Kunstprojekt vereint Vergangenheit und Gegenwart / Erinnerungen an Sebastian Lotzer / Suche nach Freiheit künstlerisch umgesetzt

Von Peter Morlok

Horb. Kunst muss nicht immer nur fein säuberlich gerahmt als Bild in einem Museum oder einer Galerie hängen oder als Plastik im Raum stehen – Kunst hat viel mehr Facetten und Gesichter.

Eine dieser künstlerischen Spielarten, eine interdisziplinäre Raumbespielung, erlebten am Samstag bei zwei Aufführungen eine kleine Zuschauer- und Zuhörerschar beim Antonie-Leins-Künstlerhaus in der Wintergasse. Gesang, Tanz, Musik, Klänge und Sprache verschmolzen hierbei zu einem Gesamtkunstwerk, bei dem Aktuelles und Vergangenes in einen Kontext gesetzt wurden.

Sebastian Lotzer, der Verfasser der zwölf Bauernartikel von 1525, verlieh dem Stück die Basis, den roten Faden, denn sein Wunsch: "… das wir frey seyen" stand als Oberbegriff über dieser Collage. Ein Gedanke, der nicht von ungefähr kam, da in direkter Nachbarschaft des Aufführungsortes das Denkmal für den Bauernführer steht.

Aus dem Wunsch nach individueller künstlerischer Freiheit heraus entwickelte Monika Golla, die "Ureinwohnerin" des Künstlerhauses, die Konzeption für die Raumbespielung. Der Freiraum Künstlerhaus wurde bis in die letzte Ecke genutzt und das Lotzer-Denkmal mit einbezogen, bevor man in den Innenhof des Künstlerhauses wechselte.

Ein klagendes Saxofon, vor dem Denkmal gespielt von der Darmstädter Musikdozentin Susanne Resch, eröffnete diese Projektarbeit, die unterstrich, wie vergänglich die Kunst im Moment ihres Entstehens sein kann. Jeder Ton war in dem Moment, in dem er verklang, für immer weg.

Genau wie die Worte, die Sprecher Michael Rieth, für diese Inszenierung fand. Anhand eines scheinbar erstarrten und toten Steines aus dem Mauerwerk des Künstlerhauses verdeutlichte er zu Beginn der 30-minütigen Aufführung, dass dies nur der erste, der subjektive Eindruck sei. In Wahrheit schwingen Millionen von Molekülen in dem Mineral und bringen es zum Beben und Klingen. "Der Stein steckt voller Musik", so seine philosophische Erkenntnis, die dazu einlud, hinter die Fassade des Offensichtlichen zu schauen.

Ein weiteres Beispiel war der Beitrag von Elisabeth Kaiser. Dass Gesang nicht immer gleichzusetzen ist mit melodisch aufeinander abgestimmten Tonfolgen, deren Rhythmen das Ohr erfreuen, wurde spätestens nach der Umsiedlung in den Innenhof des Künstlerhauses Jedem klar.

Elisabeth Kaiser, die als weitere Stipendiatin im Künstlerhaus wohnt, drückte mit ihren Tönen das aus, was sie empfindet, wenn sie Blätter oder Stängel berührt oder wenn ihre Haut in Berührung mit Oberflächen kommt. Sinnerfahrungen, die sich in für das Ohr eines Laien zugegebenermaßen leicht gewöhnungsbedürftigen Lauten, artikulieren. Töne, die zwar anders klingen, die jedoch aus der Situation entstehen und deshalb in ihrer Lautmalerei ebenso einmalig wie einprägsam sind.

Im Tanz – bei dem Golla auf die große Erfahrung der Choreografin Marie-Luise Thiele, die auch für die Gesamtinszenierung verantwortlich zeichnete, und auf die Kunst von Christine Chu, einer preisgekrönten Tänzerin, zurückgreifen konnte – spiegelte sich der Wille, die Suche nach der Freiheit, in verschiedenen Perspektiven und Umsetzungen, wider. Man befreite sich im Raum der Zeit bei sphärischen Klängen von den Zwängen der Alltäglichkeit auf "… das wir frey seyen".

Diese künstlerische Freiheit präsentierte sich jedoch im engen Korsett einer strengen Inszenierung, die keine Abweichung, keinen Blick nach rechts oder links, zuließ. Was blieb, das war eine Freiheit in der Erstarrung der eigenen Vorgaben.

Die Mitwirkenden: Christine Chu (Spiel), Monika Golla (Spiel), Nikolaus Heyduck (Live-Elektronik), Elisabeth Kaiser (Gesang), Wolfram Karrer (Akkordeon), Susanne Resch (Saxophon), Michael Rieth (Sprache), Michael Stoll (Kontrabass, Bassflöte) und Marie-Luise Thiele (Spiel).