Horber Lyriker stellt im Kloster sein neuestes Werk mit dem Titel "Zusammenkunft" vor / Das "Baby" ist 223 Seiten stark und kerngesund

Von Peter Morlok Horb. Walle Sayer las – und im großen Klostersaal war am Freitagabend kein leerer Stuhl mehr zu finden. Er stellte sein neuestes Werk vor: "Zusammenkunft". Im Kloster las der Autor an einem ihm bestens vertrauten Ort aus seinem Buch "Zusammenkunft" in einem Kreis aus Freunden, Familie, Weggefährten und Verehrern, wie er selbst sein zahlreich erschienenes Publikum bezeichnete.

Die Sturheit desÜberzeugten

Die Mitglieder vom Projekt Zukunft, zu denen Sayer schon seit Gründerzeiten zählt, hatten alle Hände voll zu tun, um dem Ansturm auf der Suche nach geistiger Zerstreuung Herr zu werden. Dieser Andrang war eine Verbeugung vor der Sprachkunst des Walle Sayer. Immer freundlich lächelnd, in sich ruhend und doch von Umtriebigkeit umgeben, geht der Schriftsteller seinen geraden Weg mit der festen Sturheit des Überzeugten.

Im Umschlagstext des neuen Buches findet man ein Zitat des Lyrikers Richard Pietraß, der mit wenigen Worten die Arbeit des 1960 geborenen Sayer zusammenfassend skizziert: "Ein Meister des Minutiösen, querweltein gratwandernd zwischen Verrinnen und Entrinnen und noch dem Kleinsten zugewandt, erkennt er in ihm das Wunder alles Lebendigem: Feinheiten, die uns fortan freuen, wenn Pfützen den Himmel anhimmeln, Schnecke und Zeit einander bändigen, wir wieder um ein Ja oder Nein gealtert sind."

Diese Worte sind wie das "Automatenpassfoto" – über die Walle Sayer sich auch so seine philosophischen Gedanken machte und diese dem Premierenpublikum vortrug. Sie spiegelten die ganze Seele der Sayerschen Kurzprosa wieder und lassen erahnen, mit welcher Detailverliebtheit und Beobachtungsgabe der in Dettingen lebendende Schriftstellers durchs Leben geht.

Verleger Hubert Klöpfer, in dessen Verlag "Bücher fürs Denken ohne Geländer" favorisiert sind, freut sich besonders über das nunmehr sechste gemeinsame Baby, wie er den neuen Band liebevoll nannte. Es sei 295,5 Gramm schwer, 223 Seiten groß und kerngesund, so seine Einschätzung.

Genetisch gesehen sei es zudem von allerbestem Erbgut, treffen sich doch bei dieser "Zusammenkunft" die besten Geschichten aus den fünf bisher vorausgegangenen Büchern mit neuen, bisher unveröffentlichten Kleinoden zeitgenössischer Spurensuche im Millimeterbereich.

Horst Köhler stimmtmit der Gitarre ein

Bevor der so Gelobte sein Publikum mitnahm in die Welt der "Wintermärchen" und "Bogenschützen", bevor er ein "Großvaterbild" zeichnete oder "Eine Tischrede an die Jahrgängler" hielt, stimmte Horst Köhler die Gäste mit seinem Spiel auf der akustischen Gitarre auf eine besondere Lesung ein. Der Abend kam einem Blick ins Drachenauge des Tages gleich, dem die meisten Menschen im Saal mit geschlossenen Augen folgten. Walle Sayer lud sie ein, "das Sichtbare anzuschauen, um vom Unsichtbaren etwas zu erahnen".