Vor der Loveparade in Duisburg war die siebenköpfige Gruppe aus Ergenzingen, Bondorf und Weitingen noch guter Dinge. Wenige Stunden später war René Murawski (Zweiter von rechts) nicht mehr nach Party zumute. Foto: privat

René Murawski erzählt von seinen dramatischen Erlebnissen bei der Loveparade in Duisburg.

Horb - René Murawski ist einer der Raver aus der Region, der die Loveparade in Duisburg besucht hat. Er war mittendrin im Gedränge, bei dem 21 Menschen zu Tode gequetscht wurden. Der Ergenzinger weiß: dass er und seine Freunde großes Glück gehabt haben.

Es muss wohl kurz vor 17 Uhr gewesen sein, als sich René Murawski mit einem Freund aus der siebenköpfigen Gruppe aufmacht, um das Gelände der Loveparade zu verlassen. Sie wollen etwas essen gehen und steuern auf den einzigen Ausgang zu, den Tunnel. Es wird enger, schließlich kommen sie in der Menschenmasse zum Stehen. Es wird geschoben und gedrückt.

"Irgendetwas ist da faul"

Als Murawski sich umblickt, sieht er die Bilder, die man aus dem Fernsehen kennt – Menschen, die auf einen Container steigen, die versuchen dem Gedränge zu entkommen und von anderen hochgezogen werden. Für den 26-Jährigen ist in diesem Moment klar: "Irgendetwas ist da faul."

Er und sein Freund beschließen umzukehren. Was sich angesichts der dicht an dicht stehenden Techno-Fans gar nicht so einfach gestaltet. Schließlich haben sie sich durchgekämpft. Ein halbe, dreiviertel Stunde waren sie in dem Gedränge, nun wird erst einmal verschnauft. Unterdessen drängen sich Polizisten in die Masse hinein. Murawski fragt einen Ordnungshüter, was geschehen ist. Der sagt dazu nichts, außer, dass sie das Gelände über die mittlerweile geöffneten Notausgänge verlassen sollen. Der Ergenzinger ärgert sich heute noch darüber, dass die Polizei nicht aktiv auf die geöffneten Notausgänge hingewiesen hat.

Schließlich sind die beiden vom Gelände herunter. Auf der benachbarten Autobahn sehen Murawski und sein Kollege eine große Masse an DRK-, Feuerwehr- und Polizeifahrzeugen. Die Geräuschkulisse ist enorm. "Martinshorn, Blaulicht, Hubschrauber – es war wie im Krieg", schildert der 26-Jährige die Geschehnisse. Derweil wissen sie immer noch nicht, was passiert ist. Auch die Polizisten sagen nichts, stattdessen schicken sie die beide einfach in irgendeine Richtung, ohne ein bestimmtes Ziel. Zweieinhalb bis drei Stunden laufen sie so umher, erzählt Murawaski weiter. Sie haben Hunger und Durst. Schließlich treffen sie einen Polizisten, der ihnen Wasser gibt. Ein nette Geste, die sich abhebt von den sonstigen Erfahrungen mit den Ordnungshütern vor Ort.

Die Party ist vorbei

Schließlich kommen sie an einem Kiosk. Kein Techno dröhnt dort aus den Boxen, sondern die Nachrichten. Endlich erfahren sie, was los ist. "Ein Schock", so Murawski. Anfangs ist noch von zehn Toten und 70 Verletzten die Rede. Später sind es ungleich mehr. Am Kiosk kommen sie mit ein paar Duisburgern ins Gespräch. Auch sie sind schockiert, entschuldigen sich für das Geschehene und schämen sich für die Stadt Duisburg. Die Party ist vorbei. Aufs Gelände wären Murawski und sein Kollege ohnehin nicht mehr gekommen. Das ist nämlich mittlerweile gesperrt. Mit etwas Abstand auf die Geschehnisse ist Murawski klar: "Es hätte jeden treffen können."

Von all dem bekommen ihre Kollegen auf dem Gelände nichts mit und feiern. Erst am VW-Bus, mit dem sie nach Duisburg gefahren sind, treffen sie sich abends wieder. Der Akku von Murawskis Handy ist mittlerweile leer. Viele haben sich Sorgen gemacht und angerufen, um sich nach dem Wohlbefinden zu erkundigen.

"Ich bin auf jeden Fall wieder dabei!"

Schon als er mit seiner insgesamt siebenköpfigen Gruppe aufs Loveparade-Gelände wollte habe er ein mulmiges Gefühl gehabt, so Murawski. Anderthalb Stunden mussten sie anstehen. So etwas habe er noch nicht erlebt, dabei ist Duisburg bereits seine siebte Loveparade. Bereits hier befürchtet er, dass es Chaos geben wird. Ein Gefühl, das sich aber schnell legt, als sie auf dem Gelände sind. Der Stress fällt ab, Tanzen ist angesagt. "Es war eine richtig geile Party", meint Murawski zum Treiben bei der Loveparade. Fröhlich und friedlich feiern zu diesem Zeitpunkt – es ist gegen 14 Uhr – die Menschen.

Genau dieses harmonische Miteinander ist das, was für den 26-Jährigen die Loveparade ausmacht. Noch nie habe er bei einer seiner Loveparade-Besuche Aggression, Schlägereien oder Pöbeleien erlebt. Deswegen fände der Ergenzinger es schade, wenn das Event sterben würde. Schließlich sei nicht das Party-Volk daran Schuld, was in Duisburg passierte sondern die Veranstalter, die mit zu wenigen Menschen kalkuliert hätten. Deshalb steht für ihn im Falle einer Neuauflage der Loveparade – sei es auch unter anderem Namen – fest: "Ich bin auf jeden Fall wieder dabei!"