Ein Porträt von Martin Luther an der evangelischen Kirche in Mühlen. Er hat vor 500 Jahren eine Reformbewegung in der Kirche ausgelöst. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Kirche: Evangelische Pfarrer sprechen über Errungenschaften der Reformation

Das Jubiläum 500 Jahre Reformation beschert am Dienstag einen zusätzlichen Feiertag. Einige evangelische Pfarrer erzählen, wie sie diesen Tag feiern und was die Reformation aus ihrer Sicht für unser heutiges Leben gebracht hat.

Horb. Vor 500 Jahren nahm die R eformation durch Martin Luther in ihren Anfang, aus der Bewegung entwickelte sich die evangelischen Kirche. Die evangelischen Pfarrer Joachim Döttling (Dettingen), Johannes Unz (Mühlen), Michael Keller und Susanne Veith (Horb) haben schriftlich unsere Fragen zu dem Fest beantwortet.

Wie begehen Sie den Feiertag am 31. Oktober?

Döttling: Wir feiern unseren Festgottesdienst – wie in jedem Jahr – am ersten Sonntag im November. Wer am 31. Oktober mitfeiern will, findet sicher etwas Passendes in seiner näheren Umgebung. Unz: Die evangelischer Kirche Mühlen feiert diesen Tag mit zwei Veranstaltungen. Morgens findet um 10 Uhr ein besonderer Gottesdienst in der Remigiuskirche statt. Am 17 Uhr wird zu einem etwas anderen Halloween-Umzug eingeladen. Ein Fackel- und Laternenumzug geht zum Hofgut Egelstal. Keller: Wir feiern in unserer Horber Kirchengemeinde die Churchnight, ein großes Event mit Film, Gesprächen, Imbiss und einem Gottesdienst. Da bin ich dabei. Diese Churchnight beginnt um 18 Uhr und um 21 Uhr ist dann der Gottesdienst. Da wir Gottesdienst und Veranstaltung auf den Abend gelegt haben, besuche ich vormittags vielleicht den Gottesdienst in der Nagolder Stadtkirche, in dem die Kantorei Nagold die Bach-Kantate "Ein feste Burg ist unser Gott" aufführt, bei welcher meine Frau mitsingt.

Veith: Ich freue mich darauf, am 31. Oktober ab 18 Uhr zum zwölften Mal in Horb die Churchnight zu feiern, und werde gerade an diesem Feiertag im Reformationsjubiläumsjahr für mich im Stillen dankbar auf ganz kleine Anfänge zurückblicken, aus denen eine wunderschöne lokale Tradition geworden ist.

Die evangelische Landeskirche feiert unter dem Motto "...da ist Freiheit". Welche Freiheit hat die Reformation für unser heutiges Leben gebracht?

D öttling: Dass keinem Menschen vorgeschrieben werden kann, wie er zu glauben und zu leben hat. Jeder Christ und jede Christin gestaltet sein oder ihr Leben in der Verantwortung gegenüber Gott, im Vertrauen auf Jesus Christus, durch die Orientierung am biblischen Wort und gegenüber seinem Gewissen. Die vielfältigen Frömmigkeitsstile sind eine Bereicherung. Niemand sollte seine Überzeugung als absolute Ansicht betrachten. Unz: Ein Banner mit dem Motto hängt gut sichtbar vor unserer Kirche. Die reformatorische Freiheit, hat ihren biblischen Ursprung darin, dass Gott den Menschen bedingungslos liebt und annimmt. Aus dieser befreienden Grunderfahrung heraus treten wirtschaftlicher Leistungsdruck oder gesellschaftliche und ideologische Zwänge in den Hintergrund. Letztendlich ist es die Freiheit, so sein zu dürfen wie man ist. Keller: Die Freiheit, dass ich nicht das sein muss, was ich selbst leiste und mir selbst erarbeite.

Veith: Freiheit als eine gottgeschenkte Befreiung, die meine Füße und damit mein ganzes Leben auf den weiten Raum seiner vergebenden Gnade und Liebe stellt.

Es gibt Kirchenhistoriker, die eine Art Heldenkult um Martin Luther beklagen. Auch seine Äußerungen über Juden werden heute kritisch gesehen. Was ist ihre Meinung dazu?

