Mit einem fulminanten "O sole mio" ging es in die Pause: Das Konzert in der Stiftskirche war der Höhepunkt der Horber Musiktage. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Musiktage: "Drei Tenöre" faszinieren mit Arien / Harfenistin Neumann ein klanglicher Gewinn fürs Orchester

Die 21. Horber Musiktage gingen am Sonntagabend mit einem mehr als erstaunlichen Konzert zu Ende. Als "Drei Jungs und Peter" war es angekündigt, und die Geschichte von "Peter und der Wolf" stand im Mittelpunkt .

Horb. Viele Konzertbesucher, gerade Eltern mit ihren Kindern, hatten sicher noch das Kindermusical "Peter Pan", das im letzten Jahr an dieser Stelle gespielt wurde, mit dem großartigen Malte Arkona als Erzähler in Erinnerung und dachten wohl, "Peter und der Wolf" wäre so etwas Ähnliches. Ist es aber nicht, denn Sergei Prokofjew (1891-1953) schrieb dieses musikalische Märchen, um Kinder auf diese Weise mit den Instrumenten eines Sinfonieorchesters vertraut zu machen.

Bis es jedoch diese "Schulstunde" in Instrumentenkunde gab, mussten die vielen Kinder noch eine ganze Zeit lang versuchen, still auf ihren Plätzen zu sitzen, denn Peter (Rosenberger) und sein Wolf kamen erst im zweiten Teil der Aufführung dran.

Zuerst mussten (durften) Kinder und erwachsene Besucher den großen Klängen der Horber Stiftskirchenorgel lauschen. Auf diesen kirchenmusikalischen Teil bestanden die Verantwortlichen der Diözese, die Wert darauf legen, dass der geistliche Aspekt in ihren Gotteshäusern im Vordergrund steht. Aus dieser Vorgabe heraus hatte sich Stiftskirchenkantor Reinhard Kluth die Dritte Orgelsinfonie "Biblische Tänze" von Andreas Willscher als Ouvertüre und als Schlusspunkt dieser Abschlussveranstaltung ausgesucht. Keine Frage, Kluth beherrscht sein Instrument. Er verstand es, diese alttestamentarischen Motive und Bilder durch den Klang der Orgel geradezu plastisch in den Raum zu stellen. Beim Tanz der Salome nutzte er fast unbekannte Klangräume, und die Königin der Instrumente hörte sich phasenweise wie eine Trommel an, die von einer klagenden Oboe begleitet wird. Der brausende Akkord im Stück "Jakobs Tanz an der Bundeslade" animierte zwei Jungs zum Headbangen, und ein kleines Kind stellte ganz eindeutig und laut fest, dass es sich hier um "Lalla" handelt.

Arien wie "Nessun Dorma", "Mattinada" oder "Torna a Surriento", eine Art Popsong der Klassik, füllen das Kirchenschiff mit Wohlklang

Die Hinführungen zu diesen Stücken musste Pfarrvikar Pater Jennis übernehmen, der für den plötzlich erkrankten Elmar Maria Morein einsprang. Der Inder ist nicht wirklich als großer Redner bekannt, zumal seine Sprache stark vom liturgischen Duktus seiner Kirche geprägt ist. Seine geistlichen Anmerkungen waren meist länger als die Stücke selbst, und da war es nicht wirklich verwunderlich, dass ein Herr in einer der vorderen Reihen sein Handy zog und sich erst einmal über den Aktienindex schlau machte. Warum man diese auf Pfarrer Morein zugeschnittenen Redetexte nicht kürzte, dürfte wohl eines der nie gelüfteten Geheimnisse bleiben.

Nach Orgel und geistlichen Worten hörte man dann das "Stimm-A" des ersten Geigers und wusste, dass nun laut Programmzettel die "Drei jungen Tenöre" auftreten, die vom Festivalorchester der Musiktage Horb unter der Leitung von Sven Gnass begleitet wurden. Um es kurz zu machen, das, was die Solisten Garrie Davislim, Harrie van der Plas und Eleazar Rodriguez ablieferten, war einfach großartig. Drei Stimmen, die wirklich faszinierten, und bereits bei der zweiten Arie gab es vereinzelt Standing Ovations. Am Schluss stand fast die gesamte Zuhörerschaft. Beifall, der mehr als verdient war. Arien wie "Nessun Dorma", "Mattinada" oder "Torna a Surriento", eine Art Popsong der Klassik, füllten das Kirchenschiff mit Wohlklang, und das "O Sole Mio", das es als Zugabe obendrein gab, ließ wirklich die Sonne aufgehen. Da waren plötzlich sogar Aktienkurse uninteressant. Ein großer Teil dieses Applauses gehörte auch dem hervorragend aufspielenden Festivalorchester, das durchweg musikalische Glanzlichter setzte. Ohne einen oder eine der hervorragenden Musikerinnen und Musiker zurücksetzen zu wollen, so ist doch die jungen Harfenistin Jennifer Neumann, die zum ersten Mal mit im Orchester saß, ein klanglicher Gewinn. Im großaufspielenden Festivalorchester öffnete sie neue Klangräume und steuerte mit ihrem 47-saitigen Instrument luftig-leichte Momente im Arrangement bei.

Nach einer traditionell recht langen Pause kam der Wolf immer noch nicht. Nein, Pater Jennis schlich sich unbemerkt ans Mikrofon und eröffnete Teil Zwei mit einem geistigen Impuls. Unter anderem hatte er auf seinem Zettel stehen, dass die Lebensfreude das beste Kapital sei, dass Eltern ihren Kindern mitgeben könnten. Und dazu gehöre auch die Freude an der Musik.

Doch wo blieb die Musik, wo war Peter und vor allem der Wolf? Und tatsächlich, kurz vor 20 Uhr war’s dann so weit. Der "Instrumentalunterricht" begann. Erzähler Peter Rosenberger, der die Geschichte in der Horber Version erzählte, in der die Ente im Neckar planscht, quetschte sich dicht an Dirigent Gnass, um ja keinen Einsatz zu verpassen, und bemühte sich redlich, seinen Part gut auszufüllen. Dass die Mitglieder des inzwischen auf die fürs Stück benötigen Stimmfarben reduzierten Orchesters ihre Aufgabe super erledigten, verstand sich bei dieser Besetzung von selbst.

Nur, ob das Ganze wirklich das war, was sich so manche Kinder – und auch deren Eltern – erhofft hatten, blieb offen. In der Pause und nach dem Konzert war jede Menge Kritik an der Zusammenstellung dieses musikalischen Menüs zu hören. Es waren drei an sich hervorragende Programmteile – Orgel, Tenöre und musische Erzählung – die jedoch in dieser Konstellation nicht zusammenpassten und irgendwie die Assoziation "Paniertes Schnitzel mit Vanilleeis und Pfefferminzsoße" aufkommen ließen. Vielleicht sollte man sich überlegen, ob man am Spielort Stiftskirche bei den vorgegebenen Gestaltungszwängen im Programmablauf in Zukunft mit aller Gewalt festhält.