einkehr.

"Es sind bisher ein paar weniger Leute gekommen", sagt der katholische Dekanatsreferent Achim Wicker, einer der Initiatoren. "Und es gibt viele Stammgäste. Manche kommen sogar schon um 11 Uhr, um die besondere Atmosphäre zu genießen." Wicker hat den Eindruck, dass dieses Jahr weniger alte Leute kommen, doch das kann am Wetter liegen. Am gestiegenen Wohlstand liegt es wohl nicht. Die Nachricht, dass die 60 reichsten Deutschen die Hälfte des Vermögens im Land besitzen, stimmte Wicker kürzlich nachdenklich. "Die Leute hier in der Vesperkirche gehören zur anderen Hälfte."

Die Essensauswahl bietet für jeden etwas: vegetarisch, mit Schweine- oder Rindfleisch. Pro Tag sind 18 bis 20 Helfer im Dienst, nicht gerechnet die Kuchenbäckerinnen. Aber die sind wichtig. Sechs Kuchen werden täglich gebraucht. "Die gehen alle weg. Einmal gingen sie sogar aus", erzählt Wicker. Auf vier besonders liebevoll geschmückten Kuchen stand der Schriftzug "Horber Vesperkirche", mit Backzutaten handgefertigt.

Ein Gast geht zum Ausgang. "Gut war’s!", sagt er, "das hätte ich auch nicht besser hingekriegt." Vielleicht eine der "erfreulich vielen Einzelpersonen", von denen Wicker erzählt. Diese haben zwischen 30 und 100 Euro gespendet. Auch dieses Jahr freut sich Wicker, dass es in Horb diese "Solidarität von Spendern und Sponsoren" gibt – die Basis der Vesperkirche.

Christa Gaiser ist als Mitarbeiterin des Zentrum des Zuhörens im Steinhaus. Auch sie bestätigt, dass dieses Jahr weniger ältere Menschen da sind. Viele freuen sich über das Essen. "Eine Frau hat gesagt, dass es für sie wie Urlaub ist. Sie braucht nicht kochen und abwaschen." Für die Frau aus Russland, die vierteljährlich eine magere Rente bekommt, für die Mittvierzigerin mit dem zerfurchten Gesicht, für den Jakobspilger, der von Polen nach Horb gelaufen ist – für sie alle ist die Vesperkirche von allen Orten des grauen Alltags der weder graue noch alltägliche.

Das liest man auch im Gästebuch: "Vielen Dank für Speis und Trank", "Gutes Esse!". Oder: "Was hier geschieht, ist pures Evangelium."

Die Vesperkirche geht noch bis Freitag, 29. Januar, täglich von 11 bis 14 Uhr im Steinhaus in der Hirschgasse.

Ein Kulturabend findet am heutigen Dienstag im Rahmen der ökumenischen Vesperkirche in Horb statt. Ab 19.30 Uhr sind im Steinhaus Lachtränen garantiert, verspricht der Veranstalter. Humorvoll, witzig, hintergründig, couragiert – so sind die zwei Künstler des "Duos Q-Rage". Q-Rage steht für couragiertes Theater aus Ludwigsburg. Das Duo tritt in der ökumenischen Horber Vesperkirche auf. Es steht für hochklassiges Improvisationstheater und verspricht einen äußerst kurzweiligen Abend. Der Eintritt ist frei. Die Verantwortlichen laden zur Kultur in der Horber Vesperkirche alle Gäste, Freunde und Gönner ins Gemeindezentrum Steinhaus ein.