Döttling: Für mich geht es bei der Reformation nicht so sehr um die Person von Martin Luther oder um die anderen Reformatoren, sondern um den besonderen Schatz des Evangeliums, der in der Bibel zu entdecken ist. Ich weiß nicht, ob Luther gewollt hätte, dass wir die Reformation 2017 so feiern, wie es geschieht. Luther war kein Held, sondern ein Mensch wie jeder andere mit besonderen Gaben und Fähigkeiten, aber auch mit Fehlern. Daher ist manches von ihm auch kritisch zu sehen. Wir werden ihm aber nicht gerecht, wenn wir ihn nur nach seinen schwierigen Seiten beurteilen.

Unz: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Luther war kein Heilig er und gerade die Überhöhung seiner Person ruft natürlich viele Kritiker auf den Plan. Luther muss immer in seinem historischen Kontext betrachtet werden. Mit diesen Themen haben wir uns in der Kirchengemeinde ausführlich im Reformationsjahr beschäftigt. Es gab einen Gottesdienst zum Thema "Luther und die Juden" und die Ausstellung in unserer Kirche "Lutherbilder durch sechs Jahrhunderte" hat gut dargestellt, wie Luther vom jeweiligen Zeitgeist vereinnahmt wurde.

Keller: Martin Luther ist kein Heiliger und wollte dies auch nicht sein. Wir dürfen nicht verschweigen, was kritisch zu sehen ist und zum Teil in der Geschichte auch schlimme Folgen hatte. Deshalb veranstalten wir in unserer Kirchengemeinde auch Abende über Luthers Verhalten im Bauernkrieg und zur Täuferbewegung. Beide Bewegungen sind auch in der Geschichte Horbs verankert. Es geht beim Reformationsjubiläum um das Grundanliegen der Reformation und nicht um die Heroisierung einzelner Reformatoren. Luther war ja nur einer von vielen Reformatoren, wenn auch ein bedeutender und prägender.

Veith: Wenn wir nicht zugleich auch kritisch auf Luther und sein Lebenswerk zurückschauen, dann verzerrt sich die Perspektive, und das kann dann auch den richtigen Blick auf die Zukunft hin verengen und versperren.

Welche Botschaft des Reformationsjubiläums soll Ihrem Wunsch nach bei den Menschen hängen bleiben?

Döttling: Die Botschaft, die uns vom Reformationsjubiläum auch künftig begleiten soll, besteht nach meiner Meinung darin, dass die christliche Kirche sich ständig erneuern muss. Es ist und bleibt eine lebenslange Aufgabe, dass Christen Gott vertrauen, sich an der Bibel und Jesus Christus orientieren. Dies führt zu Konsequenzen im täglichen Leben und im Umgang mit anderen Menschen und der gesamten Schöpfung.

Unz: Die Botschaft, dass Gott den Menschen liebt und annimmt ohne Vorbedingungen. Das ist der Kern der Rechtfertigungslehre und das verbindet uns heute mit der katholischen Kirche. Ich freue mich, dass wir das Reformationsjubiläum auch mit zwei ökumenischen Gottesdiensten feiern können. Als Kirche verkündigen wir diesen menschenfreundlichen Gott und deswegen wollen wir als Kirche Jesus Christi allen Menschen eine Heimat bieten.

Keller: Ich bin nicht das, was ich aus mir mache, sondern ich bin das, was ich schon immer bin, nämlich von Anfang an geliebt, von Anfang an Gottes geliebtes Kind.

Veith: Die Botschaft "...da ist Freiheit", welche dort in ihrer reinsten und lebendigsten Weise erfahrbar wird, wo wir uns binden – nämlich rückbinden an Gott und seine Liebe, die uns in Christus zum Greifen nahe gekommen ist .

Martin Luthers 95 Thesen veränderten die Welt und wiesen den Weg in die Moderne. Mit ihnen zog der Wittenberger Theologie-Professor (1483-1546) unter anderem gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche zu Felde. Denn aus Angst vor dem Fegefeuer kauften die Menschen damals Ablassbriefe, um sich von ihren Sünden zu befreien – für den Papst eine gute Einnahmequelle. Neben der Französischen Revolution und der Renaissance gehört die Reformation (zu deutsch: Umgestaltung) zu den wichtigsten politischen und geistesgeschichtlichen Bewegungen Europas. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts beendete sie die Vorherrschaft des Papstes und markierte den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit. Die Veröffentlichung der Thesen Luthers jährt sich am 31. Oktober 2017 zum 500. Mal. Durch den Buchdruck verbreiteten sich seine Schriften schnell – und das in der jeweiligen Landessprache, nicht mehr in Latein.